Rezension zu "MATTHEW CORBETT und der maskierte Rächer" von Robert R. McCammon
Sehr düster und brutal erleben wir das historische London inmitten von Bandenkriegen und einem maskierten Rächer - wieder ein sehr spannender Band aus der Reihe um Matthew Corbett!
Ich bin wieder absolut begeistert von diesem neuen Band! Die Reihe um Matthew Corbett ist wirklich was ganz außergewöhnliches, weil jeder Teil vom Stil her zwar gleich ist, aber dennoch eine besondere Eigenart hat. Wenn man dem Protagonisten von Anfang an begleitet, dann erlebt man einen spannenden Weg voller Abenteuer, interessanten Fällen, für die Matthew als Problemlöser zur Aufklärung führen soll, aber auch grausame Machenschaften von Menschen, die nach Macht und Geld streben.
Oder ihre verrückten Visionen ausleben wollen.
In diesem Band verschlägt es uns nach London im Jahr 1703.
London ist zu dieser Zeit schon eine große Metropole mit 600.000 Einwohnern. Im Gegensatz zu New York in den Kolonien, das gerade mal um die 6000 Einwohner zählt. Kann mich sich heute gar nicht mehr vorstellen!
Jedenfalls zeigt uns der Autor hier die grausame Seite im Viertel Whitechapel. Sicher vielen bekannt durch die bestialischen Morde von Jack the Ripper aus dem Jahr 1888.
Nach einer sehr aufwühlenden Seereise verschlägt es Matthew an die Küste von England und findet sich bald im schlimmsten Gefängnis wider, dass es zu dieser Zeit gibt.
Wir lernen hier wirklich die schlimmsten Erfahrungen, Konsequenzen und Auswirkungen kennen, die der "Bodensatz der Londoner" Gesellschaft hervorgebracht hat! Ein grausames Leben, das die Kinder hier durchmachen mussten, ohne Chance irgendwie aus diesem Milieu ausbrechen zu können.
Wenn man zu lange an ein und demselben Ort bleibt, denkt man, das ist die Welt. Dann vergisst man, dass es da draußen noch viel mehr gibt.
Zitat Seite 490
Diese durchgedrehten Gestalten lernt Matthew unfreiwillig kennen - und doch sind immer wieder welche dabei, die sich in all dem Dreck und der Gewalt ein gutes Herz bewahrt haben.
Hier fiel mir wieder eine Bemerkung von Hudson Greathouse auf, der sich auf die Suche nach Matthew begeben hat: alles zu hinterfragen! Denn so oft ist nichts so, wie es scheint und jeder Mensch hat eine Maske auf, hinter der er sein wahres Ich verbirgt.
Jede angebliche Wahrheit kann ganz anders aussehen, wenn man sie von zwei Seiten hört und viele der Figuren in diesem Band überleben nur mit dieser Illusion und Täuschung, weil sie ihr Leben anders gar nicht aushalten würden.
Ein sehr trauriges und erschreckendes Bild und die Verbindung mit den Masken fand ich total klasse und originell umgesetzt. Leider wirkt es durch den deutschen Titel etwas "falsch", da sagt der englische Originaltitel schon viel besser aus, um was es hier geht: Freedom of the Mask
Wir haben auch einen maskierten Rächer, dessen Hintergründe nur langsam ans Licht kommen.
Auch Professor Fell ist wieder mit von der Partie, und wir stoßen auf alte Bekannte aus den Vorbänden und Zusammenhänge, die sich nur erschließen, wenn man die ganze Reihe kennt.
Ich hab ja leider mal wieder viel zu viel vergessen. Den ersten Band hab ich vor 5 Jahren gelesen und den Vorband hier vor knapp 2 Jahren. Echt schade, wenn ich da manche Details gar nicht erkenne oder nicht weiß, wie die Verbindungen sind zu den Hinweisen, die hier immer wieder auftauchen. Ich denke, wenn die Reihe mal komplett ist, lese ich sie nochmal von vorne :)
Man darf sich jedenfalls auf einige überraschende Wendungen gefasst machen, einem sehr einnehmenden Schreibstil mit viel Liebe fürs Detail und einer intensiven Atmosphäre, die einen von Anfang bis Ende packt! Es wird sehr gewalttätig dieses Mal und manches Schicksal ist wirklich erschütternd.
Interessant fand ich auch die "Droge", die hier in Umlauf kommt und die als "Weißer Samt" gehandelt wird. Eigentlich nur ein alkoholisches Getränk, das aber noch viel verheerendere Auswirkungen hat! Vor allem spannend in Zusammenhang mit dem Zitat
"Manipulation. Eines Tages wird es Wirtschaftszweige geben - und sogar Regierungen -, die den Wert davon begreifen."
Seite 636
Suchtpotenzial steckt ja mittlerweile in so vielen Dingen - nicht mehr nur in Alkohol und Zigaretten. Jeglicher Konsum grade was auch das Kaufverhalten betrifft, die Spiele oder der Handygebraucht ... das ist schon sehr bezeichnend.
Matthews Lage wird jedenfalls immer schlimmer und auswegloser, so dass an eine Lösung all der Probleme kaum noch zu denken ist. Aber die Hoffnung wird nicht aufgegeben und ich fiebere jetzt sehr dem nächsten Band entgegen, dessen Weichen auf ein nächstes gefährliches Abenteuer gestellt ist!