Renate van Kampen

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Cover des Buches ... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens (ISBN: 9783941693081)
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Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen

Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen
FabAustenvor 11 Jahren

....fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens

Ein kleines goldfarbenes Quadrat glänzt zwischen den Steinen des Fußwegs. Die meisten Fußgänger beachten es nicht, steigen darüber hinweg. Mancher schaut vielleicht näher hin. Entziffert die Buchstaben, die eingeprägt wurden. Dann liest er:

Hier wohnte
Thekla Skorra

geb. Gottliebson

Jg. 1866

Deportiert 14.1.1943

Theresienstadt
TOT 3.6.1943

Hier hat also jemand gewohnt, der deportiert wurde und kurz darauf gestorben ist. Die wenigen Worte und der kurze Augenblick, den der Fußgänger zum Lesen benötigt, reichen um einen Menschen dem Vergessen zu entreißen.

Genau diesen Versuch unternimmt auch die Verfasserin Renate van Kampen in ihrem schmalen Buch ....fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens.
Der Stolperstein ist der erste Hinweis auf diese Spuren und die Autorin folgt ihnen. Dazu sammelt sie alle Fakten über die Person und Lyrikerin Thekla Skorra, die sie ausfindig machen kann. Wie Puzzlestücke werden die Information zusammengesetzt, bei denen immer genau angegeben wird, wo sie gefunden wurden. Dadurch gibt das Buch nicht allein Auskunft über das Leben Thekla Skorras, sondern auch über die von Renate van Kampen getätigten Nachforschungen.
Leider liegt es in der Natur der Sache, dass das Puzzle bruchstückhaft bleibt. Es sind vorallem biografische Daten, die zu Tage befördert werden. Gerne möchte man mehr über das Wesen und die Gefühlswelt der Lyrikerin erfahren. Doch in diesem Fall kann sich der Leser nur auf die am Schluss aufgeführten Auszüge aus ihrer literarischen Arbeit stützen. Andererseits sind diese wohl der beste Weg, um Thekla Skorras Gedanken und Gefühle erahnen zu können.
Der Leser erhält eine schemenhafte Vorstellung von ihr und ihrem Leben. Die Verfasserin hat kein Foto der Lyrikerin gefunden und so ist das individuelle Bild, das sich der Leser macht, das einzig möglich. Dementsprechend verändert sich dieses aber auch mit jedem Leser.
Dennoch denkt nun wieder jemand über Thekla Skorra nach, hat jemand eine Idee von ihrem Leben. Er wird vielleicht von nun an, den Stolpersteinen, denen er begegnet, noch mehr Aufmerksamkeit schenken. Thekla Skorra ist nicht mehr vergessen. Dennoch steht ihr Schicksal beispielhaft für die vielen Menschen, die während des Nationalsozialismus gewaltsam ihr Leben verloren.

Es wäre wichtig, dass es noch mehr Veröffentlichungen zu Stolpersteinen gäbe. Wenn den blanken Daten, Schicksale hinzugefügt würden. Wenn die Opfer wieder als Menschen in Erscheinung treten würden, deren Leben nicht allein durch die kargen Angaben auf einem goldgelben Pflasterstein definiert werden.

Cover des Buches ... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens (ISBN: 9783941693081)
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Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen

Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen
Schlehdorn_Verlagvor 12 Jahren

Ich hatte das große Glück, Frau van Kampen bei einer Lesung zu erleben, die in eine sehr lebendige Diskussion übergegangen ist. Zugegebenermaßen ist das Buch nicht gerade leichte Lektüre - einmal vom Thema her, aber auch, da es sich nicht um eine reine Biographie handelt, sondern um einen Bericht über die detektivische Recherchearbeit der Autorin - aber es ist von großer gesellschaftlicher Relevanz. Ein Leben vor dem Vergessen zu bewahren, ist eine große Aufgabe und "...fast vergessen" verdient deshalb eigentlich ein viel größeres Publikum...

Cover des Buches ... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens (ISBN: 9783941693081)
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Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen

Rezension zu "... fast vergessen, Spuren eines jüdischen Lebens" von Renate van Kampen
Cicumavor 13 Jahren

Wenn man in Berlin, in der Lietzenburger Straße, vor dem Gemeindehaus der Kaiser-Wilhem-Gedächtniskirche, auf dem Gehweg schaut, dann findet man einen der so genannten Stolpersteine mit dem Namen “Thekla Skorra” eingraviert. Verzeichnet sind neben dem Namen, das Geburts- und Sterbejahr sowie der Sterbeort. Dazu der Hinweis “Deportiert am 14.1.1943″

Mehr erfährt man nicht.

Nun hat Renate van Kampen mit dem vorliegenden Werk ein Buch geschrieben, das an das Leben und an die Werke der Berlinerin erinnert. Es ist ein Buch, das dem Gedenkstein von Thekla Skorra, eine der bekanntesten jüdischen Schriftstellerinnen Berlins, ein Gesicht und eine Geschichte gibt. Van Kampen begab sich dabei in zahlreiche Archive, sichtete Unterlagen in zahlreichen Bibliotheken und Instituten, fand Rezensionen, Essays und Prosa einer beeindruckenden Frau, die vor allem das Judentum und das Frau- und Muttersein in ihren Werken hervorhob.

“Vergessen ist Verbannung - Erinnerung ist Erlösung” (Baal Schem Tow)

Wer aber war Thekla Skorra, die ein unruhiges Leben geführt haben musste, die zahlreiche Umzüge innerhalb Berlins erlebte, ehe sie am 14. Januar 1943 mit hundert anderen Personen in Richtung Theriesenstadt zwangsdeportiert wurde. (Von dem Transport überlebten nur wenige die Schikanen der NS-Maschinerie) Von Skorra sind nur einzelne Gedichte und Geschichten erhalten geblieben. Eines davon ist das nun folgende.

“Trost”

Der Tod? Wer fürchtet denn den Tod? Doch, diese nur, die nie gelebt. In trüber DämmŽrung ihre Tage tatenlos verbracht. Wer wild im heißem Schöpferdrange um Menschenseelen kühn gerungen, An jedem Freudenbecher jubelnd sich gelabt,die Blüten, die die Liebe bot, hat keck umschlungen; Der sinkt dereinst dem ausgetollten Kindlein gleich, der Erde an die treue Mutterbrust, mit traumverlorŽnem Lächeln. Satt und - müde ! Wenn ihm die Lust ihr letztes Lied gesungen; der fürchtet nicht den Tod; weil er das Leben stark bezwungen. (entnommen aus “Wovon mein sich freigesungen, Berlin 1905)

Als ihr wohl berühmtestes Werk darf wohl “Wovon mein Herz sich freigesungen” angesehen werden. Ihr wohl erster und auch wohl einziger Gedichtband, über den eine Rezension geschrieben wurde “.. Eine junge Frau, die im Leid erzittert und in der Freude verharrt wie ein dankbares Kind, eine Frauenseele, durch die das blase und das rote Leben hindurch gegangen sind und ihre Träume zurückließen, und diese Träume wurden zu Gedichten.”

Skorera arbeitete unter anderem als Redakteurin der Zeitschrift “Die Kinderfürsorge”. Am 1. Mai 1916 fiel ihr Sohn Bruno während des Ersten Weltkrieges in Frankreich. Sein Tod hinterließ deutliche Spuren bei Thekla Skorra. Sie musste erneut umziehen und landete am Ende in einem Altersheim. Von dort wurde sie im Januar 1943 mit dem 81. Alterstransport in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 3. Juni 194, zweieinhalb Monate vor ihrem 77. Geburtstag, verstarb.

Das kleine Buch ist reichlich mit kleinen wunderbaren Gedichten und Erzählungen von Skora bestückt. Am eindrucksvollsten ist dabei die Geschichte “Judenporzellan”, die von Liebe und Enttäuschung einer Familie zu ihrem - zu einem anderen Glauben übergetretenen - Sohn handelt.

Der Erinnerung an andere Schicksale der dunklen Jahre Deutschlands wegen wäre es wünschenswert, wenn es mehr solch wertvolle Bücher geben würde.

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