Rezension zu "Generation Gleichschritt" von Ralf Schuler
Immer häufiger gibt es Themen, bei denen die öffentliche Debatte im mentalen Gleichschritt zu marschieren hat. Ralf Schuler zeigt in „Generation Gleichschritt“ auf, wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde.
Wer ist der Autor?
Ralf Schuler wuchs im Ost-Berliner Stadtteil Köpenick auf. 1993 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis. Als Journalist arbeitete er für die Tageszeitung «Die Welt», für die «Märkische Allgemeine Zeitung» und war seit 2013 bis 2022 Leiter der Parlamentsredaktion der BILD in Berlin. Der bekennende Protestant stammt aus einer reformierten Gemeinde, fremdelt allerdings mehr und mehr mit seiner Amtskirche. Schuler ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Berlin.
Worum geht es in dem Buch?
„Wie entstehen Konformität und taktisches Verbiegen unter den Bedingungen einer freiheitlichen Gesellschaft?“ Mit dieser Frage setzt sich Ralf Schuler auseinander.
Im Prolog schildert der Autor den Werdegang zum Manuskript. Dabei erhält der Leser Einblicke in die Binnenpluralität bei Axel Springer und erfährt, wie mächtig die LGBTQ+-Community ist. „Wenn die Unantastbarkeit von Presse und Meinungsfreiheit schon im Hause Springer anlassbezogen aufgehoben werden kann, anstatt sie mit allen Mitteln zu verteidigen, dann werden künftig weitere Themen und Gelegenheiten folgen, bei denen politischer, wirtschaftlicher oder Lobbydruck triumphieren.“
In seiner Beweisaufnahme zeigt Schuler dem Leser anhand verschiedener Puzzleteile, die in ihrer Zusammenschau das Gesamtbild ergeben, auf, dass „das für die Demokratie lebenswichtige ‚kritische Gegenüber in der Regenbogen-Welt nicht mehr vorgesehen ist.“
Im umfassenden, zweiten Teil zeigt der Verfasser auf, wie die Freiheit unterwandert wird. Durch den geschürten Hass auf Andersdenkende, die stillen Netzwerke der Macht und die Umwertung von Werten folgt nicht der neue Mensch, sondern der neue Bürger. Ehrlich und offen zeigt er dabei auf, wie Sprache zur Umprogrammierung im Kopf missbraucht wird, da z. B. Universitäten zum Gendern verpflichtet sind. „Wo nur ‚Wahrheiten‘ zulässig sind, schließt die offene Gesellschaft ihre Pforten.“
Danach skizziert er kurz den Preis der Meinungsfreiheit, denn diese bringt u. U. den sozialen Tod mit sich. „Wir haben uns in vielen Bereichen daran gewöhnt, Freiheit zu haben und gehen vermutlich deshalb inzwischen oft nachlässig und verschwenderisch mit ihr in dem Sinne um, dass für sie großzügig aufgeben, wenn tagespragmatische oder parteitaktische Erwägungen für mehr Sicherheit oder Komfort dies nahelegen.“
Hierauf macht er dem Leser Mut, mentale Leitplanken aufzubrechen, denn Individualität ist ein Heilmittel gegen staatliche Vielfalt und den Gleichschritt. „Widerstehen wir, wo irgend möglich, kollektivistischen Ansätzen.“
Im vorletzten Kapitel nimmt Schuler seinen Leser mit in seine Merkel-Jahre, da er in seiner Funktion im Parlamentsbüro für die Begleitung der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich war.
Der Epilog rundet den Prolog ab, denn Schuler erkennt u. a., dass der freie Meinungsaustausch und der freie Diskurs darüber letztlich als Übel anzusehen ist. „Den Gleichschritt haben wir uns über lange Jahre angewöhnt, deswegen wird es Zeit, brauchen, neue Gangarten einzuüben, um aus diesem Trott zu geraten.“
Wer sollte das Buch lesen?
Jeder, der sich mit dem Mainstream schwertut und erkennt, dass seit geraumer Zeit in der öffentlichen Debatte kritisches Denken nicht mehr erwünscht ist. Dabei zeigt Schuler auf, „wie sich die mediale Meinung schleichend, aber kontinuierlich immer weiter auf die linke Seite des Spielfeldes verschöben hat.“, so Dieter Nuhr im Vorwort.
Was gibt es Kritisches?
Schuler greift lediglich indirekt auf biblische Bezüge zurück. Jedoch ist seine ethische Perspektive von christlichen Wertmaßstäben durchdrungen. Der Preis des Buches fällt insgesamt zu hoch aus, was schade ist, denn der Inhalt sollte vielen zugänglich gemacht werden, um sich von der staatlichen Bevormundung freizuschwimmen und sich glaubwürdig zu einem biblischen Menschenbild einzusetzen.
Weshalb sollte man das Buch lesen?
Einerseits erhält der Leser einen Blick in die Medienlandschaft, der den eigenen Horizont erweitert, da auch die unguten Mechanismen vorgestellt werden. Somit dient die Lektüre der Aufklärung über die vierte Gewalt im Staat. Andererseits verhilft Schuler seinem Leser, die Schweigespiralen unserer Gesellschaft zu entlarven, um Positionen, Meinungen und Werte neu zu hinterfragen. „Eine Gesellschaft, die ihr Verhältnis zu jenen spirituellen Koordinaten nicht mehr zu reflektieren vermag, denen sie ihren Wertekanon maßgeblich verdankt, wird unversehens zu ideologischen und utopistischen Engführungen verleitet oder auf ängstlich-restriktive Bestandswahrung auf Kosten von Freiheit und Individualität bedacht sein.“ Insgesamt eine aufklärende und zum Reflektieren über den Gleichschritt der Gesellschaft anregende Lektüre.