Eigentlich wollte ich niemals mehr ein weiteres Buch über Hitler lesen, schon gar keine weiteren Erklärungsversuche, wie es zu ihm überhaupt kommen konnte. Ich habe mich in meiner Jugend- und Studentenzeit lange und sehr intensiv mit allen Themen um die Nazi-Zeit beschäftigt und daraus für mich immer nur einen Schluß ziehen können: wehret den Anfängen!
Dann aber fand ich das Buch von Reuth im Preis herabgesetzt im Antiquariat und dachte mir, naja, vielleicht gibt es doch neue Erkenntnisse.
Reuth legt sein Buch in zehn Kapiteln an:
1.Der Antisemitismus in Europa (War er in Deutschland besonders ausgeprägt?) 2.Der Bürgerkrieg nach dem Weltkrieg (Trugen Ebert & Co. eine Mitschuld an Hitler?) 3.Der Versailler Diktatfrieden (Ebnete das Vertragswerk Hitler den Weg?) 4.Hitlers Nationalsozialismus (War er die Antwort auf Lenins Bolschewismus?) 5.Hitlers Aufstieg zur Macht (Wie konnte ein Rassenfanatiker Kanzler werden?) 6.Reichskanzler und Führer (Kannten die Deutschen Hitlers wahre Ziele?) 7.Der Hitler-Stalin-Pakt (Weshalb schlossen ihn die Todfeinde?) 8.Hitlers anderer Krieg (Worin unterschied er sich?) 9.Der Völkermord an den Juden (Noch einmal: Wie konnte das geschehen?) 10.Die Niederlage (Warum kämpfte Deutschland bis zum Untergang?)
Warum man immer an dieser, unserer Geschichte interessiert und aufgeschlossen für intensive Fragestellungen dazu sein sollte, schreibt der Autor selbst in seiner Einleitung: "Denn ein Dreivierteljahrhundert 'danach' hat es den Anschein, dass das Erbe Hitlers stärker denn je auf dieses Land einwirkt und an den Grundfesten seiner Demokratie rührt, der besten Form des Zusammenlebens, die die Deutschen je hatten, wie es der Blick auf ihre düsterste Vergangenheitumso augenfälliger macht." (S. 12)
Und so habe ich das Buch sehr interessiert gelesen, gerade auch als Suchender in dieser Zeit, in der wiederum ein Interesse für extreme Parteien erwacht und sich von Wahl zu Wahl immer unverhohlener Bahn bricht. Neues habe ich darin aber nicht wirklich entdeckt, mal abgesehen von der Betrachtung, wann genau sich Hitler denn wirklich zum Judenhasser entwickelt hatte. Vor 1919? Für mich war das aber nicht wirklich relevant. Ich weiß, dass man nie davor gefeit ist, ins Extreme abzudriften und sich daher immer die Aufgabe an einen selbst stellt, die eigenen Anschauungen zu überprüfen, auch im Diskurs mit den anderen, ganz besonders aber mit den eigenen Moralvorstellungen und Werten und stets der Frage: würde ich das an mir selbst auch erleben wollen? Insofern ist es ein interessantes Buch, das am Ende auch der Menschlichkeit Wort redet und uns auffordert, aufmerksam auf frühzeitig sich anbahnende Entwicklungen zu achten. "...denn der Mensch ist eben nicht nur bloßer Spielball anonymer Geschichtsprozesse, sondern zur Gestaltung historischer Entwicklungen befähigt." (Einleitung S. 9)
Das Buch gibt insgesamt einen guten Überblick auf die Jahre nach dem Ersten und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, es beschreibt Zusammenhänge und diskutiert dabei auch widersprüchliche Forschungsergebnisse. Wer eine kompakt geschriebene, gründlich recherchierte Zusammenfassung des düstersten Kapitels deutscher Geschichte sucht - und sie hat ja wirklich immer noch enorme Auswirkungen auf uns heute - ist mit dem Buch von Ralf Georg Reuth bestens bedient.




















