Pici erzähl doch mal
von Keksisbaby
Rezension
Ich erinnere mich, dass ich meine Oma früher auch oft gefragt habe als ich klein war, wie es war im Krieg, doch sie wiegelte nur ab und mochte darüber nicht reden. Robert Scheers Großmutter Elisabeth genannt Pici stellt sich den Fragen ihres Enkels und den schmerzhaften Erinnerungen aus der Zeit, in der die Nazis Juden als Untervolk abstempelten. Sie erzählt von ihrer fröhlichen Kindheit als die jüngste Tochter von 5 Kindern, von ihrer jüdischen Großfamilie, aber auch von den ersten Anfeindungen in der Schule. Aber auch die dunklen Kapitel in den Ghettos und schließlich in den KZ Auschwitz und Ravensbrück erzählt sie ungeschönt, so dass es mir stellenweise Tränen in die Augen trieb. Dennoch spürt man in diesem Gespräch mit ihrem Enkel, dass Pici trotz all ihrer Erfahrungen nicht verbittert wurde, sondern stets ihrem Sohn und ihren Enkeln eine liebevolle Mutter und Großmutter war.
Die Erzählungen von Pici über ihre Kindheit als Jüdin in Rumänien haben mich manchmal schmunzeln lassen, denn mein Vater hat oft einen ähnlichen Erzählstil an den Tag gelegt. Anekdoten über Klassenkameraden, über entfernte Verwandte und dann wieder ein Sprung um von einem anderen Ereignis zu erzählen. Fast fand ich mich in dem Ort wieder wo Pici aufwuchs wieder. Die Verehrung die Pici oft für ihren Vater zum Ausdruck brachte, nahmen mich sofort für ihn ein und das harmonische Familienleben stand mir bildhaft vor Augen. Aber auch der Mut mit dem die Familie den zunehmenden Anfeindungen begegnet nötigte mir Respekt ab und so war es nur zu natürlich, dass ich den Tränen nahe war, als Pici berichtete wie ihre Familie den Gaskammern zum Opfer fielen. Das einzige was mir das Leben erschwerte waren die vielen ungewohnten Namen und die Verwandtschaftsverhältnisse. Manchmal kam ich nicht ganz hinterher wer, wer war, zumal viele noch einen Kosenamen hatten, bei dem sie gerufen wurden. Die Bilder aus Picis Leben wiederrum halfen mir ein bisschen, wenigstens mir ihre Geschwister und Eltern vorstellen zu können. Damit wurden die Personen von denen berichtet wurde, weniger plastisch und für den Leser sehr viel realer.
Obwohl über 70 Jahre vergangen sind, machen die Gräueltaten betroffen und man mag nicht glauben, dass solch ein herzloser Umgang mit anderen Menschen möglich war. Aber damit genau das nicht aus den Köpfen der Menschen verschwindet, braucht es noch mehr Juden wie Pici, die erzählen, bevor es zu spät ist und alles dem Vergessen anheimfällt. Ich möchte Robert Scheer für die Bereitstellung des Buches zur Rezension danken und das er seine tolle Großmutter mit uns allen teilt und ihr damit ein kleines Denkmal setzt. Danke dass ich eine wundervolle Frau durch diesen Bericht kennenlernen durfte.