Wo steht Deutschland und was hat das Ganze mit Moral und Sitte zu tun? Henryk M. Broder und Reinhard Mohr beschreiben hier essayhaft das Bild der ampelregierten Republik mit Alltagsanalysen des politischen Geschehens. Dabei arbeiten sie sich besonders an der Ampelregierung, aber auch an der bürgerlichen Opposition sowie auffällig oft an Juden und Israel ab. Das Buch überschreitet teils die Stufe zum Antisemitismus. Es ist faszinierend, wie diese Autoren in großen deutschen Presseerzeugnissen publizieren dürfen. Was anfangs – auch vom Hintergrund der Autoren – spannend klingt und neugierig macht, landet letzten Endes in einer Buchmontagsdemo, in der außer Frust, Ärger und Wut nichts weiter dabei herumkommt. Schade. Auch für mich als liberal-konservativem Wähler.
Das Buch ist im stabilen Softcover herausgegeben. Es ist in der rot-grün-gelben Deutschland-Flagge in der Deutschland-Karte gestaltet. Der Buchtitel „Durchs irre Germanistan“ bedient in der Wortendung kolonialistische Überheblichkeitsfantasien, die auch heute noch in Ländernamen des nahen und vor allem fernen Ostens präsent sind. Eine Gleichsetzung mit diesen Ländern soll Deutschland auf eine Stufe mit diesen wohl „rückschrittigen“ Ländern stellen? Der Titel passt vom abwertenden Stil zum Inhalt, auch wenn die Länder da keine Rolle spielen. Das Buch hat drei Kapitel und besteht in diesen aus mehreren essayhaften Erzählungen aus dem politischen Alltag.
Die Kapitelnamen geben wie der Titel gut einen Einblick in ein zusammenhangloses Ganzes, wo jeder Hinfaller recht ist und ausgeschlachtet wird. „Kapitel 1: Schöne Illusionen oder die Realitätsblindheit der Bullerbü-Republik.“, Kapitel 2: Moralismus als neue Gratis-Tugend – die gute Absicht zählt.“, Kapitel 3: Die deutsche Apokalypseverliebtheit oder Untergang ist immer.“ Theoretisch passen alle Titel irgendwie auch zu den Autoren und deren Inhalten. Alles, was irgendwie Angriffsfläche bietet, findet Platz und es wird sich teils an politischen Personen, aber auch Minderheiten direkt abgearbeitet.
Loriot lebt und ja die Autoren zitieren ihn und damit sich? Man kann ja Wähler mit Leser ersetzen? Fragt sich nur welches Parteiprogramm angesprochen wird? „Meine Damen und Herren! Politik bedeutet, und davon sollte man ausgehen, das ist doch, ohne darum herumzureden, in Anbetracht der Situation, in der wir uns befinden. Ich kann meinen politischen Standpunkt in wenigen Worten zusammenfassen: erstens das Selbstverständnis unter der Voraussetzung, zweitens, und das ist es, was wir unseren Wählern schuldig sind, drittens die konzentrierte Beinhaltung als Kernstück eines zukunftweisenden Parteiprogramms.“ Ich beschränke mich bei de Texten zu den regierenden Parteien auf dieses Zitat, da der Mehrwert für mich tatsächlich nichtssagend ist.
Es werden Antisemiten als keine dummen Kerls (nach August Bebel), sondern als gebildete Menschen, die Literatur und Musik lieben benannt. Wie später Joseph Goebbels. (S.46) „Es ist nicht alles böse und brutal im Dritten Reich, Hausmusik beispielsweise erfreute sich großer Beliebtheit.“ (S.47). Mehr Verharmlosung von Antisemitismus geht eigentlich nicht. In den ersten drei-Vierteln des Buchs kommen auffällig oft Beispiele, Benennungen und Vergleiche mit Juden, dem Dritten Reich und Antisemiten, oft unter der Gürtellinie und immer wieder indirekt durch Zitate anderer. An sich hat dieses mit dem Ausgangsthema des Buches erst mal nichts zu tun, außer man hängt einem kruden verschwörerischen Weltbild an. Krasser Höhepunkt ist hier die Verharmlosung der Todesursachen der 30.000 Toten von Flossenbürg (S.71). Allein eine Anzeige wegen Volksverhetzung wert. „Die Inszenierung jüdischen Lebens in Deutschland toppt alles vorausgegangenen Wunder,…“ (S.122). „Das ist allemal besser, als vom Staat ganz ohne 9-Euro-Ticket von einem Lager in ein anderes befördert zu werden.“ Unzählige weitere geschmacklose Texte finden sich im Buch.
Tatsächlich bringen manche Analysen der heutigen Politik lustige und spannende Dinge hervor, die nachdenkswert sind und konservative Leser sicher erreichen. Spannend ist hier die Analyse zum Selbstbestimmungsgesetz, die in einem Konjunktiv zum Thema Nationalität und Alter mündet. Wieso sollte man dieses nicht ebenso einfach ändern können. Problem ist immer wieder, dass hierbei offen Minderheiten und Gruppen indirekt angegriffen bzw. heruntergesetzt werden. Klischees werden bedient und Werte heißt hier, Rollenmuster der Gesellschaft offen zu legen.
So werden die „drängenden“ Themen der Deutschen überspitzt gezeichnet und gleichzeitig bedient, damit sie mit der großen Weltpolitik in Verbindung gebracht werden. Badeordnungen und Nackte Brüste in Schwimmbädern (Überschrift: „Nackte Brüste sieht man besser“), Ostermärsche und deren Idealisierung in den Medien hin zum deutschen Pazifismus in der Welt, verkürzte Arbeitswochen, die Ungeimpften dürfen natürlich nicht fehlen, Fußball und vieles mehr. Populismus der letzten Jahre und die Themen desselben in einem Buch als Brennglas.
Was der Autor bei den großen Printmedien des deutschsprachigen Raums macht (und machen darf) erschließt sich mir nicht.
1 klares Nein zu diesem Werk voller Anitsemitismus, Bashing und Texten unter der Gürtellinie.
„Das wahre Drama besteht darin, dass sich dazwischen ein ressentimentgeladenes Spannungsfeld aufgebaut hat, in dem eine unvoreingenommene, ebenso sachliche wie streitbare Diskussion nicht mehr möglich ist.“ (S. 173). So sehe ich das für dieses Buch, wenn der Leser einen klaren moralischen Kompass auf der Wurzel des christlichen Abendlandes hat.
„Wie sagte Faust zu Mephisto: Werd‘ ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön!“ folgend dem zweiten Teil: „Dann magst Du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen.“ Gute Nacht. Ein Anfang vom Ende.