2 Kilo Wissen zur Umwelt der Bibel
Der Neue Bibelatlas des katholischen Herder-Verlages ist mit seinem Erscheinungsdatum von 2013 zwar auch schon wieder fünf Jahre alt, dennoch stellt er einen der aktuellsten Atlanten zur Umwelt der Bibel dar und kann aufgrund seiner umfangreichen Ausstattung als Standardwerk bezeichnet werden.
Der Nachfolger von "Herders Großer Bibelatlas" von 1989 wurde grundlegend neu verfasst und erhielt vor allem auch neues und aktuelles Kartenmaterial. Gut die Hälfte der Beiträge ist dem Herausgeber Wolfgang Zwickel, Professor für Altes Testament und Archäologie in Mainz, zuzuordnen. Die übrigen Kapitel verteilen sich auf die beiden anderen Herausgeber und weitere Autoren aus dem Gebiet der katholischen und evangelischen Theologie.
Zunächst bietet der Atlas einen Einstieg in die Landeskunde Palästinas und des Vorderen Orients. Dabei wechseln sich klimatische und geografische Karten und Diagramme mit Farbfotografien des Landes ab. Neben einem Durchgang durch die verschiedenen geografischen Landschaften erhält man zudem einen Einblick in die Tier- und Pflanzenwelt sowie in den kulturellen Bereich von Handwerk, Gewerbe und Handel.
Ein zweites hinführendes Kapitel bespricht die Frühgeschichte des Vorderen Orients im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. Von den Ägyptern über die Ugariter bis zu den Assyrern und Babyloniern werden die wichtigsten Völker dieses Zeitraums vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist dabei die gute Qualität der Fotografien archäologischer Artefakte sowie das umfangreiche Kartenmaterial zu demografischen Veränderungen und antiken Städten wie z.B. Ur.
Die nächsten beiden Abschnitte, die den Hauptteil des Atlanten ausmachen, behandeln chronologisch die erzählte Zeit der Bibel, angefangen mit der Urgeschichte im Alten Testament bis zur Ausbreitung des Christentums im Neuen Testament. Ein umfangreicher Anhang rundet das Werk ab. Hier findet der interessierte Leser nicht nur weiterführende Literaturangaben und ein Ortsnamenregister, sondern ebenso Hinweise zum methodischen Vorgehen, zu Problemen der Chronologie des Vorderen Orients oder zur Schriftentwicklung.
Ziel des Verlages ist es, mit dem Atlas "interessierten Laien […] örtliche Gegebenheiten und historische Entwicklungen" der Zeit der Bibel näher zu bringen. Mit dem übersichtlichen Layout und den gut verständlichen Texten wird dieses Ziel auch erreicht. Doch auch für "studierte" Theologinnen und Theologen kann der Atlas als profundes Nachschlagewerk zur biblischen Archäologie und zur Geschichte Israels dienen.
Natürlich, und das ist keinesfalls nebensächlich, trägt der Atlas einer bestimmten theologischen Ausrichtung Rechnung. Ausgehend von den archäologischen Funden wird eine historisch-kritische Rekonstruktion der Umwelt und Geschichte Palästinas angestrebt. Das hat Auswirkungen auf die Darstellung der biblischen Chronologie und auf die Verwendung der Bibel selbst. So wird durchgehend davon ausgegangen, dass es sich in den biblischen Geschichten um menschliche Gottesvorstellungen handelt, und nicht um das Handeln Gottes selbst. Auch werden die Erzählungen der Bibel grundsätzlich als verlässliche Quellen in Zweifel gezogen. Wenn man sich über diese hermeneutischen Vorentscheidungen, die ja auch andersweitig getroffen werden können, bewusst ist, kann der Atlas dennoch zu einem guten Hilfsmittel beim eigenständigen Bibelstudium werden.