Cover des Buches Mein Vater, der Deserteur (ISBN: 9783552062566)
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Rezension zu Mein Vater, der Deserteur von René Freund

Spurensuche

von Wortklauber vor 9 Jahren

Rezension

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Wortklaubervor 9 Jahren

Mit achtzehn Jahren wird der Österreicher Gerhard Freund zur Wehrmacht eingezogen und an die Westfront beordert, um an der Schlacht um Paris teilzunehmen. Während sich die alliierten Truppen nähern, setzt die Résistance auf Widerstand von Innen. Die Stadt, soviel ist Gerhard Freund klar, ist auf Dauer nicht zu halten. Überhaupt fragt er sich: Was hat er eigentlich in dieser Stadt zu suchen? Also besorgt er sich Zivilkleidung und setzt sich von der Truppe ab. Gerhard Freund wird von der Résistance gefangengenommen und von einem Amerikaner vor ihrem Zorn gerettet.

Über sechzig Jahre nach diesen Vorgängen bekommt sein Sohn René das Kriegstagebuch seines früh verstorbenen Vaters in die Hände. Die wenigen Seiten setzen etwas in Gang bei ihm. Wer war dieser Mann, was hat ihn ausgemacht, wie hat diese Entscheidung seinen weiteren Werdegang beeinflusst …? René Freund verbringt ungezählte Stunden in Archiven, kämpft sich durch Papiere, spricht mit Historikern und Zeitzeugen, sammelt Fakten, verknüpft sie mit Erzählungen anderer Beteiligter, die mittlerweile auch zu seiner Familie gehören. Er setzt sich auseinander mit seinem Vater und dessen Werdegang, reist – mittlerweile selbst Familienvater, zusammen mit Frau und Kindern – an Orte, die entscheidende Wegpunkte im Tagebuch seines Vaters markieren. Siebzig ins Land gegangene Jahre haben diesen Orten ein anderes Gesicht verliehen. So entsteht ein Kaleidoskop verschiedener Orts- und Zeitebenen; Gerhard Freunds Vergangenheit drängt sich in Renés Gegenwart, mal ziemlich fassbar, oft vage und allenfalls zu erahnen.

Der Autor fragt sich auch: Wie hätte er selbst an der Stelle seines Vaters gehandelt? Er versucht, sich in dessen Lage zu versetzen, ohne zu verurteilen, auch nicht die, die geblieben sind.

So entsteht eine persönliche Geschichte, die aber auch für Außenstehende äußerst lesenswert ist. Dieses Buch erlaubt Einblicke in die Zeit des zweiten Weltkriegs und die Jahre danach. Und, ein besonderer Benefit, etwas, das nur wenigen Büchern gelingt: Es regt an, sich selbst auf Spurensuche zu begeben. So kann ein persönliches Buch über die Auseinandersetzung eines Sohnes mit der Vergangenheit seines Vaters als Auslöser für Gespräche dienen, die ein Leser mit eigenen Familienmitgliedern eigentlich schon immer hatte führen wollen.

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