Cover des Buches Tod nach Regie (ISBN: 9783960876953)
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Rezension zu Tod nach Regie von Rhys Bowen

Gute historische Hintergründe, leicht schwächelnde Krimihandlung

von Viv29 vor 5 Jahren

Rezension

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Viv29vor 5 Jahren
Wieder einmal geht unser guter Evan Evans auf Mörderjagd. Im mittlerweile fünften Band der Serie finden wir Vertrautes und Neues. Ein Höhepunkt der Serie ist für mich immer Llanfair mit seinen skurrilen Bewohnern und den kleine Dorfquerelen. Das kam in diesem Buch leider für meinen Geschmack etwas zu kurz. Fleischer-Evans und Milchmann-Evans kommen kaum vor, noch nicht mal für eine ihrer typischen Auseinandersetzungen reicht es und auch sonst werden die Llanfairer eher in Nebenbemerkungen eingebunden. Dadurch geht dem Buch leider eine wichtige Komponente verloren. Lediglich Betsy aus dem Pub ist sehr präsent. Eine Filmcrew ist in Llanfair, um aus einem See ein Flugzeug aus dem 2. Weltkrieg zu bergen und Betsy sieht ihre Chance, ins Filmgeschäft einzusteigen. Der Gag ermüdet sich leider schnell. Abgesehen davon, daß Betsy (die in vorherigen Bänden ab und an gezeigt hat, daß sie nicht dumm ist) den Unterschied zwischen Hollywoodfilm und geschichtlicher Dokumentation sehr lange nicht zu verstehen scheint, sind ihre wiederkehrenden Auftritte am Filmset ziemlich albern.

Eine weitere Stärke der Serie ist die Einbindung lokaler Gegebenheiten, die je nach Band mal traditioneller, mal kultureller oder, wie hier, geschichtlicher Natur sind. Es sind hier viele interessante Fakten über Wales im 2. Weltkrieg eingeflochten, die mir neu waren und die ich lesenswert fand. Sie sind exzellent mit dem Kriminalfall verbunden. Ein größerer Teil des Buches besteht aus den auf ein Tonband gesprochenen Erinnerungen eines Zeitzeugen. Schöne geschichtliche Details, eine durchaus tiefgründige Geschichte, Lokalkolorit und Geschichtliches.

Der in der Gegenwart spielende Teil des Buches kann leider nicht ganz mithalten. Während die ersten beiden Bände der Serie es schafften, die Krimis sowohl cosy wie auch spannend zu gestalten, ist dieser Band über weite Teile hin ziemlich zäh. Der eigentliche Kriminalfall geschieht erst nach einem guten Drittel des Buches und auch dann plätschert die Handlung oft dahin, verliert sich in Nebensächlichem oder in ausführlich berichteten Details. Jeder einzelne Gang von Evan wird uns berichtet, jede einzelne Überlegung mitgeteilt. Dadurch kommt es auch zu zahlreichen Wiederholungen. Evans ermittelt (natürlich wieder halb-inoffiziell) durchaus gut, zeigt das logische Vorgehen, das ich eigentlich mag, aber es hätte eben sehr viel gestrafft werden können. Ich habe längere Lesepausen gemacht, weil es mich nicht wirklich zu der Geschichte zog. Es werden sehr viele falsche Fährten gelegt, was zu weiteren Verzettelungen führt. Gut eingebaut sind mehrere überraschende Wendungen und Informationen, die dann die Geschichte wieder anziehen ließen. Gerade zum Ende hin hat mich die Autorin sehr überrascht - eine gelungene Auflösung.

Ausgesprochen negativ aufgefallen sind mir die über 50 Fehler im Buch (die nun verbessert werden sollen). Es ist nicht das erste Mal, daß ein Buch der Serie derart schlecht lektoriert war. Auch die Übersetzung ist an mehreren Stellen holprig - oft merkt man zu starkes Festhalten an den englischen Satzstrukturen, das in einem Fall den Satz fast nur verständlich macht, wenn man ihn gedanklich ins Englische übersetzt. Das mit "kichern" schlecht übersetzte "chuckle" ist auch wieder vertreten. Dann gibt es Sätze wie "ein langer, steiler Hang endete in einem wütenden Strom, der unten über Steine strömte" oder einen kleinen Zug, dessen Kleinheit in einem Satz mehrfach erwähnt wird. Eine Frau sagt über ihr eigenes Haus: "das vornehm wirkende Haus", dann liest man Passagen wie "Er grinste. (...) Er sah mein entsetztes Gesicht und grinste." Die Evan Evans Bücher werden sehr schnell herausgegeben, dies ist nun das fünfte in weniger als einem Jahr und das sechste steht schon bereit. Diese Geschwindigkeit zeigt sich leider in der Qualität, was ich schade (nein: ärgerlich) finde.

Weiterhin fehlte mir ein wenig die liebevolle Beschreibung selbst der Nebencharaktere, die mir in Band 1 und 2 so positiv aufgefallen sind. Es sind Ansätze vorhanden, aber die Sorgfalt der ersten Bände ist nicht mehr gegeben. Positiv fand ich, daß wir über uns bekannte Charaktere neue Dinge erfahren. Mrs. Williams, die rührige Hauswirtin von Evans, die bisher hauptsächlich durch ihre Kochkünste auffiel (die Szenen mit ihr sind weiterhin ein Höhepunkt der Serie) bekommt etwas mehr Kontur und auch Evans Freundin Bronwen zeigt uns neue Seiten, die stimmig und interessant sind. Auch Evans persönliche Geschichte entwickelt sich weiter. Dies ist ebenfalls eine Stärke der Serie - die persönlichen Aspekte werden unaufdringlich in die Geschichte eingearbeitet, unterbrechen diese nicht, entwickeln sich stimmig.

So ziehe ich hier ein gemischtes Fazit. Viele gute, lesenswerte Aspekte, aber leider auch einiges, was überflüssig war. Richtig gebannt hat mich das Buch nicht, aber es unterhielt mich hinreichend. Bei der Wertung gehe ich von den anderen drei Evan Evans-Büchern aus, die ich schon las. Am besten gefiel mir Band 2, dem ich 5 Sterne gab, dann kam Band 1 mit 4 Sternen, am schwächsten fand ich Band 3, dem ich 3 Sterne gab. Dieser Band paßt mit 3,5 Sternen qualitativ gut zwischen Band 1 und 3. Aufgrund der gravierenden Lektoratsschwächen sind es nun letztlich 3 Sterne.
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