Ein uralter, erblindeter Mann kommt kurz vor seinem Lebensende ins Erzählen. Er hält Rückschau und reißt den Leser mit in den Strudel gelebten Lebens, auch wenn es ein fiktives ist. Durch eine Laune und Vorliebe seines Vaters trägt der Bulgare einen typischen deutschen Namen: Ulrich. Und tatsächlich verschlägt es ihn in jungen Jahren auch einmal eine Zeit lang zum Studium nach Berlin. Ansonsten bleibt er seiner Heimatstadt Sofia eng verbunden. Mit seinen Eltern kommt er anfangs weit herum, sogar bis nach Bagdad, führt aufgrund des Berufes seines Vaters ein priveligiertes, fast abenteuerliches Leben. Doch sein Vater muss in den 1. Weltkrieg ziehen und kommt als gebrochener Mann zurück. Damit beginnt auch der gesellschaftliche und finanzielle Abstieg der Familie.
Ulrich interessiert sich für die Welt der Chemie. Seine eigentlich Leidenschaft wäre jedoch die Musik, wäre, wenn nicht sein Vater diesbezüglich und endgültig einen Strich durch diese Rechnung gemacht hätte. Er möchte, dass aus seinem Sohn „etwas wird“ und schafft gerade damit die Grundlage, dass Ulrich in seinem Leben tendenziell unzufrieden bleiben wird und ein Schatten ihn verfolgt. Seine Ehe scheitert, seine Frau entschwindet mit seinem einzigen Sohn nach Amerika. Im Kommunismus gleicht er sich fast gänzlich an. Als seine Mutter jedoch ins Lager kommt, lehnt er sich gegen das System auf. Doch auch der Kommunismus findet ein Ende. Ulrich ist unterdessen schon ein alter Mann. Seine Tagträume nehmen zu. Im Alltag hat er nicht viel zu lachen. Seine privaten Fiktionen bringen ihn durch den Tag und sind zunehmend Ersatz für nicht gelebte Wünsche und Sehnsüchte.....
Soweit zum ersten Teil des Buches, welchen ich mit großem Genuss verschlungen habe. Dann ein Bruch und der zweite Teil des Buches beginnt, der mit dem Titel: „Tagträume“ überschrieben ist.
Hier stocherte ich eine ganz Weile im Dunkeln. Es beginnt nun eine Art Parallelwelt. Die Geschichte beginnt mit Petar, der in einer kleinen Industriestadt in Bulgarien aufwächst und dessen Sohn Boris, der eine Große Liebe zur Geige entwickelt und als alle gehen, mit seiner Großmutter als einziger zurückbleibt, bis er eines Tages von einem Agenten entdeckt und mit nach Amerika genommen wird. Und von Chatuna und ihrem Bruder Irakli, die in Tiflis groß werden. Chatuna und Irakli müssen letztendlich nach Amerika fliehen. Dort überkreuzen sich die Wege mit Boris, der unterdessen eine sagenhafte Karriere begonnen hat. Doch richtig glücklich scheinen alle nicht im ‚gelobten Land’ zu sein. Als Ulrich dann im Geschichtsverlauf auftaucht, sehend ist und auch alte Bekannte wieder trifft, wird man sich der doppelten Fiktionalität dieses zweiten Teiles bewusst.
Für den ersten Teil des Buches gehe ich die volle Sternenzahl. Diesem gelang es, mich umfassend einzuwickeln. Mit dem zweiten Teil konnte ich selber nicht so zufrieden werden, weshalb es dafür nur 3 Sterne gibt. Insgesamt fließt der Roman in einer überaus gefälligen Sprache dahin. Eigentlich bin ich kein Fan von dermaßen Wälzern. Doch diesen konnte ich für meine Verhältnisse recht zügig durchlesen.
Nett die Idee des ersten Teils die Kapitel mit Namen chemischer Elemente zu überschreiben. Im zweiten Teil sind es Meeressäuger (?).
Der britisch-indische Autor Rana Dasgupta ist in Canterbury geboren, in Cambridge aufgewachsen, lebt aber unterdessen in Delhi. Beim vorliegenden Buch handelt es sich um seinen ersten Roman nach Veröffentlichung eines Erzählbandes im Jahre 2005.