Mit Magellan - Band 3: Die Meerenge
Von der Bahia Rio de Janeiro zur Magellanstrasse
Mit dem Autor Reimer Boy Eilers, und vor allem mit Magellan sowie dem Protagonisten Pay Edel, sind wir nun auf dem Trip nach Süden. Es geht an der Ostküste Südamerikas vorbei an unbekanntem Land uferwärts entlang. Mit viel seemännischem Know-how und gar fuchtigem Seemannsgarn nimmt uns der Erzähler geschickt mit auf die Entdeckerreise Magellans. Alte-Schule im besten Sinne! Die bigotte Gottesfurcht der adeligen Iberer und der Aberglaube der Mannschaften auf den Schiffen spiegelt sich in Monologen wider, ebenso das Herrschaftsgebaren der Europäer gegenüber den indigenen Völkern in der Neuen Welt. „Als die Achtergassen noch in Magellans Hütte berieten, wagte sich ein Indianer an Bord. Was sagt man dazu? … Don Fernando (Magellan) war erfreut und schenkte dem vornehmen Indianer eine Jacke aus rotem Tuch. Dann zeigte er ihm einen Silberbarren und fragte in Zeichensprache …. Ob dieses Metall hier im Lande gefunden werden könnte? … Er bedeutete seinen neugierigen, sich lebhaft gebärdenden Gastgebern, dass es davon im Überfluss gibt.“ (S. 49) Hier zeigt sich die Gier der merkantilistischen Europäer ebenso wie alsbald ihre Fleischeslust. Besonders Begegnungen der Seeleute mit den Einheimischen wie auch das Leben an Bord im Mikrokosmos nehmen am Anfang des historischen Romans Raum ein. Die Menschen vor Ort werden als ‚Kobolde‘ und ‚Riesen‘ wahrgenommen. Es erinnert an Shakespeares ‚The Tempest‘ (Der Sturm) wie Prospero auf den Kariben Caliban trifft, wenn hier die Seemänner mit den schönen Wilden, den weiblichen Indios, fraternisieren und sich verbandeln. Liebschaften entstehen während einer kurzen Rast der Expeditionsschiffe auf Reede in einer Bucht vor Rio de Janeiro. Die Verbindungen werden alsbald durch die unabänderliche Weiterfahrt der Schiffe zerrissen. Das ist wohl das Los des Seemannes.
In gewohnter wortgewaltiger Manier erzählt Reimer Boy Eilers fein recherchiert von Intrigen, seltsamen Todesfällen, Meuterei, Folter, Schafott sowie Menschenraub und outet sich als ‚Liebhaber blutrünstiger Heiligengeschichten‘. Sprachlich changiert der Erzähler zwischen derber Seemannsrede: „Jede Stunde konnte es wieder geschehen, dass ein Schiffskind in blühendem Unsinn versuchte, den Teufel am Arsch zu zwicken und seiner Großmutter ein goldenes Barthaar auszureißen“ (S. 67) und maritimer Alltagspoesie. „Das Meer ist ein großer Garten ohne Pforte und Riegel, es kennt keine Vorbehalte und steht jedem offen und empfängt den Seefahrer mit einer liebevollen Umarmung, es wiegt ihn und eben, wenn er es sich bequem macht, stößt es ihn besinnungslos von sich.“ La Mer wird hier zur Allegorie einer Liebschaft per se, per See, sozusagen. Es hat zunächst etwas Paradiesisches. Der (See-) Mann wird angezogen und empfangen wie von einer Geliebten, um dann derb verstoßen zu werden. (S. 79) Der Autor spricht indirekt auch die Lesenden an, eine nette, persönliche doppelbödige Marotte des schreibenden Subjekts: „Ihr lieben Frauen und Jungfrauen daheim, Mutter und Jungfer, ich will euch mit solcher Bemerkung nicht die Rührung verderben.“ (S. 83) Natürlich ist hier auch die Mutter von Pay Edel und die Verlobte auf Helgoland, die Jungfrau Peerke, gemeint.
Die Erzähltechnik funktioniert über den Ich-Erzähler und dass ist in erster Linie Pay. Doch auch Don Fernando Magellan kommt in seinen markigen Reden an die Mannschaft sowie durch seinen ‚Stream of consciousness‘ zu Wort. Seine innigsten Wünsche werden offenbar, nämlich die große Hoffnung, die Passage vor Feuerland zu finden. Es ist fast wie eine unabänderliche Wahnidee, der alle folgen müssen. Selbst in Träumen war die Durchfahrt Don Fernando erschienen. Im literary realism des modernen Schreibens hatte einst der große Henry James diese Schreibtechnik etabliert. Zum Ende des vorliegenden Bandes wartet Pay Edel mit einer Offenbarung über ein Familiengeheimnis auf.
Bei allem ist der Autor Reimer Boy Eilers auch ein Wissensvermittler, was nautische und seemännische Fachbegriffe angeht. So ist das Kapitel ‚Nach Süden‘ sinnig mit maritimem Fachchinesisch in Form eines Globus überschrieben. Fotos, Miniaturen, Bilder und Kartenmaterial spielen als Würze im vorliegenden Band wieder eine Rolle, runden das erzählerische Momentum geschickt ab. Auch das Wetterphänomen, dass es bei der Fahrt südlich des Äquators immer kälter wurde statt wärmer, findet Erwähnung. Wie werden die Schiffsleute die erhoffte Passage wohl finden? Für die Lesenden wird die ungewisse Fahrt zur imaginierten Meeresenge, die heute nun als Magellanstrasse bekannt ist, zu einer abenteuerlichen Reise in die aufregende Vergangenheit der Entdecker und Sehleute. Ahoi! Mast- und Schotbruch bei der Weiterfahrt … Jakob Krajewsky