Es ist schon einige Zeit her, dass ich dieses Buch gelesen habe und doch spuckt es mir immer wieder durch den Kopf - aus diesem Grund möchte ich es euch auch nicht vorenthalten und heute auf meinem Blog besprechen. Ich denke Amokläufe sind in Deutschland immer noch in vielen Köpfen fest verankert und die Medien reagieren darauf. Es gibt sicherlich mehr als ein Buch zu diesem Thema und doch fand ich nur dieses hier bisher wirklich besonders. Dazu muss man sagen, dass es in den USA spielt - das tut dem Buch aber keinen Abbruch.
Wie der Klappentext uns schon verrät gehört Philip wohl zu den Kids der Highschool, die eine weiße Kappe tragen. Philip ist beliebt und hat eigentlich alles was man als Teenager so haben möchte: Erfolg im Sport und der Schule, eine hübsche Freundin, viele Freunde, Beliebtheit. Trotzdem wird Philip eines Tages Amok laufen und mehrere Menschen töten. Am Ende erwartet ihn ein medienwirksamer Gerichtsprozess.
Das war eigentlich schon grob der Inhalt des Buches. Zu Beginn lernen wir unseren Protagonisten Philip kennen und haben ein wenig an seinem Leben teil - wir begleiten ihn beim Kiffen, beim Basketballspiel und bei Treffen mit seinen Freunden. Alles normal soweit. Allerdings wird schon im ersten Teil deutlich, dass Philips Welt für ihn belanglos und kalt erscheint. Durch einen blöden Zufall transportieren er und sein Kumpel eine Waffe in die Schule. Keiner der beiden Jungs ahnt, dass Philip diese Waffe gegen seine Mitschüler erheben wird. Im Anschluss an den Amoklauf kommt der Gerichtsprozess, den wir bis zum Urteil begleiten. Was mir an diesem Buch wahnsinnig gut gefällt: der eigentliche Amoklauf beansprucht nur eine einzige Seite im Buch. Es handelt sich also nicht um einen blutrünstigen Action-Roman, der den Voyeurismus und die Sensationsgeilheit der Menschen befriedigt. Vielmehr geht es um andere Themen, die zum Nachdenken anregen.
Auf der einen Seite empfinde ich dieses Buch als eine Auseinandersetzung mit der Waffenmentalität in den USA und zeigt auf wie schnell Waffenvernarrtheit einzelner Menschen großes Leid für viele Menschen verursachen kann. Es geht aber auch um familiäre Kälte, Abwesenheit, Ignoranz und Suche nach Sinn - ein Thema, das vermutlich viele Jugendliche (und auch Erwachsene) betrifft.
Auf der anderen Seite geht es im Anschluss an den Amoklauf um die Frage nach Schuld und Strafe. In den USA steht auf Philips Tat potentiell die Todesstrafe - sein Alter spielt dabei keine Rolle. Somit beginnt nach dem Amoklauf der Kampf um Philips Leben. Wie es ausgeht verrate ich hier natürlich nicht - ich jedenfalls war sehr berührt von diesem Teil der Geschichte. Ich bin absolut gegen die Todesstrafe und trotzdem finde ich die Frage nach Schuld, Verantwortung und Sühne wahnsinnig spannend.
Insgesamt handelt es sich um ein "cleveres Buch", nicht so sehr um einen Thriller oder sowas. Mir gefiel das sehr gut und ich empfand es als gute Abwechslung zu anderen Büchern, die ich zu diesem Thema schon gelesen habe. Die Kürze des Amoklaufs im Buch bedeutet für mich auch noch mehr als das es eben kein blutrünstiges Buch werden sollte. Ich denke der Autor versucht damit auch zu zeigen, wie schnell die Sache auch für Philip ablief und wie schnell soviel Leben für immer zerstört ist.
Die Hauptperson Philip war mir in Teilzügen sympathisch, in anderen Zügen aber auch definitiv nicht (und damit meine ich nicht die Tatsache, dass er eben Amok lief). Ganz unabhängig von der Sympathie war er aber ein wahnsinnig interessanter Charakter. Ich finde es gut, dass der Amokläufer in diesem Buch vom Klischee des "irren Außenseiters" abweicht. Philip ist auf seine Weise sicherlich auch ein Außenseiter, nach außen hin ist er aber definitiv kein Außenseiter sondern äußerst beliebt und von allen geschätzt. Das macht ihn und seine Tat für mich erst richtig interessant. Meiner Meinung nach bleibt Philip den ganzen Roman über ein kleines Mysterium für sich - ich habe Ideen warum er getan hat, was er getan hat, so ganz greifbar ist es für mich nicht. Allerdings fällt es wohl immer sehr schwer sowas zu verstehen. Ich vermute auch, dass jeder Leser ganz eigene Ideen zu Philip hat. In meinen Augen fehlt ihm jegliche Empathie und der Bezug zur Realität - das wird am Ende ganz deutlich. Ihm fehlt aber auch Glück - er ist eben nicht glücklich und zufrieden mit sich (dafür konnte ich ihn teilweise nicht so leiden denn im Grunde geht es Philip wesentlich besser als vielen anderen Kids).
Die Mutter konnte ich beim allerbesten Willen nicht mögen. Soviel emotionale Kälte wünscht man ja keinem - auch am Ende bliebt sie für mich ziemlich fadenscheinig und kalt. Vater und Onkel kamen ja nicht so oft vor. Der Onkel fällt natürlich absolut in die "Klischee-Kiste" aber ohne einen Waffennarr hätte die Geschichte ja auch nicht funktioniert. Wie verantwortungslos ich seine Attitüde finde muss ja nicht erwähnt werden.
Die Figur, die mir in menschlicher Hinsicht am besten gefallen hat, war aber Melissas Vater - auch wenn er eigentlich nur eine Randfigur war. Er war mein persönlicher Held in dieser Geschichte.
Den Schreibstil empfand ich jetzt nicht als etwas besonderes aber er lies sich gut lesen - für ein Jugendbuch absolut in Ordnung. Als der Amoklauf an sich begann war ich ein bisschen verwirrt, da er ja auch nur so kurz dauerte und ich rein intuitiv etwas anderes erwartet hatte. Ich musste das zweimal lesen bis ich geschnallt habe, dass er gerade wirklich schießt :D. Die Ich-Perspektive ist eine sehr gute Wahl - man erhält tiefe Einblicke in Philips Seelenleben und das finde ich bei diesem Buch noch viel, viel wichtiger und spannender als bei anderen Büchern. Angst vor psychologischen Fachtermini muss man auch nicht haben - wirklich jeder Laie versteht das Buch.
Ich kann das Buch auch für "jüngere Jugendliche" empfehlen - es ist wirklich nicht blutrünstig oder brutal. Am Anfang macht Philip eben was ein Teenager so macht und im zweiten Teil des Buches wird fast ausschließlich geredet. Die Seitenzahl bewegt sich auch im angemessenen Bereich. Ich finde das Buch daher schon ab 12 ganz gut geeignet.