Richard Davenport-Hines

 5 Sterne bei 1 Bewertungen

Alle Bücher von Richard Davenport-Hines

Neue Rezensionen zu Richard Davenport-Hines

Vom Playboy-Prinzen zum Begründer der modernen britischen Monarchie - Eduard VII.

Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch für Oliver Cromwell ist ein Band vorgesehen. Mittlerweile sind zwei Drittel der 45 geplanten Bände erschienen. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.

Es gibt keinen Grund, Eduard VII. (1841-1910) den großen und bedeutenden Königen der englisch-britischen Geschichte zuzurechnen. Eduard ist hauptsächlich als ewiger Thronfolger in Erinnerung geblieben. Als er 1901 nach dem Tod seiner Mutter Viktoria den Thron bestieg, war er fast 60. Seine besten Jahre lagen längst hinter ihm. Der neue König genoss keinen guten Ruf, hatte er doch als Prinz von Wales jahrzehntelang ein skandalträchtiges Leben geführt. Zur Überraschung seiner Untertanen verwandelte sich der notorische Schwerenöter und genussfreudige Bonvivant in einen pflichtbewussten Monarchen, der seine Aufgaben gewissenhaft, würdevoll und mit großem Geschick erfüllte. Königin Viktoria hatte ein zurückgezogenes Leben geführt. Sie zeigte sich nicht gerne in der Öffentlichkeit und hatte für publikumswirksame Rituale und Zeremonien nichts übrig. Eduard VII. gab der Monarchie den Glanz zurück, den sie während der langen Herrschaft seiner Mutter verloren hatte. Er nahm einige Weichenstellungen vor, die die Geschichte der britischen Monarchie im 20. Jahrhundert nachhaltig prägen sollten. Als konstitutioneller König besaß Eduard VII. keine politische Macht. Das darf aber nicht dazu verleiten, Eduard von vornherein jegliche historische Relevanz abzusprechen.

Anders als in der sehr viel umfangreicheren Biographie von Jane Ridley (2012) nimmt Eduards turbulentes Privat- und Liebesleben in der Darstellung von Richard Davenport-Hines nur wenig Raum ein. Zwar lässt auch Davenport-Hines keinen Zweifel daran, dass Eduards Mätressenwirtschaft dem Ansehen des Königshauses schadete. Aber er ist darum bemüht, Eduards Stärken und positive Leistungen in den Vordergrund zu rücken. Im Gegensatz zu seiner Mutter besaß Eduard einen hochentwickelten Sinn für die performativen Seiten der Monarchie. Als König machte er die Monarchie mit aufwändigen Inszenierungen wieder sicht- und erlebbar; er verankerte sie wieder fest im Alltagsleben der britischen Nation. Eduard VII. legte außerdem den Grundstein für das umfassende karitative Engagement des Königshauses. Schon als Thronfolger warb er gewaltige Summen für wohltätige Zwecke ein, etwa den Bau und Unterhalt von Krankenhäusern. Gesellig, kontaktfreudig und von kosmopolitischem Habitus, hatte Eduard maßgeblichen Anteil an der Transformation der britischen High Society. Die Freundschaft mit dem Prinzen von Wales und späteren König ermöglichte Unternehmern, Pressemagnaten und Bankiers den Aufstieg in die bislang vom Adel dominierte Oberschicht. Der rastlose und reisefreudige Eduard war in ganz Europa hervorragend vernetzt. In den neun Jahren seiner Herrschaft war er das, was man heute einen Elder Statesman nennt. Er trat selbstbewusst und zugleich taktvoll als Interessenvertreter seines Landes auf, und er nutzte seine Kontakte zu Europas Monarchen und führenden Politikern, um einer Verschärfung der Spannungen zwischen den Großmächten entgegenzuwirken. Die Frage, ob es 1914 zu einem großen europäischen Krieg gekommen wäre, wenn Eduard VII. noch gelebt hätte, sollte man nicht vorschnell als albern abtun.

Mit seiner ausgezeichneten Kurzbiographie erbringt Richard Davenport-Hines den Nachweis, dass Eduard VII. ernst genommen zu werden verdient, mag auch sein Lebenswandel als Thronfolger anstößig und seine Herrschaft als König kurz gewesen sein. In der Geschichte der britischen Monarchie kommt Eduard VII. eine Schlüsselstellung zu. Zeitlebens blieb Königin Viktoria mental in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwurzelt. Ihr zurückgezogenes Leben, ihre Selbstisolation führten zu Debatten, wozu die Monarchie im Zeitalter der Industriemoderne eigentlich noch gut sei. Welchen Nutzen hatte ein gekröntes Staatsoberhaupt, das sich den Blicken der Bürger konsequent entzog? Eduard VII. rettete die britische Monarchie vor der Bedeutungslosigkeit; er gab ihr neue Aufgaben und ebnete ihr damit den Weg ins 20. Jahrhundert. Das ist keine geringe Leistung. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juli 2017 bei Amazon gepostet)

Gespräche aus der Community

Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Welche Genres erwarten dich?

Community-Statistik

in 1 Bibliotheken

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks