....fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens
Ein kleines goldfarbenes Quadrat glänzt zwischen den Steinen des Fußwegs. Die meisten Fußgänger beachten es nicht, steigen darüber hinweg. Mancher schaut vielleicht näher hin. Entziffert die Buchstaben, die eingeprägt wurden. Dann liest er:
Hier wohnte
Thekla Skorra
geb. Gottliebson
Jg. 1866
Deportiert 14.1.1943
Theresienstadt
TOT 3.6.1943
Hier hat also jemand gewohnt, der deportiert wurde und kurz darauf gestorben ist. Die wenigen Worte und der kurze Augenblick, den der Fußgänger zum Lesen benötigt, reichen um einen Menschen dem Vergessen zu entreißen.
Genau diesen Versuch unternimmt auch die Verfasserin Renate van Kampen in ihrem schmalen Buch ....fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens.
Der Stolperstein ist der erste Hinweis auf diese Spuren und die Autorin folgt ihnen. Dazu sammelt sie alle Fakten über die Person und Lyrikerin Thekla Skorra, die sie ausfindig machen kann. Wie Puzzlestücke werden die Information zusammengesetzt, bei denen immer genau angegeben wird, wo sie gefunden wurden. Dadurch gibt das Buch nicht allein Auskunft über das Leben Thekla Skorras, sondern auch über die von Renate van Kampen getätigten Nachforschungen.
Leider liegt es in der Natur der Sache, dass das Puzzle bruchstückhaft bleibt. Es sind vorallem biografische Daten, die zu Tage befördert werden. Gerne möchte man mehr über das Wesen und die Gefühlswelt der Lyrikerin erfahren. Doch in diesem Fall kann sich der Leser nur auf die am Schluss aufgeführten Auszüge aus ihrer literarischen Arbeit stützen. Andererseits sind diese wohl der beste Weg, um Thekla Skorras Gedanken und Gefühle erahnen zu können.
Der Leser erhält eine schemenhafte Vorstellung von ihr und ihrem Leben. Die Verfasserin hat kein Foto der Lyrikerin gefunden und so ist das individuelle Bild, das sich der Leser macht, das einzig möglich. Dementsprechend verändert sich dieses aber auch mit jedem Leser.
Dennoch denkt nun wieder jemand über Thekla Skorra nach, hat jemand eine Idee von ihrem Leben. Er wird vielleicht von nun an, den Stolpersteinen, denen er begegnet, noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Thekla Skorra ist nicht mehr vergessen. Dennoch steht ihr Schicksal beispielhaft für die vielen Menschen, die während des Nationalsozialismus gewaltsam ihr Leben verloren.
Es wäre wichtig, dass es noch mehr Veröffentlichungen zu Stolpersteinen gäbe. Wenn den blanken Daten, Schicksale hinzugefügt würden. Wenn die Opfer wieder als Menschen in Erscheinung treten würden, deren Leben nicht allein durch die kargen Angaben auf einem goldgelben Pflasterstein definiert werden.