Rezension zu "Yalla, Feminismus!" von Reyhan Sahin
Reyhan Şahin, wissenschaftliche und feministische Grenzgängerin, bezieht in diesem Buch klar Position. Die Themen Deutschrap, Islam und Wissenschaft stehen im Fokus und werden von ihr sowohl wissenschaftlich als auch aus eigener Erfahrung und Perspektive analysiert. Die Sprache eckt genauso an, wie es Şahin als Person tut, und gerade deshalb ist diese Sprache auch Ausdruck davon, dass in ihrer Person selbstermächtigender, sexualisierter Rap und fundierte Wissenschaft zusammentreffen.
Die drei Schwerpunktthemen sind nicht zufällig gewählt, sondern spiegeln das Spannungsfeld wieder, in dem sich Dr. Bitch Ray bewegt. Im Bereich des Deutschrap analysiert sie die Problematik sexistischer und patriarchaler Strukturen, spricht sich für feministische Selbstermächtigung aus und dafür, dass insbesondere die interne Auseinandersetzung mit Problemen im Rap zunehmen muss, will man das Thema nicht ignorieren oder undifferenzierten und ideologischen Debatten überlassen.
Als Wissenschaftlerin, die über die Bedeutung des Kopftuchs promoviert hat ebenso wie als Angehörige der religiösen Minderheit der Aleviten setzt sie sich für eine differenzierte und faktennahe Auseinandersetzung mit "dem Islam" ein, was einerseits bedeutet, anzuerkennen, dass es "den Islam" nicht gibt, andererseits, die Instrumentalisierung des Themas scharf zu kritisieren. Sie kritisiert westliche, pauschalisierende Lesarten der Religion und des Kopftuchs als frauenverachtend und "primitiv" ebenso wie die umgekehrte unkritische Übernahme von Narrativen des Kopftuchtragens als per se feministisch. Şahin plädiert für einen Mittelweg, der die Existenz islamischer Feminismen ebenso anerkennt wie die Instrumentalisierung des Feminismus durch konservative Islamverbände und des Islam durch Feminist*innen der "zweiten Welle" des Feminismus wie bspw. Alice Schwarzer und Muslim*innen und Kopftuchträger*innen gleichberechtigt in die Debatte einbezieht.
Außerdem thematisiert sie die fortbestehenden Ungleichheiten im deutschen Universitätsbetrieb, die patriarchalen Hierarchien und impliziten Rassismen und kritisiert die mangelnde Bereitschaft von Wissenschaftler*innen, sich selbstkritisch und reflektiert mit diesen Themen zu befassen.
Mich hat beim Lesen teilweise die Zentrierung auf ihre Person gestört, allerdings merkt Şahin selbst die Problematik an, dass sie aufgrund ihrer einzigartigen Position selbst auf ihre Errungenschaften und Pionierinnenarbeit hinweisen muss, da es sonst kaum jemand tut. Und dass sie diese Arbeit geleistet hat, steht außer Frage. Auch, wenn ich Rap nie viel gehört habe, konnte ich aus diesem Kapitel einiges mitnehmen. Gerade die Themen Kopftuch und Wissenschaft fand ich jedoch besonders spannend, denn als Feministin, Studentin und in der Hochschulpolitik aktive Person kenne ich viele der Debatten aus beiden Bereichen und finde eine Differenzierung und öffentliche Benennung dieser Probleme, so wie sie Şahin vorschlägt, absolut wichtig.
Das Buch eignet sich einerseits, wenn man am Beispiel einer konkreten Person mehr über intersektionalen Feminismus lernen will, andererseits aber auch, um als bereits feministisch aktive Person innerfeministische Debatten im Bereich Islam besser einordnen zu können. Durch die lockere Sprache lässt sich das Buch gut lesen und sorgt für einige Lacher.