Furios und rasant, aber auch zum Nachdenken anregend
von HarIequin
Rezension
„I am invisible, understand, simply because people refuse to see me.“ (S.3)
Der namenlose Protagonist, ein Afro-Amerikaner in den USA der 50er Jahre, widmet sein Leben der Bildung und versucht sich so vorbildhaft wie nur möglich zu verhalten. Als er zu Unrecht von seinem College ausgeschloβen wird, schlägt er sich in New York durch.
„Invisible Man“ ist mir schon öfter als „wichtige“ Literatur in irgendwelchen Listen und Empfehlungen untergekommen (auch durch den Gewinn des National Book Awards 1953) und trotzdem hat es mich bis jetzt nie gereizt dieses Werk anzugehen. Völlig zu Unrecht, denn letzten Endes gehört es wirklich zu den besseren Romanen, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Schon der Anfang hat mich umgehauen. Die Eröffnungsszene zählt zu den besten, die ich jemals gelesen habe und ich kann jedem empfehlen, zumindest einmal reinzulesen. Gleich zu Beginn, als er einen Joint raucht und beginnt zu erzählen, wirft sich die Frage auf, was von dieser Geschichte denn nun real ist und was nicht. Das zieht sich durch das ganze Buch, denn manche Gegebenheiten erscheinen mehr oder weniger absurd, werden allerdings auch durch einen Alkohol- oder Medikamentennebel erzählt.
Es ist definitiv kein fast-read für zwischendurch und braucht seine Zeit (für mich war es ein Monat). Die Sprache (bzw. das Englisch) ist etwas anspruchsvoller, aber wirklich machbar. Meine Erwartung, dass dies ein weitere American Dream/Work Hard-Buch sein würde, hat sich nicht ganz bewahrheitet, denn im Verlauf wird die Story eher abgedreht (im positiven Sinn) als klassisch optimistisch. Angesprochene Themen sind vorwiegend Bildung für Afroamerikaner, Unterdrückung / Ausbeutung und die Wichtigkeit von Sprache und groβen Reden. Damit verbunden ist es eine coming-of-age-Story (oder ein Bildungsroman) mit wirklich interessantem Protagonisten. Die Geschichte erzählt rückblickend, wie der „Invisible Man“ zu seiner Isolation und Unsichtbarkeit kam. Es fängt mit einem naiven College-Studenten an, der nichts in Frage stellt und entwickelt sich zu jemandem, der die Dinge selbst in die Hand nimmt und für sich selbst denkt. Das Buch ist furios, klug und unvorhersehbar. Ralph Ellison verbindet ernste Themen mit Unterhaltung und Surrealismus, ohne dass es jemals lächerlich wirkt. Ganz gepackt hat es mich dann doch nicht; vielleicht war manches zu dick aufgetragen oder ich konnte mich nicht mit den Figuren identifizieren. Trotzdem eine klare Empfehlung von mir, vor allem wer sich für Klassiker oder etwas anspruchsvollere Romane interessiert.