Cover des Buches Diener der alten Macht (ISBN: 9783764532031)
Rezension zu Diener der alten Macht von Robin Hobb

Absolutes Jahreshighlight #1

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Es war, als hätte Robin Hobb meine Idealvorstellung von einem Fantasybuch genommen und aufgeschrieben.

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 5 Jahren

Heute gibt es einen Liebesbrief. Well … – No. Das wird kein Liebesbrief, denn dann könnte ich ja meine Gefühle in Worte packen, aber das kann ich nicht. Nichts, was ich schreib, wird diesem Buch gerecht. So.

Ich habe nach langen Jahren der teils unbefriedigenden Jugendbuchliteratur DEN Roman gefunden, der alle Elemente besitzt, die ich schon immer mal in einem Buch sehen wollte. Robin Hobb ist eine US-amerikanische Fantasyautorin, die mit ihrer Figur Fitz einen Protagonisten nach meinem Geschmack geschaffen hat. Und das darf man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine weibliche High-Fantasy-Autorin, die es an die Weltspitze geschafft hat. Und ihre Bücher gibt es nicht erst seit gestern. Ihre Weitseher-Reihe erschien bereits 1995 und wurde in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Ein bisschen unkonventionell habe ich in der Mitte der Reihe angefangen zu lesen. Wobei ich Reihe nochmal klar stellen sollte: Es handelt sich um zwei Trilogien, zwischen denen 15 Jahre liegen. Die Chroniken der Weitseher (Die Gabe der Könige, Der Bruder des Wolfes, Das Erbe der Schatten) beginnen die Geschichte von Fitz, dem Bastard, zu erzählen und in Das Erbe der Weitseher (Diener der alten Macht, Prophet der sechs Provinzen, Beschützer der Drachen) wird die Geschichte um Fitz fortgesetzt, zwischen den Trilogien sind aber 15 Jahre vergangen.

Ich habe mich also zu der ersten Trilogie ein bisschen gespoilert, als ich mit Diener der alten Machtangefangen habe, aber da diese Welt so komplex und umfangreich ist, habe ich das meiste schon wieder vergessen und KANN ES NICHT ABWARTEN DIE GABE DER KÖNIGE ZU BEGINNEN! Denn diese Buchreihe ist grandios; wahnsinnig gut; mein Heiliger Gral.

Worum gehts

Fitz und sein Wolf leben abseits des höfischen Lebens in einer bescheidenen Hütte, zusammen mit ihrem Ziehsohn Harm. Sie haben sich vom Königshaus Weitseher und seinen Intrigen, von den Kämpfen, dem Hass und dem Tod, der damit einher geht, angewandt und wollen ihr Leben in Frieden verbringen. Doch als vom Narren ausersehener Katalyst kann sich Fitz nicht vor der Welt verstecken und bald liegt es an ihm, seine einzigartigen Gaben zu nutzen, um den jungen Prinzen Pflichtgetreu zu finden, der spurlos verschwunden ist. Gerade dann, als ein Bündnis mit den roten Korsaren durch seine Heirat besiegelt werden soll …

Meine Meinung

Diese Inhaltszusammenfassung mag an erster Stelle verwirrend klingen, tatsächlich habe ich aber keinerlei Probleme mit dem Einsteig in diese Reihe gehabt. Bevor die versprochene Handlung beginnt, werden 300 Seiten darauf verwendet Fitz und sein Leben vorzustellen, man folgt ihm in seinem Tagesablauf, lernt ihn und den Wolf Nachtauge kennen und erfährt auch durch Besuche anderer wichtiger Figuren, was im Groben zuvor passiert ist. Ich empfand diesen Einstieg als sehr sanft und schlau, man wird noch nicht mit großen Taten konfrontiert, sondern sieht die Folgen dieser und lernt, dass Fitz und der Wolf alt geworden sind. Zumindest körperlich. 35 ist nun wirklich kein „altes“ Alter, aber in der Summe dessen, was Fitz und sein Wolf in den drei Büchern davor erlebt haben, schon. Versehrt fristen sie ein friedliches, einsames Leben bis sich plötzlich die Besucher bei ihnen häufen und Fitz sich gezwungen sieht, zu handeln.

Rückblickend passiert in diesem fast 900 Seiten starken Buch recht wenig. Ich hatte wesentlich mehr Handlungen und Wendungen erwartet, kann aber auch nicht sagen, dass ich enttäuscht worden bin. Eher im Gegenteil. Fitz ist ein Protagonist geworden, der seine Stärken und Schwächen genau kennt, der weiß, was er kann und was er zu riskieren bereit ist und somit hat man einen sicheren Protagonisten zur Hand, der nicht erst seinen Weg finden muss. Obwohl Fitz bereits ein gefestigter Charakter ist, heißt das nicht automatisch, dass er sich nicht mehr entwickelt. Tatsächlich lernt er sehr viel über sich selbst in diesem Buch und merkt, dass seine einstige Vorstellung vom ruhigen Leben nicht mehr passt. Die recht simple Handlung wird durch die wunderbare Beleuchtung von Figurenkonstellationen und -beziehungen gestützt, man wird Zeuge von wunderbarer Freundschaft und auch einigen Freundschaften, die ich nicht so nennen würde. Fitz hat in seinen Jahren im Dienst der Krone interessante, lebenswichtige, aber nicht immer gleichberechtigte Beziehungen geschlossen und gerade das fand ich als „Außenstehende“ sehr spannend zu betrachten. (Ich bin kein Fan von Chade.)

An sich wird Fitz in diesem Buch inkognito wieder an den Hof von Königin Kettricken (weibliche Herrscherin, YES!) gerufen, um in aller Heimlichkeit das Verschwinden des Kronprinzen zu untersuchen. Denn zu einem politisch schlechteren Zeitpunkt hätte er nicht von der Bildfläche verschwinden können, durch seine Heirat soll der Frieden mit den roten Korsaren endlich gefestigt werden. Aber das geht nicht, wenn der Bräutigam nicht da ist. Fitz und der Narr machen sich zusammen mit der Jagdmeisterin der Königin auf die Suche und decken dabei eine weit schwerwiegendere Verschwörung auf, die falsch behandelt, das Reich in einen Bürgerkrieg stürzen könnte.

Gewalt, Fallen stellen und das Brechen von Tabus schreckt die Antagonisten dabei nicht ab und mehr als einmal habe ich eine Gänsehaut bekommen, wenn ich darüber nachgedacht oder auch nurspekuliert habe, was passiert, bzw. passieren könnte. Man erfährt mehr über die Aspekte der Gabe und der alten Macht, all das Wissen, das Fitz in den letzten Jahren gesammelt hat, kommt hier nun zum tragen und das Weltenbauherz in meiner Brust ist förmlich explodiert, so grandios fand ich das alles.

Nun noch ein paar meiner liebsten Aspekte des Buches: Wer Katzen mag, wird hier Spaß haben. Und sich eventuell etwas gruseln. Ich habe bisher noch keine so realistische – und gruselige – Darstellung von Katzen in Büchern gelesen, wie in diesem hier. Diskriminierung mausert sich zum wichtigsten Bestandteil der Handlung, und auch, wenn ich mit der Bezeichnung und der damit verbundenen Vorstellung der Antagonisten nicht ganz einverstanden bin (es wird sich auf eine bestimmte Hauterscheinung bezogen), hat die Autorin das Pro und Contra beider Seiten sehr gut gehandhabt, es wird klug argumentiert, es gibt kein Gut oder Böse. Ich mag es immer sehr, wenn Handlungen von das-Falsche-aus-den-richtigen-Gründen-tun inspiriert werden.

Ohne jetzt noch ewig abschweifen zu wollen – was ich allerdings könnte – kann ich nur sagen, dass dieses Buch aktuell mein Jahreshighlight ist. Vielleicht ist Robin Hobbs Welt nicht so originell, wie die von Patrick Rothfuss in Der Name des Windes oder ihre Figuren so divers wie bei Cassandra Clare, aber für mich und meine persönlichen Vorlieben war es perfekt. Fitz ist eine friedliche Figur, die von tiefem Ehrgefühl motiviert wird, aber auch austeilen kann und nicht Angst davor hat, seine Fähigkeiten zu nutzen. (Er wurde als Junge zum Assassinen ausgebildet.) Er ist ein stiller Held, der alles für sein Königreich hergegeben hat. Diese Aufopferungsbereitschaft beeindruckt mich tief und ich bin SO gespannt zu lesen, wie Fitz‘ Reise begonnen hat.

Es war, als hätte Robin Hobb meine Idealvorstellung von einem Fantasybuch genommen und aufgeschrieben.

Nur eben schon 14 Jahre bevor ich überhaupt lesen konnte und wusste, was meine Idealvorstellung sein würde. Also – Lest dieses Buch, wenn ihr auf kluge High Fantasy steht.

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