‚Es ist eben so, daß man hier nur sterben lernt.‘ (Seite 36)
Roberto Saviano erzählt in seinem Buch ‚Gomorrha‘ von Designerkleidung und Fakes, Technik und China, Paolo Di Lauro und Spitznamen, Via Baku und Drogenhandel, Marihuana und Kokain, Cobret und Viale della Resistenza, Gewalt und Gegengewalt, Folter und Morden, Frauen und mesata, Kalaschnikow und Beretta, Angst und Respekt, Religion und Familie, Giftmüll und Feuerland.
Dieses Buch stand schon jahrelang ungelesen in meinem Regal. Da ich gerade in Napoli war und mich richtig in die Stadt verliebt habe, wollte ich mehr über die Camorra erfahren und habe endlich dieses Buch gelesen.
Saviano berichtet detailreich und erzählt lebendig, und sein Buch liest sich wie ein Krimi. ‚Gomorrha‘ ist spannend, dabei fundiert und flüssig lesbar.
Saviano macht in seinem Buch nicht nur die Machenschaften, sondern auch die Reichweite der Camorra deutlich: Diese beschränkt sich natürlich nicht auf Napoli oder Italien, sondern operiert weltweit.
Mich hat dieses Buch sehr begeistert und mir die Geschichte Napolis, die eng mit der Camorra verbunden ist, noch einmal näher gebracht.
‚Du weißt nicht, ob du deine Angst zeigen oder aber sie verstecken sollst, ob du übertreibst oder die Gefahr unterschätzt. Man hört keine Alarmsirenen, sondern erhält die widersprüchlichsten Informationen. Es heißt, im Krieg der Camorra brächten sich zwei Banden gegenseitig um. Aber niemand weiß, wo die Grenze verläuft zwischen dem, was ihnen gehört, und dem, was ihnen nicht gehört.‘ (Seite 114)
Roberto Saviano
Lebenslauf
Die schmerzhafte Wahrheit: Roberto Saviano wird 1979 in Neapel geboren und beginnt an der dortigen Universität Neapel Federico II. ein Studium der Philosophie, das er mit Diplom abschließt. Bereits in seiner Jugend macht Saviano Erfahrungen mit den Mitgliedern des Camorra-Clans, als sein Vater in den 80er Jahren von ihnen angegriffen wird.
Sein 2006 veröffentlichtes erstes Buch »Gomorrha« (orig. »Gomorra – Viaggio nell’impero economico e nel sogno di dominio della camorra«) beschreibt in einer Mischung aus Roman und Reportage das organisierte Verbrechen in Neapel und erregt dadurch großes Aufsehen. Es wird in über 50 Länder und mehr als 10 Millionen Mal verkauft, der Autor wird mit diversen Preisen ausgezeichnet, darunter der Premio Viareggio. »Gomorrha« ist zudem die Vorlage für den gleichnamigen Film von 2008 und die Serie von 2014.
Auch in seinen anderen Büchern scheut der Autor nicht vor harten Themen zurück. Schockierende, aber erfolgreiche Werke sind beispielsweise »Das Gegenteil von Tod«, das mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wird, »Zero Zero Zero – Wie Kokain die Welt beherrscht« oder »Die Lebenshungrigen«.
Neben seiner Arbeit als Schriftsteller ist Saviano Mitglied des „Osservatorio sulla Camorra e l’Illegalità“ und arbeitet für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften.
Alle Bücher von Roberto Saviano
Gomorrha
Der Clan der Kinder
Erklär mir Italien!
ZeroZeroZero
Falcone
I'm Still Alive
Treue
Die Schönheit und die Hölle
Neue Rezensionen zu Roberto Saviano
Die Mafia: geheimnisvoll und grausam, die Frauen darin Objekte und Besitz der tonangebenden Männer.
Roberto Saviano gewährt Einblicke in eine Parallelwelt, deren Strukturen und Gesetzmäßigkeiten aus einer anderen Zeit stammen. Eins wird in den vielen Kurzbiografien klar, es gibt kein Entkommen. Mir stockte der Atem anhand der Finsternis und Grausamkeit, die Saviano hier beschreibt. Er erzählt sehr emotional und öffnet sein umfangreiches Wissen dem Leser.
Wer sich für die Mafia interessiert, hat hier eine sehr spannende Lektüre vor sich. Und es wird klar, dass der Autor einen sehr hohen Preis dafür bezahlt, dieses Wissen zu teilen.
Unbedingte Leseempfehlung
In seinem neuesten Buch über die Mafia „Treue“ gewährt uns Roberto Saviano, einer der besten Kenner der Mafia einen Blick auf ein wenig beachtetes Thema: auf deren Frauen. Dabei meint er nicht nur die Ehefrauen, sondern auch Mütter, Töchter und Geliebte. Allerdings enthält dieses Buch zwar zwölf Geschichten über zwölf Frauen und deren Schicksale, ist aber kein Buch über Frauen als Patinnen, auch wenn das eine oder andere Mal eine Frau für eine kurze Zeitspanne, wenn der eigentliche Clanchef verhindert ist, die Zügel in der Hand hält.
Saviano schreibt über extremes Patriarchat, in dem Frauen keine Rechte sondern nur Pflichten haben, wie zum Beispiel möglichst viele Söhne zu gebären. Und es geht immer um Ehre und Treue. Daher, so der logische Schluss, verdient ein Homosexueller keinen Respekt und kann kein Anführer sein.
Saviano führt stellvertretend für die vielen Frauen, die dem extremen Ehrencodex der Mafia unterworfen einige plakative Beispiel an.
Schon der Einstieg ist fesselnd: Lou, ein notorischer Spieler, setzt seine Ehefrau als Spieleinsatz, verzockt sich (natürlich) und muss die Wettschuld einlösen, also seine Frau, nicht er. Die kontaktiert nach dieser gewalttätigen Nacht ihren Bruder. Das Urteil ist schnell gefällt: Lou ist unzuverlässig, wenn einer seiner eigene Ehefrau verkauft, verkauft er das nächste Mal geschäftliche Interna, also muss der gleich mehrfach treulose Lou weg.
Hier geht es nicht um die Ehre der Frau, sondern um die pure Ehre, um die Eier, um Respekt und um die Macht.
Da ist z. B. Vincenzina Marchese, deren erzwungene Heirat mit einem Vertreter aus einer rivalisierenden Mafiafamilie, den Frieden besiegeln soll. Nun ähnlich dynastisches Denken kennt man aus dem Adel. Berühmtes Beispiel ist die Hochzeit von Napoleon mit Marie Louise, der Tochter des unterlegenen Kaisers von Österreich, die den Freiden sichern soll. Vincenzina wird sich nach mehreren Fehlgeburten erhängen, weil sie ihrem ureigensten Zweck, gesunde Söhne zu gebären, nicht entsprechen kann.
Man kann das Leben der Frauen ganz einfach zusammenfassen:
„Ob Ehefrau, Tochter, Schwester, Geliebte, Freundin, Verwandt: Es gibt keine weibliche Existenz, die nicht von einem Mann abhängt und nicht in einer Beziehung zu einem Mann steht. Solange diese Beziehung besteht - in der Zeit, in der die Frau die Kingheit hinter sich lässt und als erwachsenes Wesen angesehen wird -, besteht die konkrete Gefahr, dass sie zur Beute eines unerwünschten Mannes wird.“ (S. 108)
Manchmal begibt sich eine Ehefrau und Mutter in die Höhle des Löwen, wie Teresa Managò, die nachdem ihr Ehemann ermordet worden ist, sich unter den den Schutz des Mörders stellt, um ihre Kinder zu schützen. Hilft das?
Andere wie Anna Carino, übernehmen interimistisch die Familiengeschäfte, während ihre Männer in Haft sind. Allerdings gibt es dann auch jene, die dann auspacken, wenn sie von der heimlichen Geliebten erfahren.
Roberto Saviano ist einer, der wohl am besten über die Mafia Bescheid weiß. Mit seinem Buch über den ermordeten Richter und Mafiajäger Giovanni Falcone (1939-1992) hat er weltweites Aufsehen erregt. Der Preis, den er dafür bezahlen muss, ist gewaltig. Seit Jahren lebt er unter Polizeischutz.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem mutigen Buch, das uns Einblicke in weibliche Schicksale der männlich dominierten Welt der Mafia gibt, 5 Sterne-
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