Robert Graves (oder Robert von Ranke Graves) kann getrost als eine Patengestalt des historischen Romans gesehen werden. Sein 1934 erschienener Roman "I, Claudius" (und die Fortsetzung "Claudius The God") gelten als unverrückbare Eckpfeiler des Genres und manch ein berühmter Autor historischer Novellen würde in einer ruhigen Minute vermutlich Graves als seine Inspirationsquelle zitieren.
"Sieben Tage Milch und Honig" ist in 1949 erschienen. Der Originaltitel lautet "Seven Days In New Crete" (obwohl das Buch im selben Jahr in Amerika unter dem etwas spannenderen Titel "Watch the North Wind Rise" herauskam). Graves´ Blick richtet sich diesmal nicht in die Vergangenheit, sondern in eine Zukunft. Die Geschichte beginnt mit einer Zeitreise, doch es wird schnell klar, dass dies keine Science-Fiction-artige Zeitreise ist, sondern lediglich ein McGuffin, um eine faszinierende Betrachtung in Gang zu setzen.
Der Ich-Erzähler findet sich in einer utopischen Welt wieder. Wir begegnen einer recht altmodischen Zivilisation, die lose auf hellenistischen Idealen aufgebaut ist - zumindest soweit diese den Bewohnern von "Neu-Kreta" überliefert worden sind. Das Gemeinwesen ist stark feministisch und durchdrungen von interessanten Alltagsriten.
Die Gesellschaft auf Neu-Kreta ist in einem Kastensystem organisiert. Allerdings wird man in dieses System nicht hineingeboren, sondern entscheidet sich für eine der fünf Kasten und verbleibt in dieser bis ans Ende des Lebens (Graves lässt Veronica Roth grüßen).
Die Neukretische Kultur birgt viele faszinierende Entdeckungen. So gibt es hier zwar Konflikte, doch keine Kriege. Als Ersatz für den Krieg betreibt man einen sportlichen Wettkampf, der zwischen beiden Konfliktparteien ausgetragen wird. Doch es dauert nicht lange und der Ich-Erzähler beginnt die erste Risse in der utopischen Fassade zu entdecken. Und dann geschieht auch noch ein Mord...
"Sieben Tage Milch und Honig" ist ein Kultbuch für Graves-Fans und ein Muss für die anspruchsvolleren Freunde der Phantastik. Der Roman provoziert auf jeder Seite mit neuen sozialen, ökonomischen, philosophischen und humanistischen Ideen. Und das ist schließlich eine der ursprünglichsten Aufgaben eines belletristischen Werks: Den Leser mit neuen Ideen zu konfrontieren und einen inneren Dialog in Gang zu setzen.
Der Roman ist eindeutig nichts für jene, die "action" oder starke Gefühle suchen. Doch wer die Bücher von Haruki Murakami oder Paul Auster mag, könnte in diesem Werk ein echtes Juwel entdecken.
Robert von Ranke Graves
Alle Bücher von Robert von Ranke Graves
Sieben Tage Milch und Honig
Ich, Claudius, Kaiser und Gott.
Griechische Mythologie
Goodbye to All That
Strich drunter!
Ich Claudius Kaiser und Gott -1976
Neue Rezensionen zu Robert von Ranke Graves
Der englische Dichter mit deutschen Wurzeln (entfernt verwandt mit dem Historiker Leopold von Ranke) erzählt auf eine wirklich beeindruckend nüchterne und unideologische Weise von den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg, und dann vom Großen Krieg selbst.
Das Leben in den Schützengräben wird gerade durch die kleinen, sinnlichen Details unmittelbar spürbar. Kein Waffenklirren in der Sprache, sondern eine feinfühlige Aufarbeitung des tiefgreifendes Schocks, den seine ganze Generation erlitten hat.
Ranke-Graves gehört zu den britischen Dichtern, deren Kriegsgedichte heute noch in England gelesen werden. Dennoch hat es zehn Jahre gebraucht, bis er diese "Abrechnung" schreiben konnte - die Erstausgabe erschien 1928. Auch die Jahre nach dem Krieg sind geprägt von den körperlichen und seelischen Verwundungen, von denen er mit dem britischen Understatement (stiff upper lip) berichtet.
Das Buch ist in Großbritannien und den USA ein Klassiker der Literatur zum Ersten Weltkrieg, und es ist wirklich bedauerlich, dass die Rowohlt-Ausgabe so gut wie verschollen ist.
Tolles Buch, ich habe es wirklich gern und mit Vergnügen, Entsetzen und Ehrfurcht gelesen.
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Zusätzliche Informationen
Robert von Ranke Graves wurde am 24. Juli 1895 in Großbritannien geboren.
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