Im Mai 1961 ersteigerte Reinhard Kaiser auf einer Briefmarkenauktion eine Pappschachtel mit Alben, Briefmarken und 30 Umschlägen mit Briefen, die alle vom gleichen Absender an die gleiche Empfängerin adressiert waren. Er hatte vorher die Gelegenheit, den Inhalt der Pappschachtel zu begutachten und dabei einige der Briefe überflogen. Diese haben seine Neugierde so stark geweckt, dass er gegen einen hartnäckigen Mitbieter eine Bieterschlacht eingegangen ist und eine, wie er selbst sagt, Phantasiesumme bezahlt hat. Er beginnt zu recherchieren, setzt die Briefe in den historischen Kontext und es geht eine schöne und traurige Liebesgeschichte hervor. Wie der Titel bereits verrät, konnten die Liebenden, wie die Königskinder, am Ende nicht zusammen kommen.
Der Deutsche Rudolf Kaufmann und die Schwedin Ingeborg Magnusson lernten sich im Sommer 1935 in Bologna kennen. Sie machte Ferien in Italien, er war bereits seit zwei Jahren im Land. Die Verhältnisse in Deutschland haben ihn zu diesem Schritt bewegt. Man hatte ihn, wegen seiner jüdischen Abstammung, seines Postens an der Universität in Greifswald enthoben, kurz nachdem ein neuer Reichskanzler ins Amt kam.
Sie hatten nur zwei gemeinsame Tage in Italien. Später noch 5 Tage in Stockholm und weitere 6 Tage in Deutschland. Doch ihre Liebe überdauerte das Getrenntsein und bekräftigte sich in ihren Briefen.
Reinhard Kaiser hat die Briefe, teils in Auszügen, wiedergegeben. Es sind nur Briefe von Rudolf Kaufmann an Ingeborg und einige an seine Familie erhalten. In diesen lässt sich jedoch die Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen den beiden verfolgen. Rudolf geht in seinen Briefen auch auf Fragen von Ingeborg ein oder auch auf ihre Erlebnisse in Schweden. Dadurch wird Ingeborg sehr präsent. Die Lücken zwischen den Briefen füllt Kaiser mit den Ergebnissen seiner Recherche und vervollständigt dadurch die Geschichte.
In seinen Briefen nennt Rudolf sie „liebes Ingelein“ und träumt von einer gemeinsamen Zukunft. Er geht zurück nach Deutschland um ihr räumlich näher zu sein. Doch die Umstände in Deutschland sind für ihn gefährlich geworden. Es ist schmerzlich, „mitlesen“ zu müssen, wie er sich bemüht, eine Anstellung zu finden um ihnen ein Zukunft bieten zu können. Er schmiedet Pläne und hat doch keine Chancen. Waren seine Briefe zu Beginn noch voller Zuversicht spürt man immer mehr seine bedrückte Stimmung. Die Verhältnisse in dieser Zeit werden uns heute durch den persönlichen Blick des Briefeschreibers sehr eindringlich erlebbar.
Reinhard Kaiser dokumentiert eine Liebes- und Lebensgeschichtegeschichte. Er zieht ein Band über die Jahre 1935 bis 1941. Vielleicht waren es seine Interpretationen oder seine leicht poetische Sprache, die bei mir eine Distanz zu der realen Geschichte erschaffen hat und ich mich dabei ertappte den Eindruck zu haben, einen Roman zu lesen. Die im Buch enthaltenen Fotos von Rudolf und Ingeborg, einige abgedruckte Briefe und andere Dokumente haben mich die Authentizität dann doch wieder bewusst werden lassen.
Dem Autor ist zu danken, dass er die Briefumschläge nicht als Trägermaterial der Briefmarken gesehen sondern dieses Zeitzeugendokument erstellt hat.
Lebenslauf von Reinhard Kaiser
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Reinhard Kaiser
Königskinder
Warum der Schnee weiß ist
Der Vampir
Warum der Schnee weiss ist
Der glückliche Kunsträuber
Eos' Gelüst
Kindskopf (Gebundene Ausgabe)
Unerhörte Rettung
Neue Rezensionen zu Reinhard Kaiser
Rezension zu "Königskinder" von Reinhard Kaiser
Eine wahre Liebesgeschichte zwischen der jungen Schwedin Ingeborg Magnusson und dem deutschen Juden Rudolf Kaufmann, die in der kritischen Zeit um 1935 beginnt. Sie verbringen nur ein paar wenige Tage miteinander und halten ihre Liebe über 5 Jahre durch Briefe aufrecht, doch da wissen sie noch nicht, dass sie sich nie wieder sehen werden.
Reinhard Kaiser ist aus Zufall auf einer Auktion auf diese Briefe gestoßen, es gelingt ihm Verwandte und Freunde des jungen Paares ausfindig zu machen und so diese mitreißende, jedoch auch tragische Geschichte zuerzählen, die sogar 1997 den dt. Jugendliteraturpreis gewann. Es ist wirklich tragisch, welches Schicksal Menschen ereilen kann. Sehr lesenswert!
„Königskinder“ ist im Grunde kein Roman, sondern ein Tatsachenbericht, der auf dem zufälligen Fund eines Briefbündels beruht. Der Autor entdeckte während einer Auktion die Liebesbriefe des Deutschen Rudolf Kaufmann an seine schwedische Freundin Ingeborg Magnusson und begann sich für die Geschichte der beiden zu interessieren. Den Liebenden waren nur wenige Tage Zusammensein vergönnt, die Umstände und die große räumliche Entfernung ließen kein „happy end“ zu. Ihre Korrespondenz erstreckt sich jedoch über einen Zeitraum von 5 Jahren, die Kaiser mithilfe gründlicher Recherchen und zahlreicher Berichte noch lebender Verwandter rekonstruiert hat. Sehr viele Briefe sind in diesem Buch Wort für Wort abgedruckt und vermitteln dem Leser das ganze Ausmaß von Leid und Elend, das die Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes ausgelöst hat. Es erzählt von der Ohnmacht und der grausamen Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung, vergisst nicht die Deportationen und Hinrichtungen zu erwähnen – berichtet aber auch von vielen Juden, denen die Flucht aus dem Nazi-Deutschland gerade noch gelungen ist. Die völlige Hilflosigkeit und das Beschneiden sämtlicher Bürgerrechte, die Missachtung der menschlichen Würde – alles zusammen ein erschütternder und trauriger Bericht über einen Menschen, der kämpft, sich den Herausforderungen des Lebens stellt, immer wieder aufsteht und weitermacht …. und letztendlich doch scheitert. Der Vergleich mit dem „Tagebuch der Anne Frank“ ist meines Erachtens gar nicht so abwegig … auf alle Fälle ein Buch, das man gelesen haben sollte.