Rezension zu "Ein falsches Wort" von René Pfister
1) Fazit: a) M.E. viel Belangsloses & Bekanntes in einer Zeit der größten Umbrüche!
Wer Literatur folgender Top-Autoren liest, wird erkennen, was ich meine:
Rainer Mausfeld, Noam Chomsky, Joachim Sonntag, Alex Demirovic, Collin McMahon,, Ullrich Mies, Jaroslav Langer,
b) Editorisch schlecht bzw. nachläßig gemacht:
- Kein Sach- & Personen-Register!
- Zum Teil positiv: 18 S. Kapitel-gegliederte, sehr kurze Endnoten,
Diese aber fast ausschließlich als Internet-Hyperlinks ohne Erläuterung oder Original-Titel ausgeführt sind! Dies reduziert den Wert der Adreßen bzw. den Lesernutzen errheblich, insbesondere in der Druckversion eines solchen Buches!
c) Nannen-Preis aberkannt! abendblatt.de
d) Ist die politische Unterscheidung in "Rechte", "Linke" & "Mitte", die der Autor hier so gern benutzt, nicht scheinheilig, verwirrend, demagogisch & vom eigentlich Wichtigen ablenkend?
2) Hilfreiches
a) Hörprobe: youtube: René Pfister - Ein falsches Wort - Hörbuch-Download
b) b) abendblatt.de: 2011: "Jury erkennt "Spiegel"-Redakteur [Yascha Mounk] Nannen-Preis ab...Erstmals muss ein Journalist den Preis zurückgeben. Er hatte in seiner Reportage eine Situation geschildert, die er so nie erlebt hat."
c) de.wikipedia Rene Pfister: "Kontroverse um Artikel über Horst Seehofer 2011"
3) Bücher-Empfehlungen zu ähnlichen Themen:
Yascha Mounk Im Zeitalter der Identität Der Aufstieg einer gefährlichen Idee", Klett-Cotta, 2024,
“Wie man gegen Identitätspolitik argumentiert, ohne sich in einen reaktionären Spinner zu verwandeln. « Steven Pinker
"...Doch die einst gesunde Wertschätzung der eigenen Identität hat sich in eine kontraproduktive Obsession verwandelt: Der Ruf nach einer Gesellschaft, in der sich fast alles um diese starren Kategorien dreht, befeuert die Polarisierung, stellt Formen des Austausches unter Generalverdacht einer kulturellen Aneignung und begünstigt sogar »Rassentrennung« – verhindert also eine echte Gleichheit. Yascha Mounk erläutert die Ursprünge, Folgen und Grenzen dieser Entwicklung, liefert eine differenzierte Begründung dafür, warum sich die Durchsetzung identitärer Ideen als kontraproduktiv erweist – und beschreibt anhand vieler konkreter Beispiele, wie humanistische Werte und Maßnahmen einen besseren Weg in eine gerechte Gesellschaft weisen können...."
4) Rezensionen
a) perlentaucher.de: "Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.01.2023
René Pfister ist kein Fan der Critical Race Theory und der Cancel Culture, das wird Rezensent Hilmar Klute bei der Lektüre von "Ein falsches Wort" schnell klar. Pfister recherchiert journalistisch sauber, wie sich in den USA ein moralischer und moralisierender Kulturkampf entwickelt hat, der gerne mit dem Begriff "Woke" bezeichnet wird, und legt anhand verschiedener Beispiele vorwiegend aus dem Bereich der Wissenschaft dar, worin die Bedrohung dabei liegt, erklärt der Kritiker. Er schwankt bei der Lektüre zwischen Entsetzen und Amüsement, hat der Autor ihn doch überzeugen können, dass das "Canceln" ziemlich absurde Ausmaße annehmen kann und Political Correctness bei Firmen nicht selten auch einfach nur dazu dient, die eigenen Produkte besser zu verkaufen. Dass es in Deutschland auch schon so weit sein könnte, glaubt Klute nicht, er empfiehlt Pfisters Buch als ein "beeindruckendes Sittengemälde" vor allem der USA.
b) perlentaucher.de: "Lesen Sie die Rezension bei buecher.de: Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.10.2022
René Pfister, Spiegel-Korrespondent in Washington, fühlt sich im linksliberalen Milieu der USA nicht wohl. Er sieht sich im Zeichen von Wokeness laufend neuen Denkverboten unterworfen, wie Thomas Ribi Pfisters Buch entnimmt, und wehrt sich deshalb gegen "organisierte Empörung." Der Rezensent lobt die durchgängig differenzierten Betrachtungen des Autors, der nicht müde werde, sich auch der Gefahr von Rechts zu widmen, was aber nicht bedeute, andere (linke) politische Phänomene ignorieren zu können. Pfister habe überzeugend dargelegt, dass die "Woke-Ideologie" den Diskurs beherrscht und zu vergiften droht, resümiert Ribi"
5) INHALT
1 Warum die Demokratie auch von links bedroht wird – ein Vorwort
2 Ian Buruma oder: Es kann jeden treffen
3 Alles ist Diskurs oder: Die neue Sprache der Macht
4 Dorian Abbot oder: Der Terror der Minderheit
5 Campus Culture oder: Wie Universitäten zu geistigen Klöstern werden
6 Die Medien oder: Wie Parteilichkeit zur Tugend wird
7 David Shor oder: Wie sich das linke Lager von der Realität abschottet
8 Woke Capitalism oder: Ausbeutung, aber politisch korrekt
9 Ibram X. Kendi oder: Antirassismus als bürokratisches Perpetuum mobile
10 Eine neue Religion oder: Meine große Schuld
11 Chris Rufo oder: Cancel Culture von rechts
12 Identitätspolitik oder: Wie sich die Linke ihr Grab selbst schaufelt
13 Die Mühen der Demokratie oder: Warum wir den produktiven Streit brauchen
Dank
Anmerkungen
6) Zitate aus dem Rezensionsbuch
a) "Meine These ist:
Linke Identitätspolitik schadet vor allem der politischen Mitte und dem aufgeklärten Lager [? Was versteht er darunter?]. Sie hilft einem
bestimmten politischen Milieu, sich selbst zu vergewissern und sich in der Meinung zu bestärken, mit einer höheren Moral
ausgestattet zu sein. Die Dogmen und Glaubenssätze in dieser kleinen Blase aber sind so rigide, dass sie auf eine Mehrheit
der Wählerinnen und Wähler abstoßend wirken – und zwar ganz unabhängig von Geschlecht und Hautfarbe."
b) "Man muss Joe Biden zugutehalten, dass er die politischen Kräfte hinter der Wahl Trumps verstanden hat. Er hat sich als
ein Mann aus einfachen Verhältnissen präsentiert, dem die Main Street am Herzen liegt, nicht die Wall Street. [???] Das allerdings
kann man nicht von allen Teilen der demokratischen Partei behaupten..."
c) Ich habe als Journalist fast 20 Jahre lang über die CSU geschrieben, deren Erfolgsmodell immer auf Identitätspolitik
beruhte. Ich war auf unzähligen »weiß-blauen Stammtischen« in der bayerischen Landesvertretung in Berlin, wo Weißwürste und
süßer Senf gereicht wurden, während CSU-Männer (und es waren fast immer Männer) die Anliegen des Freistaates erklärten. Seit Gründung der Bundesrepublik melden die Bayern ihre Spezialinteressen an, die sie mit einer Mischung aus Größenwahn und Gereiztheit durchsetzen. Als nach der Bildung der Ampelkoalition im Dezember 2021 feststand, dass kein einziger Minister aus Bayern am Kabinettstisch sitzen wird, hätte die Empörung in München nicht größer sein können.Das Beispiel der CSU illustriert den Erfolg, aber auch die Grenzen von Identitätspolitik. Sie kann enorm mobilisieren, wie man in Bayern sieht, wo die CSU seit über 60 Jahren den Regierungschef stellt. Aber sie kann auch sehr abstoßend wirken, was man an der Tatsache ablesen mag, dass es trotz zweier Anläufe nie ein CSU-Mann geschafft hat, zum Bundeskanzler aufzusteigen. Sowohl Edmund Stoiber als auch Franz Josef Strauß waren mit ihrem offensiv vorgetragenen alpenländischen Selbstbewusstsein vielen Deutschen jenseits des Mains suspekt. Wer in der Politik ganz nach oben will, lässt von Identitätspolitik lieber die Finger.
d) 12 IDENTITÄTSPOLITIK ODER: WIE SICH DIE LINKE IHR GRAB SELBST SCHAUFELT
Ein häufiger Einwand gegen Kritik an linker Identitätspolitik lautet: Wo bitte liegt der Schaden? In Deutschland ist weit und
breit keine Figur wie Chris Rufo in Sicht, der mit einer Kampagne gegen Gendersternchen und Antirassismus-Kurse die
Massen mobilisieren würde. Die AfD ist weit davon entfernt, so mächtig zu werden wie die Republikaner in den USA. Und
was hat es mit der Meinungsfreiheit in Deutschland zu tun, wenn ein Magazin wie die »New York Review of Books« den
Chefredakteur auswechselt? Wer, bitte schön, wurde im deutschen Journalismus gecancelt?
Ich habe nicht wenige Freunde und Kollegen, die so denken.
Manche sind genervt von der sprachlichen Empfindlichkeit, die
sich in den vergangenen Jahren breitgemacht hat. Sie rollen mit
den Augen, wenn ihnen das Rechtschreibprogramm anzeigt,
dass »Flüchtling« ein sensibler Begriff ist, auf den man besser
verzichten sollte. Sie finden es lächerlich, wenn über die
Schriftstellerin J. K. Rowling ein Shitstorm hinwegrollt, wenn sie
anmerkt, dass es für »Menschen, die menstruieren« doch ein
geläufigeres Wort gebe. Sie machen sich darüber lustig, wenn
»Fridays for Future« eine weiße Sängerin auslädt, weil sie
Dreadlocks trägt.
Aber sind das nicht Petitessen, wenn man auf das größere Bild
schaut? Geht es nicht darum, sagen meine Freunde, den
Kampf gegen Rassismus aufzunehmen? Gegen die
Diskriminierung von Frauen und Transgender? Und bringt nicht
jede Umwälzung notwendigerweise auch Ungerechtigkeiten und
Übertreibungen mit sich, die man im Namen der höheren
Sache akzeptieren muss? Fallen, wo gehobelt wird, nicht Späne?
Es ist ein Argument, über das es sich nachzudenken lohnt. Als
ich Ende 2004 beim SPIEGEL anfing, gab es unter den 21
Redakteuren im Berliner Hauptstadtbüro eine einzige Frau."
e) 10 EINE NEUE RELIGION ODER: MEINE GROSSE SCHULD
Im April 2021 erschien auf der Homepage des Theater Bremen
ein Aufsatz des Intendanten Michael Börgerding. Der Text
drehte sich um den Regisseur Armin Petras, mit dem
Börgerding, wie es in der Überschrift hieß, eine
»Arbeitsfreundschaft« unterhält. Es war eine Formulierung, die
schon durchblicken ließ, dass es angeraten sein könnte, etwas
Abstand zu Petras zu halten. Petras ist Hausregisseur am
Theater Bremen, eine Personalie, die unter anderen Umständen
keiner weiteren Begründung bedurft hätte. Petras ist seit vielen
Jahren eine feste Größe in der deutschen Theaterszene. Ein
progressiver Künstler, der für seinen behutsamen Umgang mit
Schauspielern bekannt ist und sechs Jahre lang das
renommierte Maxim-Gorki-Theater in Berlin geleitet hatte.
Nun aber war Petras in die Schlagzeilen geraten, weil er im
Jahr 2019 bei Proben zu einer Adaption von »Dantons Tod«
in Düsseldorf den schwarzen Schauspieler Ron Iyamu nicht bei
seinem Namen gerufen hatte. Iyamus Rollenname lautete
»Toussaint Louverture, ein ehemaliger Sklave«. Aber Petras
nannte den Schauspieler in den Proben mehrfach nur »Sklave«,
was dieser später – neben anderen Vorfällen – in seiner
Diplomarbeit mit dem Untertitel »Ein Erfahrungsbericht über
Rassismus in der deutschen Schauspielszene« öffentlich machte.
157 Der »Rassismus-Skandal«, wie ihn die »taz« nannte, schlug
hohe mediale Wellen: Der WDR berichtete, die »Zeit« und fast
alle großen Tageszeitungen. Die nordrhein-westfälische
Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und der Düsseldorfer
Oberbürgermeister Stephan Keller forderten eine konsequente
Aufarbeitung.