„Onyx Storm“, der dritte Band der Flammengeküsst-Reihe von Rebecca Yarros, setzt Violets Reise am Basgiath War College fort und konfrontiert sie mit neuen Herausforderungen. Während der zweite Band in einigen Aspekten schwächelte, gelingt hier eine deutliche Steigerung.
Die Handlung entfaltet sich mit größerer Tiefe und intensiverer Spannung als im Vorgängerband. Mit den Isles im Süden öffnet sich die Welt für neue Schauplätze, die nicht nur geografisch, sondern auch kulturell frische Perspektiven bieten. Diese Erweiterung verleiht der Geschichte eine größere Dimension und lässt sie lebendiger wirken. Zudem rückt die politische Dimension stärker in den Vordergrund. Intrigen, strategische Überlegungen und Machtverschiebungen nehmen mehr Raum ein, doch ohne dabei die persönliche Entwicklung von Violet zu vernachlässigen. Ihre Entscheidungen und ihr Wachstum bleiben ein zentraler Bestandteil der Geschichte, sodass die Balance zwischen den großen politischen Ereignissen und der individuellen Reise der Protagonistin erhalten bleibt.
Violet durchläuft eine spürbare Weiterentwicklung und wirkt in diesem Band reifer und gefestigter. Ihre Entscheidungen sind nicht mehr von impulsiven Reaktionen geprägt, sondern wohlüberlegt und strategisch durchdacht. Sie reflektiert ihre Handlungen bewusster und zeigt ein wachsendes Verständnis für die komplexen politischen und militärischen Zusammenhänge, in die sie verwickelt ist. Gleichzeitig sind ihre Fähigkeiten als Reiterin und Kämpferin deutlich geschärft. Sie setzt ihr Wissen und ihre Kräfte gezielter ein, anstatt sich auf Glück oder die Hilfe anderer zu verlassen. Diese Entwicklung verleiht ihrer Figur mehr Tiefe und macht sie zu einer noch überzeugenderen Protagonistin.
Die Balance zwischen actiongeladenen Szenen, strategischen Überlegungen und emotionalen Momenten ist in diesem Band deutlich harmonischer als im Vorgänger. Rasante Kämpfe und überraschende Wendungen sorgen für Spannung, während taktische Entscheidungen und politische Intrigen die Handlung mit Tiefgang bereichern. Gleichzeitig bleibt genügend Raum für die persönliche Entwicklung der Charaktere und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Diese Mischung verleiht der Geschichte Dynamik und Abwechslung, ohne dass ein Element die anderen überlagert oder die Erzählung ins Stocken gerät.
Trotz der vielen gelungenen Elemente weist der Roman einige Schwächen auf, insbesondere in der Darstellung der Liebesgeschichte zwischen Violet und Xaden. Ihre Beziehung bleibt auf einem unreifen, fast naiven Niveau, das sich seit dem ersten Band kaum weiterentwickelt hat. Während Violet in anderen Bereichen spürbar reifer und strategischer agiert, scheint sie in ihrer Liebe zu Xaden immer noch von einer fast blinden Hingabe getrieben zu sein. Besonders deutlich wird das in den Momenten, in denen sie bereit ist, nahezu alles zu opfern, nur um ihn vor der Dunkelheit zu bewahren – selbst dann, wenn diese Entscheidungen katastrophale Folgen für die Welt um sie herum haben könnten. Diese bedingungslose Fixierung auf Xaden lässt sie emotional unreif wirken und steht im Kontrast zu ihrer ansonsten gewachsenen Selbstständigkeit. Anstatt eine ausgeglichene und tiefgehende Partnerschaft zu zeigen, bleibt ihre Beziehung geprägt von dramatischen Gesten und einer fast zwanghaften Abhängigkeit, die nicht jedem Leser zusagen dürfte.
Die Länge des Buches kann mitunter zur Herausforderung werden. Mit über 900 Seiten nimmt sich die Geschichte viel Raum, um politische Diskussionen, strategische Überlegungen und taktische Planungen ausführlich darzustellen. Während diese Passagen das Worldbuilding vertiefen und die komplexen Machtstrukturen der Welt greifbarer machen, wirken sie stellenweise zäh und bremsen den Lesefluss. Vor allem in der ersten Hälfte des Romans entstehen Phasen, in denen die Handlung nur langsam voranschreitet, da Charaktere wiederholt Strategien diskutieren oder politische Allianzen abwägen. Hier wäre eine straffere Erzählweise wünschenswert gewesen, um das Tempo der Geschichte durchgehend hochzuhalten. Einige Passagen fühlen sich unnötig in die Länge gezogen an, ohne entscheidende neue Erkenntnisse zu liefern. Eine Reduzierung um einige Hundert Seiten hätte dem Buch gutgetan und den Spannungsbogen geschärft, ohne dass die Tiefe der Geschichte darunter gelitten hätte.
„Onyx Storm“ übertrifft seinen Vorgänger in vielen Punkten. Die Welt wächst, die Handlung ist packender und die Charakterentwicklung überzeugender. Einige Längen und eine etwas stagnierende Liebesgeschichte trüben das Gesamtbild, doch insgesamt bleibt der dritte Band eine gelungene Fortsetzung, die neugierig auf das, was noch kommen mag, macht.