Cover des Buches Der letzte Satz (ISBN: 9783446267886)
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Rezension zu Der letzte Satz von Robert Seethaler

Ein letzter Blick

von pawlodar vor 4 Jahren

Kurzmeinung: Interessanter neuer Seethaler, weil eine reale Persönlichkeit als Hauptfigur fungiert.

Rezension

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pawlodarvor 4 Jahren

Ein neuer Seethaler, diesmal nicht mit der Hauptfigur eines scheinbar bedeutungslosen Menschen wie etwa der Trafikant oder Andreas Eggers, sondern mit einer realen Persönlichkeit der vorletzten Jahrhundertwende.

Der Autor begleitet den sterbenskranken Gustav Mahler auf seiner letzten Seereise auf dem Rückweg von New York. Der uralte Topos des 'vita navigatio' kommt zur Anwendung, denn die Tage auf See lassen die Biographie des Musik-Titanen Revue passieren. Es wird deutlich, dass Siege und Niederlagen sich durchaus die Waage halten: anerkannt, respektiert, bewundert als genialer Komponist und Dirigent, aber lange Zeit angefeindet wegen seiner jüdischen Herkunft, gefangen in seiner Verfallenheit an seine Ehefrau Alma, die sich bereits zu seinen Lebzeiten von ihm abwendet, von schwächlichster physischer Konstitution, die er durch seine übermenschliche Willenskraft zu kompensieren weiß.

Die einzelnen Aspekte dieses Lebens kommen in Seethalers Roman jedoch höchst unterschiedlich zum Tragen. Während Almas dämonische Natur, in der Realität jedem Kenner der Biographie vertraut, hier nur sehr abgeschwächt, blass repräsentiert wird, sind die Darstellungen von Mahlers Schaffensrausch, die eigentümliche Umsetzung von Naturerleben in Musik, von betörender sprachlicher Intensität.

Seethaler verdeutlicht die Befindlichkeit des Komponisten durch eine Vielzahl von Symbolen. Ein altes Dirigierpult, ein Wanderstock, die fliegenden Fische, der fiktive weiße Vogel, der auf Mahlers Sterben hinweist - die Darstellung, die Beschreibung ist zumeist von bestechender Genauigkeit.

Ein weiterer Kunstgriff, der nur überzeugend genannt werden kann, ist die Gegenüberstellung des zutiefst reflektierten Musikers mit dem allein seiner spontanen Menschlichkeit verpflichteten Schiffsjungen: anders als die übrige Umwelt, die im Umgang mit Mahler von den eigenen Ansprüchen nicht Abstand nehmen wollen, ist der Junge in der Lange, dem Kranken vollkommen offen gegenüberzutreten, sich wirklich auf ihn und seine Bedürfnisse einzulassen. Durch den Schluss des Romans wird deutlich, dass diese Begegnung auf den jungen Seemann einen tiefen Eindruck hinterlassen hat.

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