Cover des Buches Kleine Biester (ISBN: 9783867891363)
Gospelsingers avatar
Rezension zu Kleine Biester von Rob Alef

Rezension zu "Kleine Biester" von Rob Alef

von Gospelsinger vor 12 Jahren

Rezension

Gospelsingers avatar
Gospelsingervor 12 Jahren
Sandkästen sind nicht gerade friedliche Orte. Da wird gestritten, mit Förmchen um sich gehauen, mit Sand geschmissen. Aber dass sich im Sandkasten plötzlich ein Krater auftut, der ein Mädchen verschluckt, ist neu. Hektisch wird nach der Sechstklässlerin Anna gebuddelt, leider vergeblich. Kurz darauf stirbt ihr Klassenkamerad Cem. Ein Unfall? Als noch ein Schüler der gleichen Klasse zu Tode kommt, wird deutlich, dass es sich um Morde handelt. Ist es Zufall, dass diese Morde geschehen, während gerade das knallharte Auswahlverfahren des renommierten Kreuzberger Rosenhof-Gymnasiums läuft, einer Schule, die hervorragende Lernbedingungen und spätere Karrierechancen bietet und die daher hoffnungslos überlaufen ist? Es regt sich ein fürchterlicher Verdacht: Ermordet jemand diese Kinder, um dem eigenen Kind im Kampf um die Schulplätze eine bessere Chance zu verschaffen? Auf den Schülern der sechsten Klasse der James-Hobrecht-Schule lastet wegen des bevorstehenden Übergangs auf die weiterführende Schule ein unglaublicher Druck, und es ist bekannt, dass einige ehrgeizige Eltern vor kriminellen Maßnahmen nicht zurückschrecken, um ihr Kind auf die Wunschschule zu bringen. Das machte sogar die Einrichtung eines SWAT-Teams der Berliner Polizei notwendig, denn allzu viele Sechstklässler wechseln die Adresse zur Täuschung der Behörden. Ermittler Pachulke und sein Team sind entsetzt über die Abgründe, die sich an einer Schule auftun können. Aber Mord? Kann das wirklich sein? Ja, kann es, wenn man die realistisch beschriebene Darstellung eines übertriebenen Elternehrgeizes so gnadenlos weiterdenkt und satirisch überspitzt wie Rob Alef. Auch wenn ihm einige kleine Fehler unterlaufen, sowohl bei den Regelungen des Anmeldeverfahrens (im letzten Jahr spielte in Berlin die räumliche Nähe zur Schule keine Rolle mehr, allerdings soll jetzt wieder eine regionale Komponente eingeführt werden), als auch bei der Beschreibung der Rolle einer Elternvertreterin (in Berlin heißt es nicht Elternbeirat, sondern Elternvertretung, und an der Auswahl der neuen Schüler sind die Elternvertreter nicht beteiligt), hat der Autor die Konkurrenzsituation hervorragend eingefangen. Die beschriebenen Scheinanmeldungen in Nähe der Wunschschule gibt es wirklich. Einfach herrlich fand ich Alefs satirische Darstellung der Elternszene in Kreuzberg und im Prenzlauer Berg. Allein schon diese Doppelnamen, wie Notker-Frodo, und die Aufzählung der „individuellen Namen“ an der Schule: Leo, Leon, Leopold, Leonhard, Leonie, Leonore, Leona... Auch die Qualität der vom Senat finanzierten Ausstattung der Schulen ist wunderbar auf den Punkt gebracht. Bei einer großen Baumaßnahme am Rosenhof-Gymnasium, die über Sponsoren finanziert wird, übernimmt das Land Berlin die Türstopper, aber die sind dann wenigstens „sexy“. Immer wieder gibt es nette Anspielungen im Buch, zum Beispiel auf die Wilmersdorfer Witwen (hier als Chor), oder den Drogenkonsum der Schüler, der hier aber ganz andere Drogen als die weithin bekannten beinhaltet. Zum Brüllen komisch fand ich den Gewaltspräventionsvortrag des Polizisten Dorfner, der etwas zu lebensnah gerät und umfangreiche Renovierungsarbeiten nach sich zieht. Herrlich ist auch die Darstellung des ganz offen pädophilen Pfarrers der Gemeinde St. Hypokrit (sic!), der an seiner Kirche nur kritisiert, dass es keine Vollwertoblaten gibt, und von zünftigen Jugendfreizeiten schwärmt, die großzügig mit Seidenpyjamas und Massageöl versorgt sind. Natürlich nehmen nur Jungen teil. Das ungewöhnliche und äußerst rasante Finale ist völlig abgefahren und ein passender Schlusspunkt für einen Krimi der etwas anderen Art, der mir, besonders, weil ich selbst Elternvertreterin bin, einfach eine Menge Spaß bereitet hat.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks