Freundlichkeit ist eine wertvolle, aber oft unterschätzte Fähigkeit – genau diesem Thema widmet sich René Borbonus in seinem Buch „Über die Kunst, ein freundlicher Mensch zu sein“. Er stellt 95 Ansätze vor, um Respekt, Wohlwollen und Zuneigung in die Welt zu tragen. Der Autor ist einer der führenden Kommunikationstrainer im deutschsprachigen Raum und begleitet seit vielen Jahren Führungskräfte und Unternehmer auf dem Weg zu einer wirkungsvollen Rhetorik. Seine Expertise im Bereich Kommunikation fließt in das Buch ein, das praktische Tipps und wissenschaftliche Erkenntnisse kombiniert.
Worum geht's genau?
Das Buch stellt 95 Ansätze vor, wie man durch kleine Gesten des Respekts und der Zuneigung zu einer positiven zwischenmenschlichen Atmosphäre beitragen kann. Dabei geht es um Themen wie Wertschätzung, Dankbarkeit, Verbindlichkeit in der Kommunikation und das Vermeiden von Reizwörtern, um Konflikte zu entschärfen. Der Autor betont die Bedeutung von Offenheit für andere Meinungen, gibt Impulse für eine respektvolle Gesprächsführung und verweist auf psychologische Effekte wie den Benjamin-Franklin-Effekt. Er greift zudem Konzepte wie das japanische „Kintsugi“ als Metapher für den Wert von Beziehungen auf.
Meine Meinung
Bereits beim ersten Blick auf das Buch fällt ein kurioser Fehler auf: Während mein Buchcover von „99 einfachen Wegen“ spricht, reduziert sich die Anzahl der Tipps im Inhaltsverzeichnis plötzlich auf 95. Das mag zwar eine Lappalie sein, doch es wirft Fragen zur Sorgfalt der Endkontrolle auf. Auch die Einleitung ist mit nur drei Seiten äußerst knapp gehalten. Dadurch bleibt unklar, welche Qualifikationen der Autor für dieses Thema mitbringt – gerade in einem Sachbuch wäre es hilfreich gewesen, gleich zu Beginn mehr über seinen fachlichen Hintergrund zu erfahren.
Ein interessantes Thema, das Borbonus früh aufgreift, ist das Gendern. Er versucht, einen Mittelweg zu finden, indem er mal in männlicher, mal in weiblicher Form schreibt. Allerdings ist das keine inklusive Lösung, da so nicht-binäre Menschen außen vor bleiben. Zudem kann diese uneinheitliche Schreibweise beim Lesen irritieren.
Inhaltlich bietet das Buch einige wertvolle Denkanstöße. So betont Borbonus die Bedeutung von Dankbarkeit und schlägt das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs vor – eine Methode, die nachweislich das Wohlbefinden steigern kann wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Auch Aspekte wie Verbindlichkeit in der Kommunikation oder die Macht spontaner Freundlichkeit („Random Acts of Kindness“) werden herausgearbeitet. Neu war für mich bspw. der „Benjamin-Franklin-Effekt“, der besagt, dass Menschen jemanden mehr mögen, nachdem sie ihm einen Gefallen getan haben.
Allerdings bleibt vieles nur an der Oberfläche. Die Kapitel sind meist nur eine oder anderthalb Seiten lang, sodass viele Aspekte eher angerissen als ausführlich behandelt werden. Gerade komplexe Themen wie Wertschätzung am Arbeitsplatz oder die Rolle von Kommunikation in Konfliktsituationen hätten eine tiefere Auseinandersetzung verdient. In dem Sinne hätte ich das Buch vlt. auf weniger Ansätze beschränkt, diese dafür umso genauer betrachtet.
Stilistisch ist das Buch leicht verständlich geschrieben, was den Zugang erleichtert. Doch es gibt auch problematische Stellen. Zum Beispiel verwendet der Autor Begriffe wie das N-Wort oder das Z-Wort ausgeschrieben, was unnötig und unangemessen ist. Ebenso spricht er von „Überfremdungsängsten“, was eine Rhetorik bedient, die oft in rechten Diskursen zu finden ist. Auch wenn seine Intention eine andere sein mag, wäre hier eine sensiblere Wortwahl angebracht.
Die Auswahl der Beispiele ist teilweise einseitig. So nennt Borbonus im Kapitel über Vorbilder ausschließlich Männer, was in einem Buch, das den Anspruch hat ein breites Publikum anzusprechen eine verpasste Chance ist. Zudem greift er an manchen Stellen auf längst bekannte psychologische Konzepte zurück, ohne viel Neues hinzuzufügen.
Visuell hätte das Buch ebenfalls mehr bieten können. Die Illustrationen sind spärlich und oft nur kleine Akzente, anstatt wirklich unterstützend zu wirken. Große, ansprechende Zitate oder Bilder hätten das Leseerlebnis auflockern können.
Fazit
Das Buch bietet einige wertvolle Impulse und erinnert daran, wie wichtig Freundlichkeit im Alltag ist. Es ist leicht zugänglich und gut lesbar, kratzt jedoch oft nur an der Oberfläche. Problematische Begriffe und eine teils fragwürdige Wortwahl trüben den positiven Eindruck. Wer sich bereits mit Kommunikation und sozialer Interaktion beschäftigt hat, wird hier wenig Neues finden. Daher vergebe ich 2,5 von 5 Sternen.