Rezension zu "Blaubarts Kinder" von Renata Serelyte
Mit der Autorin habe ich mir wahnsinnig schwer getan. Obwohl ich eigentlich anspruchsvolle Stoffe schätze und furchtbaren Geschichten überhaupt nicht abgeneigt bin, hat Renata Serelyte meine Duldungs- und Leidensfähigkeit bis aufs Äußerste strapaziert.
Dabei sind die Sprache und die bildhaft beschriebenen Szenen sehr gut, aber es ist inhaltlich so lähmend, dass ich das Gefühl hatte, ich wate angezogen mit Bleistiefeln durch einen niemals enden wollenden Sumpf aus Gewalt und Depression.
Viel mehr hat diese Geschichte nicht zu bieten: Strukturelle und kulturelle Gewalt an Frauen und Kindern, Alkoholismus, Depression, Armut, Delirium und Tod - gegen Ende kommen dann auch noch sexuelle Erfahrungen hinzu, die so grausam wiederum von Gewalt und Unterdrückung geprägt sind, dass frau als Leserin einfach nur abblenden möchte. Ich hatte ja selbst eine furchtbare Kindheit, aber wenn ich so wenige normale Momente gehabt hätte, wäre es besser gewesen, ich hätte mich schon als Kind umgebracht.
Marcel Reich Ranicki hat im literarischen Quartett einmal die irische Literatur beschrieben:
"Ich habe einen Widerwillen gegen die irische Literatur, ich kann das nicht ertragen, immer die Slums und immer wird gesoffen und ein bisschen gekotzt zwischendurch, Elend und muffiger Katholizismus".
Setzt man statt Katholizismus Kommunismus in die Gleichung ein und geht davon aus, dass Osteuropäer nicht kotzen, weil sie durch den vielen Wodka einfach trinkfester als die Iren sind, dann hat man die perfekte Analogie zu diesem Werk.
Das ist einfach zuviel, in dieser Dichte und Länge sind solch deprimierende Szenen nur langweilig, wobei meiner Meinung nach der größte Faux-Pas darin liegt, dass sich keine einzige Figur irgendwie entwickelt oder zumindest das Potenzial ausschöpfen könnte, sich zu entwickeln. Der Weg der Eltern ist auch für die restliche Familie vorgezeichnet. Armut, Depression, Alkoholismus und Tod. Und wir reden hier nicht von der Zeit des Kommunismus, sondern von der Phase nach der Wende und Hinwendung zu Europa. Selbst mit Schuldbildung kann eine Frau diesem Sumpf aus Familie, gewalttätigem Ehemann, Kindern und Depression nicht entrinnen.
Ganz am Anfang hatte ich auch Probleme mit den Perspektivenwechseln zwischen toter begrabener Mutter und der Tochter, bis ich begriff, die Unterscheidung liegt in der Kapitelnumerierung. Insofern gab es zu Beginn auch ein paar strukturelle Herausforderungen an den Leser, die Leserin, um in die Geschichte hineinzukommen.
Fazit: Ich weiß, dass es für dieses deprimierende Werk in wundervoller poetischer Sprache, das nicht schlecht ist, durchaus eine größere Fan-Zielgruppe gibt, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. Der Roman ist überhaupt nicht mein Ding. Also, wer Frank-Mc Courts Die Asche meiner Mutter wundervoll fand, wird auch dieses Buch mögen.