Da ist ein Boxturnier, indem Schläge ausgeteilt werden. Und da ist eine Autorin, die auf alle der acht Teilnehmerinnen zwischen 15 und 17 Jahren ein Schlaglicht wirft. Was ist „Schlaglicht“ doch für ein genialer Titel für dieses Werk, welcher eigens für den deutschen Markt erarbeitet wurde (das englische Original heißt „Headshot“)!
„Schlaglicht“ hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Die Sätze fliegen einem wie die gegnerischen Angriffe um die Ohren. Kampfszenen verschmelzen mit dem Innenleben der jungen Sportlerinnen, die natürlich alle ihr Päckchen mitbringen.
Rita Bullwinkel findet neue Worte für Unfassbares.
Doch so kreativ sich beim ersten Auftauchen die „Bratwurstbeine“ anhören, bei der vierten und fünften Erwähnung kann ich leider nur noch genervt den Kopf schütteln. Geschweige denn, als in einem späteren Kapitel von „Kalbsfleischbeinen“ die Rede ist…
Leider bleibt es nicht das einzige Beispiel, bei dem mir Wiederholungen von Namen, Wörtern, Phrasen, Bildern auffallen, die mehr stören als beeindrucken. Gefühlte hundert Male gibt es Sätze, in denen etwas „wie … aussieht“, und diese Sätze stehen teilweise sogar direkt hintereinander.
Die geballte Ladung an Metaphorik erstickt im weiteren Verlauf die Atmosphäre des Turniers und somit auch die Glaubwürdigkeit des Erzählten. Ich kann es der Autorin irgendwann einfach nicht mehr abnehmen, dass diese ganzen Boxerinnen – angeblich die besten ihrer Gewichts- und Altersklasse aus ganz Amerika, also keine Anfängerinnen – sich nur in Nebensätzen um Beinarbeit, Fausthiebe, gegnerische Bewegungen, Trainerinstruktionen, Motivation und Schmerzen kümmern und sich dafür ausführlich in ihre Traumata und Kindheitsspiele hineinphilosophieren. Dass sie keinen Gedanken an Jungs verschwenden oder an Feten oder Social Media oder sonst etwas teenagermäßiges. Dass keine von ihnen ihren Frust über einen Punkteverlust oder über eine Niederlage herausschreit oder kurzzeitig die Nerven verliert.
Dass die Zuschauer weniger sind als bei einem D-Jugend-Fußballspiel in unserem Dorf und dass die Judges und Trainer nur unbeteiligt zusehen – Stopp! – Natürlich offenbart sich in diesen letzten Fakten eine ganze Bandbreite an Sexismus im Sport. In diesem Bereich teilt die Autorin sehr treffsicher aus und fährt ordentlich Punkte ein. (Die Beschreibung dieser Szenen wirkt trotzdem unglaubwürdig.)
Also: Ja, es gibt einige bedenkenswerte Passagen in „Schlaglicht“ zu finden, das Setting ist originell, die Struktur und die Figurenzeichnung gefällt. Doch stilistisch eiert dieses Buch auf halsbrecherische Weise zwischen Hochflügen und Totalabstürzen herum. Es verwundert dann doch, dass Rita Bullwinkels Werk bei dieser nicht konsistenten sprachlichen Qualität für den Booker Award nominiert worden ist.