Robert Fossier

 3,8 Sterne bei 15 Bewertungen

Lebenslauf

Robert Fossier, geboren 1927, war Professor für mittelalterliche Geschichte an den Universitäten von Nancy und Paris (Sorbonne), Emeritation 1993. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Mediävistik in Frankreich und Herausgeber der renommierten Lexika »Le Moyen Âge« und »The Cambridge Illustrated History of the Middle Ages«. Zuletzt erschien »L’Occident médiéval«, (V-XIII siécles), 2006. Er arbeitet in der Nachfolge Georges Dubys und der französischen Historiker der »Annales«.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Robert Fossier

Cover des Buches Das Leben im Mittelalter (ISBN: 9783492973953)

Das Leben im Mittelalter

 (15)
Erschienen am 01.12.2016

Neue Rezensionen zu Robert Fossier

Cover des Buches Das Leben im Mittelalter (ISBN: 9783492973953)
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Rezension zu "Das Leben im Mittelalter" von Robert Fossier

Manifest überlagert Information
Viv29vor 5 Jahren

Robert Fossier möchte in diesem Buch darüber informieren, wie die einfachen Menschen im Mittelalter gelebt haben, unterteilt dies in verschiedene Bereiche, wie "Stadien des Lebens", "Die Natur", "Verhältnis zu Tieren", "Gruppen", "Wissen" und "Die Seele". Wie man den Überschriften schon entnehmen kann, wird es manchmal ziemlich philosophisch. Wirklich informativ fand ich eigentlich nur die erste Hälfte, aber das ist Geschmackssache.

Prinzipiell sind die Blicke in das Alltagsleben durchaus interessant, es gibt hier viele Informationen, teils detailliert, teils eher von Allgemeinplätzen geprägt. Es findet sich hier nichts, was sich in anderen Büchern zum Thema nicht auch findet. Das liest sich teilweise unterhaltsam, oft aber ist wenig Information in sehr viele Worte verpackt.

Enervierend fand ich zwei Dinge, die auch zusammenhängen. Der Autor läßt keine Gelegenheit aus, uns seine eigene - sehr schwarz-weiß geprägte - Meinung aufzudrängen. Wenn er jemand verurteilen kann, dann läßt er die Gelegenheit nicht aus und ausgesprochen gerne nennt er andere ignorant. Sein Misanthropismus scheint ständig durch und erschien sogar mir als bekennender Misanthropin übertrieben. ("Hören wir also auf, uns mit Entzücken selbst zu betrachten, wie wir es, die Frauen mehr als die Männer, seit Jahrtausenden tun. Gestehen wir vielmehr ein, dass der Mensch eine hässliche und schwache Kreatur ist." - Dem folgt eine ausführliche Auflistung über unsere abstoßenden Zehen, Ohren und wasweißichnoch. Ich erinnere: Das Buch heißt "Das Leben im Mittelalter", nicht "Der Mensch ist eine traurige Maschine".)

Die Einleitungen zu den einzelnen Themen beinhalten stets einen Blick in die heutige Welt, der nur ansatzweise zum Vergleich mit dem Mittelalter genutzt wird, dem Autor wohl eher die Gelegenheit geben soll, sich über die schlechte Welt auszulassen. Die Einleitung über das Leben in Gruppen (nochmal: es handelt sich hier um ein Buch über das Mittelalter) lamentiert eine Seite lang so: "Vor allem aber in den sogenannten entwickelten Regionen wie den unseren, grüßt man sich nicht mehr auf der Straße und hält niemandem mehr die Tür auf. (...) Dabei verbindet sich der eigene Untertanengeist oft mit der Verleumdung des anderen, ganz zu schweigen von der notwendigerweise seltsamen Verbindung zwischen dem Befolgen aller neuen Trends und einem unbändigen Individualismus, wofür heute Fernsehen und Handy die wohl bezeichnendsten Beispiele sind. Die wütende Verteidigung des eigenen Territoriums..." usw. usf.

Es nervt irgendwann, wenn man eigentlich etwas über das Mittelalter lernen möchte und sich ständig durch das persönliche Manifest des Autors arbeiten muß.

Und so findet sich hier Informatives durchaus, aber ich habe es in anderen Büchern auch gefunden und das auf angenehmere und weniger selbstgefällige Weise. Knappe 3 Sterne für den reinen Informationsgehalt.

Cover des Buches Das Leben im Mittelalter (ISBN: 9783492257206)
M

Rezension zu "Das Leben im Mittelalter" von Robert Fossier

Rezension zu " Das Leben im Mittelalter" von Robert Fossier
Mario_Veraguthvor 10 Jahren

Wie in jedem Zeitalter drücken die Mächtigen ihre Stempel derart tief ins kollektive Gedächtnis ein, dass die Lebensgrundlagen der Majorität der Bevölkerung stiefkindlich behandelt werden. Im Falle des Mittelalters wären das Könige, Ritter, Päpste und Adelige, die erfreulicherweise mit keinem Wort erwähnt werden.

Der Autor hat als die Beschreibung der Lebensumstände durchschnittlicher Zeitgenossen, unter Aussparung sämtlicher hierarchisch besser gestellter Personen, zur Maxime seines Buches gemacht. Mit dieser Fokussierung auf Bereiche wie Unterbringung, Familie, Tiere, Arbeit, Agrartechniken, Natur, Verhältnis der Geschlechter, Krankheiten, Kinder, Rechtssprechung, Umgang mit dem Alter, Wetter und andere öffnet sich ein breites und anschauliches Spektrum einer in mancher Hinsicht zu unrecht als primitiv und finster verunglimpften Epoche.

Aufgrund der schieren Menge an erläuterten Lebensbereichen werden nur die jeweils herausragendsten Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen Kategorie kurz beschrieben. Daher eignet sich das Werk vorzüglich zum Wecken von Interesse an einzelnen Aspekten, die mit anderer, fokussierterer Literatur ergänzt werden können.

Schön lebendig und voller Überraschungen gestaltet sich die Reise durch die Lebenswelten der damaligen Bevölkerung. Ob es um klerikal krude Rechtssprechung samt barbarischer Strafen, für Frauen alles andere als angenehmen Beziehungsbedingungen, einen gänzlich anderen Zugang zur Natur und deren Gaben oder die Art der Altenbetreuung geht, die Kluft der Jahrhunderte öffnet sich zur anschaulichen Betrachtung. Der Versuch die Gedankenwelt abseits von religiöser Instrumentalisierung zu beschreiben, gestaltete sich für den Autor gewiss schwierig und hat einige spekulative Anteile. Zwar eignen sich die vermuteten Motive und Weltbilder gut zur Illustration der Arbeitshandlungen und des Familienlebens, jedoch dürften diese aufgrund verschiedener Kulturkreise und klimatischer Bedingungen stärker differiert haben als vom Autor gezeichnet. Daher dürfte der nicht in Schriften, für deren Richtigkeit Gewährleistung zu übernehmen zu viel verlangt wäre,  überlieferte Stand der damaligen Geisteshaltung als zwar schöne Ausschmückung, jedoch nicht unbedingt stichhaltig und richtig erachtet werden. Und so wie die Interpretationsmöglichkeiten angeboten werden kann sich auch jeder Leser der für ihn attraktiven annehmen und die restlichen Getrost als das hübsche Beiwerk, das sie sind betrachten. Aber auch nicht mehr.

Und da vom einfachen Volk wenig bis gar nichts in Form von Möbeln, Kleidung, Werkzeugen, Arbeitsmaterialien und Kunstgegenständen übrig geblieben bist, gibt es auch bei der Beschreibung des Alltags keine Garantie für Richtigkeit.

Da sich die Belege auf mittelalterliche Texte, Erzählungen und Malereien beziehen, bleibt ein gewisser Unsicherheitsfaktor bezüglich der Richtigkeit der Erläuterungen, wobei eine Tendenz zur eher positiven Darstellung zu bemerken ist.

Einzig negative Aspekte sind das Fehlen eines Quellenverzeichnisses, das bei speziellen Interesse an einzelnen Bereichen stören kann und ein paar kleine Widersprüche und Schlampigkeitsfehler, die aber keinen negativen Einfluss auf Verständlichkeit oder Sinn des Werkes haben. Den teilweise lehrerhaften Stil und das Abdriften in religiöse und philosophische Erklärungsmodelle für simple Sachverhalte kann man individuell unterschiedlich auffassen. Als Ergänzung und Erweiterung zur Illustration eines normalen Tagesablaufs bietet sich der psychologische Überbau an, ob und wie weit er besprochen wird, variiert stark.

Wenn man bei der Auswahl zu Mittelalterliteratur, aufgrund der schieren Menge der dargebotenen Bücher, schwankt und sich nicht sicher ist, bietet sich dieses breit gestreute und Interesse weckende Werk zur Erkundung und genaueren Festlegung des eigenen Interessensbereiches an.

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