Dieser mittlerweile 23. Roman des britischen Autors John le Carré erschien 2008 unter dem Originaltitel „A Most Wanted Man“. Ein muslimischer Flüchtling aus Russland taucht in Hamburg auf. Nach den islamistischen Anschlägen in vielen Teilen der Welt, die mit den Flügen ins World Trade Center am 13.09.2001 ihren Höhepunkt erreichten, sind alle Muslime grundsätzlich erstmal unter Terrorverdacht. Die junge Anwältin Annabel Richter arbeitet für eine Flüchtlingsorganisation und übernimmt das Mandat des jungen Mannes, der aufgrund einer Kapitalanlage seines verstorbenen Vaters, eines Obersten der Roten Armee, bei einer Hamburger Privatbank, auf den ersten Blick gute Zukunftsaussichten zu haben scheint. Doch seine hohe Moral und die Geheimdienste stehen im Weg.
Die Hauptperson Issa, um die sich alles dreht, ist eine geradezu kindlich unschuldige Person mit hehren Absichten und Motiven, was die von den Geheimdiensten ausgerufene Jagd auf sie geradezu grotesk erscheinen lässt. Dem Autor ist es gut gelungen, die damalige politische Stimmung einzufangen und sie gleichzeitig zu persiflieren.
Immer wieder herrlich dabei der ironische Tonfall des Autors und sein britischer Humor: „Mit ihren fünfzig Jahren ging sie dank bester Wartung und der Dienste eines angesagten Schönheitschirurgen noch immer als hinreißende Neununddreißigjährige durch – beinahe zumindest.“ (Ullstein Tb, 1. Aufl. Nov 2009, S. 112)
Die Geschichte schreitet zwar recht gemächlich voran, was dazu führt, dass es ihr bisweilen ein wenig an Spannung mangelt. Aber weil von Anfang an klar ist, dass jeder Geheimdienst sein eigenes Süppchen kocht und allein dieses gegenseitige Belauern eine permanente Hintergrundspannung erzeugt, ist das kein allzu großes Manko. Dass am Ende die Amerikaner diejenigen sind, die einfach machen, was sie wollen, ohne Rücksicht auf andere Interessen, ist vielleicht so erwartbar wie wirklichkeitsnah, ebenso wie ihre geradezu zur Schau gestellte Ignoranz gegenüber rechtsstaatlichen Grundregeln.
Besonders erwähnen möchte ich den wirklich gut gewählten deutschen Titel des Romans, der meiner Ansicht nach fast noch besser zur Geschichte passt als der Originaltitel, denn irgendwie sind fast alle auftretenden Personen Marionetten von irgendjemand anderem, abgesehen vielleicht von den CIA-Agenten. Selbst diejenigen, die glauben, sie hätten die Möglichkeit, frei zu entscheiden, entpuppen sich am Ende als macht- und einflusslos.
Meiner Ansicht nach wieder einmal ein rundum gelungenes Werk des Autors, der nicht umsonst der Doyen der anspruchsvollen Spionageliteratur ist. Vier Sterne.