Anekdote in der Anekdote in der Anekdote ...
von Arbutus
Kurzmeinung: Der Autor ist begabt, ohne Frage. Er weiß nur noch nicht so recht, wo er hin will ...
Rezension
Also dass der Rabbi alles doppelt und dreifach wiederholt, scheint ja in der Eigenart dieses Mannes zu liegen, vielleicht ist es auch eine nahöstliche Kommunikationsform. Aber der Leser hat's doch bald kapiert. Im Gegensatz zu Lothar Matthäus. Was ist geschehen? Der Rabbi ist der Geldgeber des glücklosen Fußballvereins FC Maccabi Netanja, den der Fußballprofi aus der Talsohle führen soll. Dumm nur, dass dessen glücksbringender Mittelfeldspieler, der eigens aus Deutschland eingeflogen werden soll, den falschen Nachnamen hat. Da versteht der Rabbi keinen Spaß. Also macht sich Lothar Matthäus auf eine Fahrt ins Ungewisse, um irgendwo in Israel einen anderen guten Fußballer aufzutreiben, an seiner Seite sein Übersetzer (der Ich-Erzähler) und dessen schweinefleischbesessener Onkel Sauberger.
Der Autor ist wahrhaft mutig, dass er ausgerechnet mir dieses von schlechten Religionswitzen nur so strotzende Werk zum Rezensieren anvertraute. Ich will sein Vertrauen nicht enttäuschen; ich werde nicht lügen. Was schwierig für mich ist, da ich eine zartfühlende Christin bin, die ihre goldene Regel gut gelernt hat, und - würde ich etwa wollen, dass man ein von mir geschriebenes Buch in der Luft zerreißt? Diese Rezi wird ein schwerer Gang.
Denn Onkel Sauberger teilt gegen alles Religiöse aus, sei es nun jüdisch, christlich oder muslimisch. In einer geistreichen, inhaltsreichen Erzählung kann ich so etwas zuweilen aushalten, insbesondere, wenn es sich als persönliche Meinung gut in das Bild eines konsequent ausgearbeiteten Charakters fügt, was hier zumindest ansatzweise gegeben ist. Aber wenn diese Art von Herumfabulieren zum Selbstzweck wird und der Leser beginnt, eine eigentliche Handlung zu vermissen, dann darf man vielleicht doch einmal fragen: Wozu?
Immerhin, im Kapitel "Ergo sum" geraten die Gehirnwindungen tatsächlich mal in Schwingung, wenn Onkel Sauberger und sein Neffe über das Philosophieren philosophieren. Das ist richtig gut. Auch wenn sich die Quintessenz von Onkel Saubergers genial formulierten Schlussfolgerungen bei Licht besehen auch nur liest wie eine Entschuldigung für allzubequeme Denkfaulheit.
"Jeder Philosoph kann widerlegt werden", sagt Onkel Sauberger, "sogar ein französischer. Vor allem ein französischer. Aber eine Wurst, sogar eine französische, kann ich nicht widerlegen. Verstehst du mich?"
Das ist zumindest komisch, wenn auch nicht besonders geistreich. Nur verstehe ich nicht, wo der Autor mit der Geschichte hin will. Vielleicht nirgendwo hin. Wie bei einem richtigen Roadmovie. Aber wo zum Kuckuck ist dieser Lothar Matthäus abgeblieben? Wenn schon keinen Bach, dann will ich wenigstens Fußball! Und was kriege ich stattdessen? Jede Menge Aufregung und Spott über Religiöses, und dazu ganz viel Schweinefleisch. Wenn er wenigstens ein paar Kochrezepte mitgeliefert hätte, damit einem das Wasser im Mund nicht ganz umsonst zusammenläuft ... Über die religiösen Witze aber kann wahrscheinlich nur ein eingeschworener Atheist lachen.
Da, wo unser Erzähler augenzwinkernd interessante Informationen über das Leben in Israel zum Besten gibt, gefällt es mit ganz gut. Wohlformuliert ist das in jedem Fall. Und hin und wieder auch wirklich amüsant. Wirklich lustig ist, wie Onkel Sauberger zum Wegbereiter des arabischen Frühlings wird. Die Episode am Toten Meer ist auch herrlich. Aber dann verästelt sich der Autor wieder zu sehr in seinen eingestreuten Episoden.
Sprachlich ist das sauber und liest sich mühelos und flüssig. Wobei - hallo, wer hat denn das lektoriert? Von Silbentrennung null Ahnung! Und das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit. Entweder ist der Autor mit Lothar Matthäus besonders gut befreundet, dass er sich das rausnehmen kann, oder er hat mit ihm noch irgendein Hühnchen zu rupfen. Warum muss der arme Kerl ständig im unpassendsten Moment einschlafen? Und dann diese Badehose... also, äh, ich meine, wenn ich Gast in Israel (und ja, ein Mann) wäre, würde ich nicht in einer schwarz-rot-gold gestreiften Badehose dort rumlaufen. Echt nicht.
Für ein leichtes, amüsantes Lesevergnügen à la Kaminer ist das Buch einfach nicht temporeich genug. Wobei auch Kaminer schon mal lahmt, aber bei ihm ist das doch eher die Ausnahme. Aber es sind durchaus Passagen in dem Buch, die bezeugen, dass Robert Scheer, hat er sich einmal warmgeschrieben, zu einem hervorragenden Anekdotenschreiber mutieren kann. Aber warum nur dieser unpassendste aller Titel? Viel besser wäre etwas wirklich Humoristisches gewesen wie "Als Onkel Sauberger versuchte, Lothar Matthäus zu einem guten Mittelfeldspieler zu verhelfen" oder so. Denn eigentlich geht es in dieser Story, seien wir mal ehrlich, einzig und allein um Onkel Sauberger, sein Schweinefleischelysium und seinen Mobilkühlschrank.