Raja Alem

 4,2 Sterne bei 6 Bewertungen
Autor*in von Sarab und Das Halsband der Tauben.

Lebenslauf

Raja Alem, geboren 1970 in Mekka, studierte Englische Literatur in Dschidda, Saudi-Arabien, und hat Romane, Theaterstücke sowie Kurzgeschichten publiziert. Sie hat für ihr Werk zahlreiche Preise erhalten, darunter den renommierten International Prize for Arabic Fiction (Arabic Booker) für den Roman Das Halsband der Tauben. 2014 wurde sie mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet. Raja Alem lebt in Dschidda und Paris.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Raja Alem

Cover des Buches Sarab (ISBN: 9783293208612)

Sarab

 (4)
Erschienen am 15.07.2019
Cover des Buches Das Halsband der Tauben (ISBN: 9783293308282)

Das Halsband der Tauben

 (2)
Erschienen am 16.11.2015

Neue Rezensionen zu Raja Alem

Cover des Buches Sarab (ISBN: 9783293208612)
A

Rezension zu "Sarab" von Raja Alem

Was ist dieses Buch?
Almut_Scheller_Mahmoudvor 5 Jahren


 Eine dokumentarische Beschreibung eines terroristischen Aktes? Eine Seelenbeschreibung zweier junger Menschen, die konträrer nicht sein könnten und doch eine gemein-same Basis haben? Ein morbider Liebesroman, versteckt hinter dem politischen Gewand? Ist es eine Art Abenteurroman gewürzt mit Prisen von Gewalt und Erotik?

Bringt es uns Aufklärung? Aufklärung über den Fanatismus Koran-gläubiger? Oder über den Fanatismus im allgemeinen?  Über reli-giöse Manipulationen, die letztendlich doch wieder nur dem Faktor „Macht“ obliegen? Über die naive Leichtgläubigkeit der Menschen, die sich nach Reinheit und Sicherheit sehnen, nach Gott?

Bleiben wir bei den Fakten. 

Fakt ist, dass der Heilige Bezirk in Mekka, DER Heilige Ort des muslimischen Glaubens, im späten Herbst des Jahres 1979 von 500 salafistischen Kämpfern unter dem Kommando von  Mudschan al Kutaibi, einem ehemaligen Korporal der saudischen Nationalgarde. in Besitz  genommen wurde. Tausende von Pilgern aus aller Welt hielten sich  aus Anlass der Umra, der kleinen Wall-lahrt und dem Beginn eines neuen Jahrhunderst nach islamischer Zeitrechnung, dem 1. Muharram des Jahres 1400 im Bezirk der Kaaba auf. 

Sie wurden Opfer und Geiseln einer fanatischen Gruppe von Männern, die glaubten, den Mahdi gefunden zu haben und ihn als neuen Herrscher der Welt auf den Thron bringen wollten. Der Mahdi, der Erlöser, der in der Endzeit erscheinen, Gerechtigkeit auf die Erde bringen und das Unrecht auf der Welt beenden sollte.  

Mahdi, das ist im Judentum der Messias, im Christentum Jesus und selbst in den asiatischen Religionen gibt es einen solchen Heilsbringer und Erlöser. 


Der Roman beschreibt die Tage Besetzung, fünf ingesamt.  Und bringt uns die Protagonistin Sarab alias Saifallah näher. Sarab als Kämpfer, als Mann verkleidet,  ihrem Bruder nachfolgend, den sie fast zwanghaft verehrte, den Liebling ihrer Mutter, der „Eisernen“. Sarab, die ihren Vater liebte und sich doch nach der Mutter sehnte. Saifallah zog mit den Gewehren des Vaters zu Mudschan al Kutaibi nach Medina. Sie folgte ihrem Bruder, alle Brücken zu ihrem Wüstendorf abbrechend, im Gemeinschaftsleben aufge-hend, im Training in der Wüste.  Fasziniert  vom propagierten Mahdi, fast eine erotische Faszination. Ein feinsinniger, ehrlicher Mann.  500 Kämpfer, ausgestattet mit den detaillierten Plänen der unterirdischen Gassen, Höhlen, Kammern und Kanälen des Kaaba-Bezirks mit 200.000 qm. 30 Toren, mit einem Säulenwald von Hunderten Marmorsäulen.


Die Botschaft, dass der Mahdi wie im Koran geschrieben, in Mekka erschienen sei,  wurde von den Pilgern nicht mit Jubel-schreien aufgenommen, nicht mit ekstatischen „Allahu akbar, Gott ist der Größte“, begrüßt. Sondern mit Angst und dem einzigen Gedanken, dem Tod zu entrinnen. Die Erstürmung der Anlage durch die saudische Nationalgarde und die Kämpfer der franzö-sischen Eliteeinheiten, das eingesetzte Gas: Es gab kein Entrin-nen. Der „Mahdi“ war genauso sterblich wie Kämpfer und Geiseln.  


Beschreibungen der Todeskämpfe, des Blutrausches. Als ob dies ein Zeichen des Lebendigseins bedeutete. Töten – alles, was fremd und anders war, musste getötet werden. Musste degradiert werden zu Gottlosen, Ungläubigen, zu Kakerlaken, wie in Ruanda oder auch im Dritten Reich. Woher nehmen Fanatiker ihre Über-zeugung, ihr Glaube  und ihre Gesinnung seien die einzig wahren Wege zum Paradies. Woher der besessene Glaube des Auser-wähltseins wie die Kreuzritter und Zeloten, wie die RAF, Al Qaida und der IS und auch die faschistischen Bewegungen in Europa. Woher nehmen sie das Recht, andere Lebewesen, menschliche Lebenwesen, auszumerzen. 

Woher überhaupt der Glaube an das Paradies? Und wozu?


Sarab trifft durch Zufall auf den französischen Elitesoldaten Raphael, der hinter seinem stahlharten kriegmaschinigen Corpus einen sensiblen Kern versteckt,  auch er ein „muttergeschädigtes“ Kind. Beide leben in ihren inneren Käfigen, dem westlichen und dem orientalischen.Sie verbindet eine Hassliebe und erst ganz langsam, peu a peu, entwickelt sich in Paris, wohin Raphael die junge Frau unter falschem Namen schmuggelte, eine Beziehung, eine Liebesbeziehung, die jedoch immer wieder von Paniken und Depressionen, Albträumen und Ängsten heimgesucht wird. 

Wir erleben das Sichherantasten des Beduinenmädchens an die westliche „Freiheit“, aber immer wieder blinken Relikte aus ihrer Vergangenheit auf: die zwanghafte Sucht nach Reinheit : See-lischer und körperlicher Reinheit. Immer wieder tauchen die Getö-teten des Kampfes auf und auch Raphael wird gequält  von traumatischen Bildern und Szenen. Bilder seiner soldatischen elitären Greueltaten, verbrämt mit Heldenmut und Soldatenehre.


Beduinenmädhen trifft auf männliche „Tötungsmaschine“. Beides kann uns Angst machen. Denn beide sind charakterisiert durch blinde Gefolgschaft. Die inneren Kämpfe der beiden sind recht gut ausgeleuchtet und doch springt der Funken des Nachvollziehbaren nicht über. Sie bleiben mir fremd. Sollen sie die Wunden von Okzi-dent und Orient versinnbildchen?


Ein Roman aus einer anderen Welt, oft überfrachtet, in vielem zu unglaubwürdig, zu unwahrscheinlich. Aber was ist heute schon glaubwürdig oder wahrscheinlich? Eine intensive Lektüre: eine Liebesgeschichte, die sich mit den historischen Vorfällen verbindet und mit ihnen verstrickt ist. Gekonnt geschrieben, einfühlsam  und kenntnisreich. Ein exotischer Liebesroman in der Tradition von „Himmel über der Wüste“ und „Der englische Patient“. Aber: Eine Verschlankung des Textes wäre dem Gesamten zuträglich.


Raja Alem schreibt über sich selbst und den Prozess ihres Schreibens: "Der Augenblick des Schreibens ist so besonders, so geheiligt, ich befinde mich an einem Ort, an dem ich nicht berührt werde von dem, was erlaubt ist und was nicht. In diesem Moment der Trance existiert die Zensur für mich nicht. Ich schreibe frei, wie ich im Traum fliege”. 


Die Autorin selbst wurde 1970 in Mekka geboren. Ein für saudische Verhältnisse eher ungewöhnlicher Lebenslauf: sie  studierte englische Literatur, lebt heute in der Hafenstadt Dschidda und in Paris. Stellte mit ihrer Schwester, einer Malerin, eine Lichtskulptur auf der venezianischen Biennale aus. 

Vielleicht sind die saudischen Frauen angekommen in der Welt, in unserer Welt? Und wir dürfen durch Autorinnen wie Raja Alem teil-haben und eintauchen in diese uns so fremde Welt der arabischen Halbinsel.

Cover des Buches Sarab (ISBN: 9783293005297)
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Rezension zu "Sarab" von Raja Alem

Ein historisches Ereignis von 1979 - die Geburtsstunde der der Al Kaida
Gwhynwhyfarvor 6 Jahren

Der Anfang: »Das Gas der Granaten zwang die Rebellen, ihre Stellungen an den großen Toren aufzugeben und sich in die Gewölbe des Heiligen Bezirks zurückzuziehen. Dort verschanzten sie sich, bereit für den Kampf bis zum Tod.«

Ein eindrucksvoller Roman, der sich auf ein historisches Ereignis von 1979 stützt, man bezeichnet diesen Aufstand als die Geburtsstunde der Al Kaida.

Zuvor ein paar erklärende Worte: Im Hadith (Sammlung von Aussprüchen und Handlungen des Propheten Mohammed) wird prophezeit, dass der neue Mahdi (Prophet, muss aus der Blutlinie Mohammeds stammen) zu Beginn eines neuen muslimischen Jahrhunderts an der Kaaba in Mekka erscheinen werde. Am 20. November 1979 (es handelte sich um den ersten Tag des Jahres 1400 nach islamischer Zeitrechnung) haben sich 500 bewaffnete Rebellen unter die circa 50.000 versammelten Gläubigen gemischt und nach dem Morgengebet in der großen Moschee von Mekka nehmen sie die Pilger als Geiseln. Sie töten, angeblich aus Glaubensgründen, die Polizisten, postierten Scharfschützen auf den Minaretten. Dschuhaiman Ibn Seif al-Uteibi, ehemaliger Korporal der saudischen Nationalgarde, der Rebellenführer, huldigt nun seinen Freund Mohammed Abdullah, gibt das Bild, der Mahdi sei in der Person Mohammed Abdullah erschienen. Sie kündigen das Ende der Welt an, rufen die islamische Rechtsordnung auf. Die Pilger schwören ihm Mohammed Abdullah den Bai’a. Die meisten Pilger dürfen nun durch die Fenster die Moschee verlassen, sollen die Ankunft des Mahdi verkünden. Einige werden als Geiseln behalten. Die saudischen Soldaten nehmen nun den Kampf auf. Die Rebellen schaffen es, sich zehn Tage in der Moschee zu verschanzen. Den Saudis gelingt es nicht, in das Gebäude einzudringen, und so bittet das Königshaus Saud Frankreich um Unterstützung. Die Spezialeinheit Groupe d’Intervention de la Gendarmerie Nationale (GIGN) bringt den saudischen Soldaten in einem Kurztraining Nahkampf bei, sie wollen durch die Luft und die Katakomben einfallen. Für Letzteres stellen sie 300 Kilogramm CS - Tränengas zur Verfügung. Am 3. Dezember wird die Moschee gestürmt. Die Stahltür ist nicht zu bezwingen. Aber Fallschirmjäger landen im Innenhof, sprengen die Tür und stürmen das Innere, die Besetzer ziehen sich in die Katakomben zurück. Nun werden dicke Löcher in den Boden der Moschee gebohrt, die Tränengas-Granaten eingeworfen. Erst nach 36 Stunden und vielen Feuergefechten ist die Kaaba zurückerobert, al-Utaibi ist gefangen genommen. Die Leiche von Mohammed Abdullah, dem vermeintlichen Mahdi, wird im TV gezeigt, damit der Aufstand im Keim erstickt wird, denn ein Mahdi ist laut dem Koran unsterblich. Soweit die Moschee nicht durch die Kämpfe in Schutt und Asche gelegt ist, ergibt sich ein grausiges Bild von verwesten Leichen, Zerstörung und Exkrementen. Mehr als 1000 Menschen mussten ihr Leben lassen. 63 Aufständische, darunter al-Utaibi, werden am 9. Januar 1980 in einer Massenexekution in mehreren Städten Saudi-Arabiens öffentlich enthauptet.
Was war der Auslöser? Dschuhaiman Ibn Seif al-Uteibi war ein strenggläubiger Wahhabit und er war mit der westlichen Öffnung seitens des saudischen Königshauses ganz und gar nicht einverstanden, kritisierte die Modernisierung. Kinos, Clubs und Kunstausstellungen waren für ihn nicht mit dem Islam vereinbar, wie auch die Anbetung des Geldes, des Öls, Kontakt mit westlichen Staaten. 1974 ging er nach Nadschd, wo er zwei Jahre mit dem Aufbau der Ichwan beschäftigt war, eben jene militante Gruppe.
Im muslimischen Glauben besiegt der Mahdi im apokalyptischen Krieg die Christen und Juden, schafft die vollkommene Welt, die muslimische. Die Zeit war reif, der Schah war bereits gestürzt. Die Schlacht hatte zwar das Haus Al Saud gewonnen, das saudische Königshaus konnte nicht gestürzt werden, aber der Aufstand saß den Scheichs in den Knochen. Es wurde dem saudischen König nie verziehen, dass er »Ungläubige« in die Heilige Stadt Mekka gerufen hatte, es war für das Empfinden vieler Muslime eine nicht wiedergutzumachende Schande. Vieles von dem, was die Rebellen gefordert hatten, setzten die Saudis deshalb in den 1980er Jahren um. Diese niedergeschlagene Gruppierung gilt als Vorbild der der Al Kaida.

Der Roman behandelt die Tage der Rebellen in der Moschee, beginnt mit dem letzten Angriff. »Aus den Hubschraubern regnet es Fallschirmtruppen«, ein junger Rebell schlüpft in die Uniform eines getöteten Franzosen, um zu fliehen, übertölpelt in der Verkleidung einen französischen Elitesoldaten leitet ihn durch die Katakomben aus einem Kanalisationsschacht hinaus, nimmt ihn oben gefangen. Sie gehen über den al-Muddaa-Markt in eine Seitengasse zu einem leerstehenden Haus, die Treppe hinauf. Der fesselt ihn an ein Bett. Tagelang liegt der Elitesoldat Raphael, der sich selbst Kampfmaschine nennt, dort angebunden und es entspinnt sich ein Dialog zwischen den beiden.

»›… Und was ist eigentlich so schändlich daran, mit anderen Staaten Beziehungen zu pflegen? Soweit ich weiß, gibt es einen Ausspruch des Propheten, der lautet: ›suchet das Wissen, und wäre es in China!‹ der Prophet hat nicht gesagt: ›meidet die Chinesen und tötet sie!‹
Saifallah konnte nichts entgegnen und wollte auch nichts mehr hören. Diese Logik stellte alles infrage, was er in den vergangenen Monaten gelebt hatte.«

In den Rückblicken von Saifallah erfährt der Leser, dass er eine Frau ist und Sarab heißt. Ein Zwillingsmädchen, das von ihrer Mutter nie anerkannt wurde, für die es eine Schande darstellte, ein Mädchen geboren zu haben. Sarabs Bruder wurde von der Mutter verehrt. Und so will sie das sein, was auch ihr Bruder ist, ein Kämpfer für den Islam. Sie verkleidet sich als Mann und die beiden Beduinen schließen sich der Gruppe von Dschuhaiman Ibn Seif al-Uteibi an, werden zu Kämpfern ausgebildet, für den Dschihad trainiert. Im Rückblick erleben wir den Sturm der Moschee, die Belagerung, den Ausruf des Mahdi und die schrecklichen Tage danach. Niemand kommt herein, aber auch nicht hinaus. Leichen türmen sich, es gibt kaum Lebensmittel und Toiletten sind in der Moschee nur am Rande des heiligen Bezirks bedingt vorgesehen. Innerhalb des Moscheegeländes legt sich nun eine Ausdünstung von Verwesung und Fäkalien nieder.

»Sogar Kacke und Pisse kämpfen gegen uns. Niemand hatte den Mut gehabt, bei der Planung auf dieses Problem hinzuweisen, das nun bestürzende Auswirkungen hatte.«

Natürlich begreift auch Raphael bald, dass er von einer jungen Frau gefangengehalten wird, eine Schmach. Die Gespräche, zunächst in Abscheu, lassen beide an ihren inneren Grundeinstellungen zweifeln, an ihrem Leben. Sie rücken immer dichter zueinander und zunächst entsteht ein zarter Band der Zuneigung, die später zu einer tiefen Liebe reift. Ich ich verspreche, hier ist rein gar nichts kitschig. Im Gegenteil. In diesem Kinderzimmer gibt es Rückblicke auf das Leben der beiden, auf die Zeit der Besetzung der Moschee. Aber damit ist der Roman noch lange nicht zu Ende.

»Er hätte sie hier auf diesem Markt zurücklassen können. … Doch dafür war es zu spät, er war wie gebannt von seiner Gefangenen. … Diese Frau bedrohte alles, was er war und was er bis zu diesem Augenblick aufgebaut hatte.«

Zwei Menschen, für die Kampf und Gewalt bisher ihr Leben prägte, zusammengepfercht in einem Zimmer, Hass trifft erotische Anziehung, beißender Spott auf ein Nachdenken des eigenen Ichs. Sarab fragt sich, weshalb sie den Mann nicht tötet, warum sie ihn überhaupt gerettet hat und Raphael fragt sich, nachdem er sich befreien kann, warum er bleibt, ihr nicht den Hals umdreht. Allein das Zimmer, indem sie sich befinden, ist der Hohn an sich. Ein Mädchenzimmer in Rosa, vollgepfercht mit Puppen, Poster an der Wand. Sarab zerschlägt die Puppen, eine heile Kinderwelt, die sie nie hatte, ein Mädchen, das geliebt wird. Ein wundervoller Roman, tiefgründig mit geschichtlichem Hintergrund, empathisch, ein religiöses Thema anzugehen. Es braucht viel Anlauf und Geduld, damit die beiden Menschen zueinanderfinden. Sarab ist in ihrem Land nicht sicher, denn sie hat versagt, sie ist weggelaufen. Die überlebenden Aufständischen werden sie jagen. Kann Raphael sie mit nach Paris nehmen und wird das Beduinenmädchen in dieser Umgebung klarkommen? Lesen … der Roman ist bis zur letzten Seite spannend.

Raja Alem, geboren 1970 in Mekka, studierte Englische Literatur in Dschidda, Saudi-Arabien, und hat Romane, Theaterstücke sowie Kurzgeschichten publiziert. Sie hat für ihr Werk zahlreiche Preise erhalten, darunter den renommierten International Prize for Arabic Fiction (Arabic Booker) für den Roman »Das Halsband der Tauben«. 2014 wurde sie mit dem LiBeraturpreis ausgezeichnet. Raja Alem lebt in Dschidda und Paris.

Cover des Buches Sarab (ISBN: 9783293005297)
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Rezension zu "Sarab" von Raja Alem

Krimi hinter verschlossenen Grenzen
aus-erlesenvor 6 Jahren

Das hätte sich Raphael nie träumen lassen. Ein einziger Tritt ins Zentrum des Lebens und zum ersten Mal spürt er die Marter des Krieges. Hochdekoriert, nie verwundet, keine Waffe der Welt hinterließ je auch nur einen Kratzer. Und nun? Ein Tritt und sein Mut färbt sich dunkelblau. 
Es ist zwei Jahre nach dem deutschen Herbst. Und noch ein Vierteljahrhundert bis zum arabischen Frühling. November 1979. Die Große Moschee in Mekka wird Tatort einer bis heute nachhallenden Katastrophe. Terroristen besetzen das Heiligste aller Heiligtümer des Islam, nehmen Hunderte von Geiseln. Das saudische Herrscherhaus holt sich Hilfe aus Frankreich. Eine militärische Aktion beginnt, an deren Ende eine viel zu hohe Zahl von Toten und Verletzten steht. 
Inmitten der Trümmer, des Blut- und Fäkaliengestankes sucht Raphael sein Heil in der Flucht. Doch sein Verfolger ist schneller, fesselt ihn und gibt ihm den wachrüttelnden Tritt. Um sie herum zischt, brennt es, stinkt es. Das Wasser steht unter Strom. Gasgeruch liegt in der Luft. Es sollen überraschende Stunden werden. Für Raphael auf alle Fälle. 
Da auch Terroristen irgendwann mal schlafen müssen, nutzt Raphael die Gunst der Stunde, um sich von seinen Fesseln zu befreien. Und seinen Bewacher zu überrumpeln. Der schaut ziemlich verdutzt. Doch auch Raphael geht die Kinnlade ziemlich weit runter. Denn Saifallah – den Namen kennt Raphael vom Ausweis, der er ihm abgenommen hat – ist dessen Schwester Sarab. Eine Frau ihn übertölpelt, als Gesteinsbrocken in den unterirdischen Gängen der Moschee auf ihn niederprasselten. 
Beide sind in einer vertrackten Situation. Beide konnten ihren Auftrag nicht pflichtgemäß zu Ende führen. Beide müssen ihn aber zu Ende führen.
Kurze Zeit später quittiert Raphael seinen Dienst. Das Töten als bezahlter Soldat einer französischen Eliteeinheit widert ihn an. Der Sinn seines Lebens ist nicht nur ins Wanken gekommen, er ist gestürzt. Doch an seiner Seite weiß er Sarab. Die eigentliche Aufarbeitung ihrer beider Leben beginnt erst jetzt…
Raja Alem gibt dem, was von Experten der Beginn des islamistischen Terrors genannt wird, eine Handlung, die dem Leser den Atem verschlägt. Der Kampf für ... ja wofür eigentlich? … rückt in den Hintergrund, wenn es darum geht die eigene Haut zu retten und irgendwann einmal ein Leben führen zu können, dass frei von Angst, Hass und Gewalt ist. Kein leichter Weg dorthin. Mit nicht enden wollender Hingabe bereitet sie Sarab und Raphael einen steinigen Weg, den sie selbst verlegt haben und nun beschreiten müssen. Die Vielschichtigkeit ihrer Beziehung sorgt für Erstaunen. So unterschiedlich ihr bisheriges Leben war, so viele Gemeinsamkeiten weisen die beiden Leben immer wieder auf. Zweifel? Ja! Aufgeben? Niemals! So schillernd wie der Einband – übrigens ein Teilausschnitt aus einer Installation von Shadia Alem, der großen Schwester Raja Alems, das zu Biennale in Venedig 2011 ausgestellt wurde – so farbenfroh schildert sie das Leben nach dem grässlichen Terrorakt im November 1979. Die Intensität, mit der das Buch beginnt, lässt erst mit dem letzten Zeichen auf der letzten Seite nach.

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