Hier sind schon einige, sehr gute Rezensionen hinterlegt und eigentlich wollte ich diesen nicht noch eine von meiner Seite hinzufügen. Dann aber wollte ich unbedingt meiner Bewunderung Ausdruck verleihen, für diesen so talentierten Autor, der auf nur 300 Seiten ein herzerwärmendes und mitnehmendes Tableau menschlicher Eigen- und Leidenschaften entwickelt und das in ein Szenario italienischer Landschaften und Menüs einbettet, dass man sich nicht nur direkt vor Ort wähnt, sondern dazu auch noch den Geruch zu verspüren meint.
Für Montalbano ist es eigentlich gerade eine ganz schreckliche Zeit, denn eine schwedische Firma dreht einen Film mit dem Charme der Sechzigerjahre. Nicht nur durch den Aufruf, alte Fotos beizubringen, sind irgendwie alle Bewohner des Küstenstädtchens direkt am Geschehen beteiligt oder schauen zu. Sogar die sonst immer mal wieder vorkommenden Verbrechen sind auf Null zurückgegegangen und Commissario Montalbano ist langweilig und er fühlt sich überflüssig, zudem mit den Veränderungen durch die Filmproduktion auch überfordert.
Da fragt ihn Ingenieur Sabatello, was er denn von einem Dachbodenfund hält. Der Vater des Ingenieurs hat in jährlicher Abfolge immer wieder dasselbe Stück Mauer filmisch dokumentiert, minutenlang, ohne dass sonst eine Handlung zu sehen wäre. Beide können sich so gar keinen Reim darauf machen, vermuten aber, dass es mit der Geschichte des Hauses oder der Familie in Verbindung stehen müsste und Montalbano verspricht, sich des Rätsels anzunehmen.
Schon wenig später geschieht dann eine wirkliche Straftat, die in diesen Tagen Erschrecken hervorruft. In eine Schulklasse dringen zwei Maskierte ein und bedrohen Schüler und Lehrer, schießen dabei auch, wenn auch nur in die Luft.
Jetzt halten das Rätsel um die Mauer und das Rätsel um die Hintergründe des Terrorakts den Commissario doch ganz schön auf Trab. Es geht nur wenig voran und so muss er sich etwas einfallen lassen, um die Aufklärung zu beschleunigen, doch das führt schließlich zu von ihm selbst verschuldeten bedrohlichen Situationen. Und selbst als Commissario, jetzt aber doch altersmilde geworden oder eben mit entsprechender Lebenserkenntnis, vertritt er am Ende die Ansicht, dass die Wahrheit nicht zu jederzeit und schon gar nicht für alle immer nur gut ist.
Ich habe schon einige der Abenteuer des Commissarios gelesen und war immer wieder begeistert, wie wahrhaftig der Autor uns die sizilianische Welt darstellt und durchaus auch mit vielen Augenzwinkern erklärt. Dieser Band ist gewissermaßen noch einmal eine Steigerung zu allem, weil Empathie und Menschlichkeit, wie man sie dieser Tage nur allzugern selbst erleben und erfahren möchte, so wundervoll dargestellt werden, ohne irgendwie rührselig, kitschig oder überzeichnet rüberzukommen. Es ist alles echt und so glaubwürdig, zutiefst menschlich, dass es eine wahre Lesefreude ist und man direkt doch auch selbst gerne mit an den Tisch des Commissarios eingeladen werden möchte. Und es zeigt: im Krimi geht auch leise!
Ein Punkt Abzug für die manchmal dann doch etwas schrulligen Alters-Ansichten und Philosphie-Betrachtungen vor allem zu den neuen Technologien und den Umgang junger Menschen damit.
Rita Seuss
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Neue Rezensionen zu Rita Seuss
Der 2019 in Rom verstorbene Dramaturg, Theaterregisseur und Autor Andrea Camilleri war ein Meister spannender Kompositionen. Die erfolgreiche und lange Reihe seiner sizilianischen Commissario Montalbano-Krimis zeugen von seiner enormen Fantasie und dieser Perfektion. Der 25. Fall aus dem Jahr 2015 - lässt man die zahlreichen Kurzkrimis dieses Kosmos‘ um die fiktive Küstenregion rund um Vigàta unbeachtet - war der erste Roman, den der Neunzigjährige nicht eigenhändig schrieb, sondern diktierte. Die Taschenbuchausgabe erschien bei Lübbe erst Anfang 2025.
Der Commissario, selbst in die Jahre gekommen, die seine philosophische Weltanschauung weiter intensivieren, hat es diesmal zunächst mit keinem Verbrechen zu tun. Vielmehr wird er gebeten, sich merkwürdige Filmaufnahmen eines Verstorbenen anzusehen und eine Antwort darauf zu finden. Die Aufnahmen zeigen immer wieder dieselbe Mauer, jedes Jahr am selben Tag. Da Montalbano von einer Filmcrew genervt ist, die ausgerechnet seine schöne Heimat als Filmkulisse nutzt, lenkt er sich mit diesem Rätsel gerne ab.
Ein wirkliches Verbrechen ergibt sich erst auf Seite 137, als eine Gruppe Bewaffneter in eine Schule eindringt und Schüler wie Lehrer einschüchtert. Handelt es sich um Terroristen oder steckt doch mehr dahinter, was im persönlichen Umfeld zu finden ist?
In beiden Fällen liegt das Motiv in der Frage begraben, was ein jeder bereit wäre zu tun, um etwas Geliebtes zu beschützen. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Auch der 25. Fall knüpft an die liebgewonnenen Figuren, Essgewohnheiten mit lukullischen Genüssen und so manchen wehmütigen Fingerzeig auf vergangene Abenteuer an. Camilleri beweist, dass es nicht grausamer Tötungen und reißerischer Thriller-Elemente bedarf, um gut und auf nachdenkliche Weise zu unterhalten. Zugegeben, es gab schon spannendere Handlungen in der Serie, aber der Twist am Ende sorgt mal wieder für einen Aha-Effekt. Ein Fall, der ganz ohne klassische Morde auskommt und dennoch an den Tod denken lässt – gerade im Bewusstsein des längst verstorbenen Autors, der selbst im hohen Alter einen versöhnlichen Umgang mit dem Thema Sterblichkeit und Liebe anschlägt. Ein Segen vor und hinter dem Buchdeckel.
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Lübbe (29. März 2018)
ISBN-13: 978-3404176397
Originaltitel: Morte in mare aperto
Übersetzung: Rita Seuss und Walter Kögler
Preis: 14,00 €
auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich
8 tolle Kurzkrimis
In diesen 8 Kurzgeschichten löst Commissario Montalbano seine ersten Fälle in Vigàta (Sizilien). Ich muss allerdings sagen, mir ist da kein großer Unterschied zu den späteren Fällen aufgefallen. Es sind die gleichen Personen beteiligt, auch deren Wesen unterscheidet sich nicht von den anderen Bänden dieser Reihe. Der Schreibstil ist ebenfalls praktisch identisch.
Alle 8 Krimis haben mir sehr gut gefallen. Sie sind locker und doch spannend und kommen am Ende mit einer mehr oder weniger verblüffenden Wendung um die Ecke.
Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Buch ein guter Einstieg für Lesende ist, die Montalbano noch nicht kennen. Man bekommt dabei einen ganz guten Eindruck von ihm, seinem Umfeld und seinen Fällen.
★★★★★
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