„Schon als Kind habe ich mich für Mathematik begeistert und versucht, auch anderen diese Begeisterung zu vermitteln. Leider scheint dies nur wenigen Mathematik-Lehrern zu gelingen.
Dies möchte ich ändern. Denn Mathematik macht Spaß!“ (http://www.briefe-aus-einer-anderen-welt.de/impressum/ abgerufen am 09.03.2022)
Ich muss zugeben, dass ich mich mit einer Bewertung dieses Buches etwas schwer tue, da ich als Mathematiklehrer vielleicht einen anderen Blick habe als die Leser, für die dieses Buch geschrieben ist, nämlich für junge Menschen etwa ab der 4. Klasse, wie der Autor auf der oben genannten Homepage angibt.
Den Anspruch, den Raymond Hemmecke hat, nämlich Begeisterung für Mathematik zu vermitteln, zu zeigen, dass Mathematik Spaß macht, kann ich nur begrüßen. Er ist damit allerdings natürlich nicht der erste, der das versucht. Mein Eindruck nach der Lektüre des Buches war, dass er damit eher Erwachsene erreichen kann, die irgendwann nach ihrer Schulzeit sich noch einmal an ihre Mathematikstunden zurückerinnern wollen, entweder weil sie die Begeisterung ihrer Mathestunden wieder erleben wollen oder weil sie hoffen, hier einen Lehrenden zu finden, der ihnen die (in der Schulzeit vermisste) Begeisterung jetzt vermitteln kann. Da kann das Buch durchaus Erfolg haben.
In 20 Briefen schreibt 3,7 von der Welt Pirk einem Erdling Briefe. Versteckt in den Briefen sind einige schöne Hinweise, wie Mathematiker ticken und arbeiten, so zum Beispiel, dass Mathematiker (schreib)faul sind und deshalb so viele Abkürzungen verwenden. Oder dass man ein unbekanntes Problem auf ein bekanntes und kleineres Problem zurückführen kann.
Ein Kind von 10 Jahren wird dieses Buch aber, denke ich, nicht oder nur bedingt begeistern aus verschiedenen Gründen:
- Die Rahmenhandlung ist sehr simpel und wird auf Dauer monoton: Eine gewisse 3,7 (warum dieser Name?) schreibt einem Erdling Briefe, in denen mathematische Probleme gelöst werden. Am Anfang ist das noch interessant, weil auf dem fremden Planeten keine Zeit existiert und so das Problem der Unendlichkeit erklärt wird. Später ist es aber völlig unerheblich, woher 3,7 kommt.
- die Aufmachung des Buches ist nicht sehr ansprechend, ein großzügig gedruckter Text in lustiger Comic-Schrift mit ein paar mathematischen Formeln, keine Illustrationen (z.B. des Erdlings und der kleinen 3,7), die das ganze etwas auflockern würden.
- Das Briefe wirken immer unzusammenhängender und das Buch endet völlig abrupt. Es steht am Ende „Bis zum nächsten Brief“ und das war es. Die Lösung habe ich zufällig auf der obigen Homepage gefunden: Das Buch ist eine 20 Briefe umfassende Auswahl von insgesamt 36 Briefen (und zwar querbeet). Einen Hinweis darauf (und auf die Homepage) findet man im Buch nicht.
- Die behandelten Probleme sind nicht sehr neu und schon vielfach für Kinder erklärt worden. Auch wenn der Autor oft schöne und einleuchtende Erklärungen bietet, sind diese nicht immer ausführlich und altersgemäß (ab 10 Jahre!) dargeboten.
Alles in allem wirkt das Buch wenig professionell, mehr wie ein Liebhaberstück des Autors. Mehr Begeisterung für Mathematik erweckt bei mir eher „Der Zahlenteufel“ von Hans Magnus Enzensberger (von der Grundidee sehr ähnlich) oder der Mathematik-Krimi „Christian und die Zahlenkünstler“ des Gießeners Mathematik-Professors Albrecht Beutelspacher.