Cover des Buches Frauen dürfen hier nicht träumen (ISBN: 9783442757480)
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Rezension zu Frauen dürfen hier nicht träumen von Rana Ahmad

ohne Worte

von Mia_Spatz vor 6 Jahren

Rezension

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Mia_Spatzvor 6 Jahren
Ohne Worte. Und doch sind es so viele.



In einer Zivilisation, die aus ihrem Materialismus keinen Hehl macht und die materiellen Werte höher schätzt als die seelischen, ist es unvermeidlich, dass ein Vergehen gegen Eigentum und Besitz strenger bestraft wird als ein Vergehen gegen den Menschen. – Jack London



Als ich mit dem Buch begann wusste ich um das Thema und dennoch riss es mich aus meinem hier und jetzt heraus. Ich vergaß eine Zeit lang alles um mich herum und war einfach nur entsetzt.

Entsetzt, wie Menschen durch die Religion rechtfertigen, jemanden zu unterdrücken und zu terrorisieren. Wie die Situation so eingefahren ist, wie es dort einfach immer schon so war.

Rana beschreibt nicht nur was ihr passiert ist, sie beschreibt nicht nur was ihr angetan wurde, sondern sie ist klug. Sie versteht nach und nach wieso die Dinge so laufen wie sie eben laufen. Dadurch, dass ihr von frühester Kindheit eingebläut wird, ihr Körper wäre eine Versuchung, nicht rein, mag sie ihren Körper nicht. Sie hat Angst, dass es ihre Schuld ist, weil sie das böse, unreine Mädchen ist, wenn sie jemand berührt auch ohne dass sie es will. Aus diesem Grund kann sie es auch nicht sagen, kann niemandem davon erzählen. Und als sie sich endlich traut, wird ihr nicht geglaubt und ihr Leben wird noch schlimmer. Ein Kreislauf der so in sich geschlossen ist, dass er sich über Jahrzehnte für Frauen in Saudi Arabien nicht verändert, weil es ein funktionierendes System ist. Wenn der Schwache dem Gewalt angetan wird, keine Rechte hat, keine Stimme mit der er sprechen kann, kann er auch nicht aus dem System ausbrechen.

Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, wie das System verändert werden könnte in solch einem Land, wie Frauen dort eine Stimme bekommen könnten und ob es auch in europäischen Ländern immer noch ein Überbleibsel davon gibt, ob die Stimme einer Frau auch hier noch weniger zählt.

Rana wird von ihrem Bruder fast zu Tode geprügelt, und auch nach dieser Aktion bekommt sie keinen Rückhalt von ihrer Mutter. Ihr Onkel kommt ihr zu Nahe. Der Einzige der auf sie aufpasst ist ihr Vater. Wie kann man sich in einer Welt zuhause fühlen in der die eigene Familie einen unterdrückt? Ich könnte mir niemals vorstellen weniger Rechte oder Pflichten zu haben, als mein Bruder. Ich könnte mir eine Welt, in der ich die Worte meiner Eltern oder meiner Mitmenschen nicht anzweifeln oder darüber diskutieren kann nicht vorstellen.

Ich bin eine Frau. Ja. Aber ich sehe es nicht ein, wegen meines Geschlechts anders behandelt zu werden. Wie ein Mensch ist, hängt nicht von dem Geschlecht ab, sondern vom Individuum. Es hängt auch nicht von der Hautfarbe, der Nase oder etwas anderem ab. Ja ich bin eine Frau und wie fast 50 Prozent der Menschheit bekomme ich alle paar Wochen meine Periode. Das kann ich laut sagen, wieso auch nicht, es betrifft ja fast die Hälfte der Menschheit.

Und da ist auch nichts eklig dran. Und schon Garnichts unrein. Ich war entsetzt als ich las, das Rana – die ja eigentlich fromm sein sollte, in den Tagen der Periode jetzt nicht mehr den Koran anfassen darf, da sie jetzt unrein wäre. Sie soll Kindergebären, aber das was dazu gehört, wenn man eine Frau ist, das ist dann unrein?

Mein Unverständnis für etwas derartig heuchlerisches ist nicht gegeben. Ich finde jeder sollte an das glauben was er möchte, aber ohne Menschen seelischen oder körperlichen Schaden hinzuzufügen. Denn das hätte kein Gott gewollt.

Rana erwähnt in ihrem Buch wie viel Pech sie hatte, einfach weil sie am falschen Ort geboren wurde. Sie hat Recht, ich habe Glück in einem Land wie Deutschland geboren worden zu sein. Indem ich selbst über mich entscheiden kann.

Aber Rana ist eine mutige Frau und versucht zu fliehen. Wie viele andere wohl auch davon träumen und es nicht können? Rana hatte Glück, ich vermute ohne dass sie Englisch gelernt hätte, wäre es auf der Flucht noch viel schwieriger gewesen. Ich kann mir nicht vorstellen wie hart es sein muss alles zurück zu lassen und in ein völlig neues aber auch fremdes Leben zu gehen.

Ich finde es traurig, dass Menschen in einigen Ländern mehr Angst um sich selbst haben, als Menschen in Not aufzunehmen und ihnen zu helfen. Ist es die Angst, dass man ihnen etwas nimmt, Geld, Kultur? Oder aber ist es die Angst vor dem Fremden?

Umso mehr freue ich mich, dass sich die Deutschen oft mit mehr Herzlichkeit für Geflüchtete eingesetzt haben. Auch ich habe versucht zu helfen.

Ich bin mir sicher es ist ein zweischneidiges Schwert. Es gibt Menschen - auch Menschen aus diesen Ländern, die sich vielleicht nicht korrekt verhalten, mit unserem System noch nichts anfangen können, doch genauso gibt es auch Deutsche die sich nicht gut Verhalten – alles ist vom Individuum abhängig.

Wir sind eine vernetzte Welt, die sich schnell verändert. Ich glaube irgendwann wird es überall mehr so sein wie in Metropolen, wo es sehr viele unterschiedliche Menschen gibt, mit sehr vielen verschiedenen Meinungen und Bedürfnissen. Vielleicht haben Länder die so streng geordnet sind davor Angst, wie viel sich bei ihnen verändern wird. Aber ich glaube es wird sich verändern.
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