Ein leicht schrulliger russischer Professor für Chaos-Theorie und Mathematik, der die Ordnung in Pi sucht und dafür in seiner Freizeit Pi auf etliche Millionen Nachkomma-Stellen berechnet, wird als Gastprofessor für ein Semester in die USA eingeladen und landet in einem Kaff im Nirgendwo, das die besten Chaos-Forscher an der Uni beschäftigt (nach deren Aussage natürlich). Der Mitt-vierziger beherrscht anfangs nur unbeholfen die englische Sprache und tritt prompt von einem Fettnäpchen ins nächste. Die Lehr-Kollegen, sein Mitbewohner und seine Friseurin haben alle eine Macke und versuchen ihre Lebensweisheiten dem berühmten Gastprofessor Näher zu bringen. Auch Agenten diverser ausländischer Geheimdienste versuchen ihn mit Geld, Ruhm und Ehre abzuwerben, damit er für sie sämtliche Codes der anderen Geheimdienste knackt, da ja der Schlüssel für alle Codes angeblich in Pi verborgen ist. Nebenbei benutzt der Prof seine Chaos-Formeln, um einen Serienkiller zu finden, der bereits über zwanzig Opfer mit einer Knoblauch-Kugel in Jenseits schickte.
Diese überwiegend grotesken Situationen beschreibt der Autor einerseits locker-trivial-obszön bis hin zu hochkomplexen und kaum nachvollziehbaren Diskussionen zwischen dem Prof und seinem Mitbewohner. Seine Freundin, die Friseurin, lehrt ihn, auf das Wesentliche zu achten, nämlich: sex and drugs für alle!
Dieses Gehüpfe zwischen Philosophie, Spannung, Langeweile, Diskussion und Situationskomik hat der Autor zu einem Roman verschwurbelt, der gleichzeitig anzieht und abstößt. Insgesamt hat mich die Geschichte öfters nachdenklich gemacht und sogar in mancher Hinsicht in meiner Einstellung bestärkt.
Das Taschenbuch ist in der Masse leider untergegangen, zumal der Rückentext nicht wirklich zum Inhalt passt. Ob es empfehlenswert ist weiß ich nicht. Dafür ist die Geschichte zu komplex, um sie einer einzigen Kategorie zuzuordnen. Der Autor hat sich viel Mühe gegeben und hat Aufmerksamkeit verdient.
Wie auch immer - sehr interessant und daher länger rezensiert!
Robert Littell
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Robert Littell
Die kalte Legende
Die Company
Das Stalin Epigramm
Die Söhne Abrahams
Philby
Der Gastprofessor
Der Töpfer
Der Springer (5127 459)
Neue Rezensionen zu Robert Littell
Der Roman beginnt im Russland 1934. Stalins Truppen sind auf der Suche nach Regimegegnern und verhaften willkürlich Tausende von Bürger. Der berühmte Dichter Ossip Mandelstam ist einer derjenigen, die das System als ungerecht empfinden. Er schreibt ein Gedicht, das die Ära Stalin beenden soll und nennt es das Stalin-Epigramm. An seiner Seite hat er nicht nur namhafte Kollegen, sondern auch in erster Linie seine Ehefrau Nadeschda und seine Geliebe Zinaida. Das Gedicht wird bekannt und fällt natürlich auch den Staatsorganen in die Hände. Mandelstam wird verhaftet und verurteilt.
Ein erschütterndes Bild malt der Autor von dieser blutigen Zeit. Indem er verschiedene Personen von ihrer Warte erzählen lässt, entsteht nicht nur ein packender und mitreißender Roman, sondern auch eine Dokumentation der Greueltaten des Stalin-Regimes. Das Scheitern dieses Kommunismus-Modells insgesamt mit seinen vielen Opfern und das persönliche Schicksal einzelner, die Unterdrückung von Kunst, Literatur und Freiheit, ist der Kern eines meisterhaft geschriebenen Romans, dessen Ende ein wenig ausführlicher hätte sein können, denn auch die Nebenfiguren erwecken im Verlauf des Geschehens das ungeteilte Interesse des Lesers. Das schmälert doch nicht die Gesamtleistung, diese schwierige und unrühmliche Epoche in der Menschheitsgeschichte in einen Roman verarbeitet zu haben.
Robert Littell beschreibt in seinem Roman "Das Stalin Epigramm" die Jahre 1934 - 1938 im stalinistisch regierten Russland aus sieben Blickwinkeln. Sieben verschiedene Persönlichkeiten, die tatsächlich unter dem Regime gelebt und gelitten haben.
Zum einen sind da Ossip Emiljewitsch Mandelstam, einer der wahren Dichtergrößen des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Frau Nadeschda Jakolewna Mandelstam und deren beider Geliebte Zinaida Zaitsewa-Antonowa, begehrenswert hübsche Theaterschauspielerin und perfekte Gespielin in der Menage à trois.
Weitere Dichter-Pesönlichkeiten, Anna Andrejewna Achmatowa und Boris Leonidowitsch Pasternak sowie der Gewichtheber Fikret Trofimowitsch Schotman. Ein kleiner Blickwinkel wird auch Nikolai Sidorowitsch Wlasik, dem persönlichen Leibwächter Stalins, eingeräumt.
Der Titel "Das Stalin-Epigramm" basiert nun auf einem Gedicht, welches der Dichter Ossip Emiljewitsch Mandelstam verfasste. Ein sehr kritisches Gedicht, mit welchem er das Volk aufrütteln wollte. Nur konnte er einen derartigen Angriff auf den Machthaber weder zur Veröffentlichung weiterreichen oder auch nur im Kreis der Literaturliebhaber vortragen. Schon das schlichte Rezitieren vor Nadeschda und Zinaida brachte alle in Gefahr. Auch seine engsten Freunde Pasternak und Achmatowa rieten ihm rigoros vor der weiteren Ausarbeitung ab, geschweige denn davor weitere Personen zu Mitwissern zu machen. Aber es war bereits zu spät, da Stalin alle auch nur potentiell regimekritischen Personen verhaften, verhören und verurteilen ließ. Recht, Unrecht, Schuld, Unschuld, das spielte alles keine Rolle, einmal verhaftet war die Tinte unter dem Urteilsspruch beinahe schon getrocknet. Wer nicht sofort exekutiert wurde, musste damit rechnen in einem Arbeitslager zu landen. Frauen, Männer, Gewichtheber, Dichter, alle waren verdächtig und wurden in Verhören von der eigenen Schuld überzeugt.
Im Epilog selbst wird klar, dass Littell seinen Roman auf Gespräche mit der Witwe des russischen Dichters Ossip Mandelstam sowie ihm zur Verfügung gestellten Dokumenten gründete.
Die Geschichte erschüttert nicht nur durch den Bezug zur Realität, sondern auch aufgrund aktueller Ereignisse, wie die Verurteilung der Pussy Riot Mitglieder oder die per Gesetz verordnete Homophobie in Russland. Deutlich wird, dass damals, wie heute weder offene Kritik noch schlichtes Andersdenken oder Anderssein toleriert wurde/wird.
Die persönlichen Sichtweisen der sieben Protagonisten sind im Roman sehr differenziert beschrieben und berühren durch einen hohen Grad an Authentizität und sensibilisierender Detailtreue.
Der Ausspruch "Immer noch tanzend" aus meinem Titel zu dieser Rezension sind die letzten Worte von Ossip an Nadeschda, die er in einem Bahnschwellen-Brief an sie übermitteln konnte.
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