Cover des Buches Tagebuch über die Entdeckung der Welt (ISBN: B014GCEXAA)
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Rezension zu Tagebuch über die Entdeckung der Welt von Raphael Schaffarczik

Ein egoistischer, ungezogener, verzogener Junge, der meine Erwartungen nicht erfüllt hat

von Imoagnet vor 9 Jahren

Rezension

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Imoagnetvor 9 Jahren

Meine Erwartungen an das Buch waren, dass ich erfahre, wie 8jährige Kinder denken. Dass ich ihre Gedanken hinter ihrem Verhalten erfahre, dass mir als Erwachsenen eventuell die Augen geöffnet werden und ich in meiner Beurteilung aus Erwachsenensicht vielleicht sogar umdenke.

Also bin ich sehr offen an dieses Buch herangegangen.

Der Beginn war auch ganz lustig, nämlich die Stellen, wo sich Jimmy, der eigentlich gar nicht Jimmy heißt, vorstellt.

Das erste übergeordnete Thema ist Umweltverschmutzung und Müllentsorgung. Jimmy nimmt das, was seine Lehrerin erzählt ziemlich ernst und versucht das Problem auf seine Weise zu lösen. Da hat sich bei mir das erste Mal das Gefühl eingestellt, dass die Mutter irgendwie nicht eingreift.

Und so rutscht Jimmy von einem „Abenteuer“ ins nächste.

Dabei verhält er sich Erwachsenen gegenüber respektlos, findet ihre „Ansagen“ unfair und wähnt sich auch noch auf der Seite des Rechts.

Zum Beispiel sollte Jimmy ein Gedicht schreiben, aber statt dies selbst zu tun, hat er es abgeschrieben und nur etwas verändert (dies kann ich mir gut bei 8jährigen vorstellen). Die Lehrerin hat ihm dann erklärt, dass und warum dies nicht geht. Und anstatt dies einfach zu akzeptieren, fängt er an zu diskutieren und weil es ihm dann „zu bunt“ wurde, haut er einfach aus dem Unterricht ab. So zieht sich das durchs ganz Buch durch. Statt für dieses Verhalten eine angemessene Konsequenz zu bekommen, geht Jimmys Mutter mit ihm auch noch zum Rummel. Dort darf der Junge sich austun und Kettenkarussel fahren. Dort verliert er seine Schuhe (was wirklich witzig war). Aber statt das „Nein!“ des Achterbahnangestellten (wo er seine Schuhe holen wollte) zu akzeptieren, denkt er wieder nach, wie unfair das Verhalten des Mannes sei, dass es eigentlich Diebstahl ist und dass er am liebsten die Polizei holen würde.

Jimmy verdreht permanent die Tatsachen und alle anderen außer er haben Schuld, nur er handelt angeblich immer richtig.

Solches extreme Verhalten wie auf dem Rummel findet auch noch im Zoo, im Museum beim Zirkusspiel usw. statt.

Als ein neues Mädchen in die Nachbarschaft zieht, zeigen sich die Auswirkungen von Jimmys Einstellung. Anstatt sich nach einem unabsichtlichen Gegeneinanderstoßen einfach zu entschuldigen - wie es auch das Mädchen tut - beharrt Jimmy auf seinem vermeintlichen Recht. Das Ende vom Lied: das Mädchen geht irgendwann, weil sie auch keinen Bock mehr auf diese Situation hat und Jimmy steht beleidigt da, weil ja alle so ungerecht sind.

Ich war beim Lesen oft sehr genervt von Jimmy und seiner Art. Und oft habe ich mich erwischt, dass ich dachte, dass ich auch sauer auf Jimmys Mutter war, weil sie nicht eingegriffen hat.

Zusammengefasst muss ich sagen, dass Jimmy ein egoistisches, unerzogenes, verzogenes Kind ist, was mit Sicherheit keine (bzw. nur wenige) Freunde hat (was ja aber nicht an ihm liegt, nein, die anderen sind schuld, weil die einfach doof sind). Damit sich jemand mit ihm abgibt (auch im späteren Leben), lockt er mit materiellen Anreizen.

Mich hat das Buch sehr enttäuscht und meine Erwartungen in keinster Weise erfüllt. Die Sprache entspricht jedoch die eines 8jährigen.

Der Humor ist nicht meiner, denn ich finde es nicht witzig, wenn man sich (ohne zu Fragen) Tiere aus der Nachbarschaft „ausleiht“ und sie dann tot zurückgibt. Oder wenn ein 8jähriger denkt, aus Muscheln könnte man Eis herstellen. Oder wenn Jimmy beim Zoll ein Eis mitschmuggelt und als Rache, weil der Zollbeamte es gefunden hatte und das ganze nicht lustig fand, das Eis extra nochmal von Jimmy umgepackt wird und der Zollbeamte nochmal in die Matsche greift. So verhält sich kein Kind.

In einer Leserunde hat der Autor verraten, dass alle Handlungen fiktiv seien. Ich hoffe sehr, dass dem auch wirklich so ist und dass dies keine Kindheitserlebnisse des Autors in veränderter Form sind.

Auch in der Leserunde hat der Autor erwähnt, dass dies sowohl ein Buch für Erwachsene als auch für Kinder sei. Ich für meinen Teil würde keinem Kind daraus vorlesen, denn selbst wenn manche Streiche vielleicht witzig sind, werden sie nicht aufgelöst. Also Jimmy wird nie bestraft, es wird nie gesagt, dass Jimmy sich falsch verhält und dadurch Jimmy an jedem Erwachsenen Rache nimmt, der ihm mal sagt, wo es lang geht (meistens beschmiert er dessen Kleidung mit Nutella oder anderen klebrigen Essensresten), könnten Kinder denken, dies sei in Ordnung.

Ich kann dieses Buch leider nicht weiter empfehlen. Schade, denn die Idee ist eigentlich toll, die Welt aus den Augen eines Kindes zu sehen. Aber da gibt es schon viele tolle Bücher, in denen dies hervorragend gelungen ist, wie zum Beispiel alle Bücher von Astrid Lindgren oder auch die „Möwenweg-Bücher“ von Kirsten Boie.

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