Rezension zu "Einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt" von Raoul Eisele
In diesen Zeiten könnten schwarze Löcher türkis erscheinen. Sie sind es nicht.
Nach den ersten Seiten der einnehmend prosaischen Lyrik lässt mich Raoul Eisele in eine andere, neue Welt eintauchen. Seine Zeilen inspirieren, machen frei und fesseln zugleich.
Wie schön zum Beispiel: „…, als täte ich es zum ersten Mal/ganz frei und warm und unbekümmert/schwamm so schön in deinen Armen, wie schön/bei dir, mit dir dem Meer entgegenzulauschen“
Liebe mischt sich ein, erklärt, sehnt sich, erinnert sich, ist da, mit und ohne Eifersucht, ohne Angst, aber doch mit schwarzen Löchern. Geht auf Distanz, nimmt eine andere Perspektive ein, schaut ins Glas, draußen am Meer, möchte reisen und da sein.
Nach den zweiten schwarzen Seiten im Buch wird der Faden spürbar, bekommen die Texte einen Zusammenhang, eine Handlung, die Figuren ein Profil, lyrischen Prosa entsteht. Immer wieder mit außergewöhnlichen Formulierungen, „… und wie freilich sie flogen/ wie freilich, aber niemand sah hin“. Raoul Eisele verwendet und kreiert eine nichtelitäre Sprache, sie spricht mich besonders an. Auf einhundert Seiten blühen seine Formulierungen, Fremdwörter werden nicht selbstgefällig eingebaut, Kunst entsteht, gerade weil sie ihre Berechtigung nicht in der Abgehobenheit sucht.
Langsam mischt sich auch Zeitgeschichte in seine Zeilen. Ohne Anklage nehmen sie mit, machen betroffen. Das Meer und die Muscheln begleiten und bestimmen das Sein des/der fiktiven Ich-Erzähler’in, enden auf und in Schwarz:
„ ... weiß nicht mehr genau, wann ich aufgehört hatte, dein/Zimmer zu betreten, jenes, neben den wilden Häuptern/ der Blumen, die du getrocknet und in Vasen von Wiesen/gezupft, so als hättest du immer Blumen, könntest dich/immer an die Stehengelassenen erinnern, …“
Ein wunderbares Leseerlebnis!