Rezension zu Der Kirmesmörder - Jürgen Bartsch von Regina Schleheck
Ungewöhnlich im Aufbau, stimmig in Erzählton und Sprache
von Brigitte_Pons
Rezension
Hilfreich: 1
Brigitte_Pons
Regina Schleheck ist mit dem Buch „Der Kirmesmörder – Jürgen Bartsch“ ein faszinierendes Zeitdokument gelungen, das viel mehr als nur den „Fall Bartsch“ behandelt. Sie hält die Folgen der Nachkriegszeit, die Atmosphäre und typische Denkweise der 60er Jahre fest – schlägt mit vielen angerissenen Hinweisen zu unterschiedlichsten Ereignissen einen Bogen, der das Geschehen im geschichtlichen Kontext positioniert und vieles verständlich werden lässt, ohne direkt mit dem Finger darauf zu zeigen. Jede Erzählstimme bringt ihre ganz eigene Lebensgeschichte und daraus resultierende Sicht auf den Fall mit. Sehr beeindruckend mit welcher Selbstverständlichkeit alltägliche Gewalt, Vorurteile und der Fortbestand nationalsozialistisch geprägten Gedankenguts geschildert werden, oft wertungsfrei und lapidar: „Das war eben so“. Die Herangehensweise, die Geschichte aus vielen unterschiedlichen Perspektiven jeweils sehr subjektiv und Ausschnittsweise erzählen zu lassen, gibt dem Buch eine ganz besondere Note - an die man sich zugegebenermaßen gewöhnen, und auf die man sich einlassen (wollen) muss. Persönlich hätte ich mir ein Nachwort gewünscht, das ein wenig Aufschluss darüber gibt, wie viel Fiktion und Realität in diesem „biografischen“ Roman steckt – inwieweit die Protagonisten, die Regina Schleheck erzählen lässt, auf realen Menschen und ihren Aussagen oder Erinnerungen basieren. Der Mensch Jürgen Bartsch erhält eine greifbare Kontur als „Monster“ und zugleich als tragische Gestalt, ohne eine eigene Stimme zu haben. Alles in allem: lesenswert!