Regina Schleheck. Wenn Drachen Sachen machen und andere Märchengeschichten
Verlag p.machinery Juli 2022 – Reihe Außer der Reihe Band 68 ISBN 978-3-95765-291-1
Vor mir liegt ein dünner Band von achtundzwanzig Kurzgeschichten mit dem Titel: „Wenn Drachen Sachen machen“ – Kindergeschichten also, denke ich und schlage auf.
In Wahrheit gilt es jedoch, eine fantastische und reale Welt voller menschelnder Drachen und Menschen, die, wie Hoffmanns Archivarius Lindhorst, selbst Drachen sind, zu entdecken. Mit bewussten Insekten, merkwürdigen Vögeln und unglücklichen Wasser- und Schneefrauen. Mit Sternenkindern, einem glücklichen Hans sowie einen „Totkäppchen“ und anderen seltsamen Figuren. Dieser Märchenkosmos setzt sich aus Motiven klassischer und auch weniger bekannter Märchen zusammen. Und er beschäftigt sich mit einer oft harten Realität. Glücklich gehen diese Geschichten meist nicht aus, aber das Ende überrascht dem Leser stets aufs Neue. Und viele von ihnen berühren, rühren an wegen der Verletzlichkeit der jeweils Handelnden. Die Texte selbst, so entnimmt man derbeigefügten Bibliografie, sind in den letzten Jahrzehnten entstanden. Einige wurden sogar ausgezeichnet, u.a. das Märchen „Wie der Mond sein Herz verlor“, das 2013 den Deutschen Phantastik Preis errang.
Alles in allem gut lesbare und unterhaltsam Geschichten, jedoch keine Märchen für Kinder. Dies nicht allein wegen der „unheilen“ Welt, in die sie führen, sondern weil Kindermärchen der Fantasie einen weiten, positiven Raum bieten. Motive wie das Verlassenwerden in der Partnerschaft, die wiederholt thematisiert werden, sind eben anders und leben im Hier und Jetzt. Wie schreibt die Autorin: „alles ist brüchig“ und stellte die Frage nach dem Glück: „Wie kann man es erlangen?“. In ihrem Schlussessay, nach Exkursen über die Zufälligkeiten des Lebens, die letztlich Glück und Unglück bestimmen, wagt Frau Schleheck eine Definition. „Wem es geling, trotz aller Widrigkeiten, das Glück beim Schopf zu packen, der ist wohl glücklich“, ist das Resümee, eine ganz persönliche Aussage und der Kern ihrer Erzählungen. Höchst eindrücklich!