Rezension zu "Monstrosa" von Rhea Krčmářová
,,Ich. Habe. Eine. Essstörung.
Was macht das aus mir, mit mir?"
Isabella, Sopranistin an der Oper, wiegt knapp 120 Kilogramm und leidet nicht nur unter ihrem hohen Gewicht, sondern auch an Binge-Eating-Anfällen. Arrangements bekommt sie nur noch selten, immer unverhohlener wird ihr dabei gesagt, dass ihr Körperumfang Grund für die Ablehnung ist. Also beschließt sie auf Anraten ihrer Gesangslehrerin, eine stationäre Therapie zu beginnen. Doch als sie in der Klinik ankommt, erlebt sie gleich den ersten Rückschlag: In ihrer Therapiegruppe sind alle anderen untergewichtig. Mias und Anas, wie sie sich selbst nennen, also Menschen mit Bulimie oder Anorexie. Isa ist ihre "Fatspo", das Bild eines Menschen, der sie selbst nie sein wollen. Sie unterstellen der Sängerin, nicht genügen Selbstdisziplin aufzuwenden und daher so dick zu sein. Und so beginnt ein Teil der Gruppe, fiese Mobbingattacken gegen Isa zu starten.
Rhea Krcmoarova ist mit ,,Monstrosa" ein grandioser Roman gelungen, in dem es ihr gelingt, das Leid verursacht durch verschiedene Formen der Essstörung sehr plastisch, aber auch mitfühlend zu berichten. Neben den offensichtlichen Krankheitsbildern wird in "Monstrosa" auch hinterfragt, warum dünn in unserer gesellschaft mit glücklich gleichgesetzt wird. Darüber hinaus geht es um Gruppendynamiken in stationärer Therapie und um die Frage, welchen Einfluss Social Media auf Essstörungen haben kann. Durch die schonungslose Erzählweise ist das nicht immer leicht auszuhalten. Ziemlich drastisch wird von blauen Flecken, herausstehenden Rippen und Kotzanfällen berichtet. Auch sollte das Buch nicht unbedingt von jemandem gelesen werden, der selbst unter einer Essstörung leidet - denn viele Szenen triggern potentiell. Allerdings gelingt es der Autorin so, ein schonungsloses Bild zu zeichnen, was dem Roman große Eindrücklichkeit verleiht.
Zwar ist das Ende der Geschichte, das mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammenfällt, etwas unrealistisch geraten. So kann ich mir zum Beispiel nicht vorstellen, dass die Eltern von minderjährigen Patienten in so einer Situation nicht zwingend Kontakt zu ihren Kindern herstellen wollen. Allerdings ist die Handlung des dritten Aktes mit magischem Realismus gespick, sodass sich dieser Schnitzer verzeihen lässt. Für mich ist ,,Monstrosa" damit auf jeden Fall eines der eindrücklichsten Bücher des Jahres.