Rezension zu "Narren, Schwindler, Unruhestifter" von Roger Scruton
Vielmehr ist man dann "eine Krankheit, die gemieden werden muss". Linke haben grundsätzlich immer recht, denn sie stehen für das Gute, den Fortschritt und soziale Gerechtigkeit. Und wer nicht für sie ist, ist gegen sie und muss bekämpft werden. Westliche Linke kämpfen immer, und wenn sie etwas erreicht haben, dann eskalieren sie weiter. Der Kapitalismus ist das Objekt ihres absoluten Vernichtungswillens.
Moderne westliche Linke, denen das Proletariat schon lange abhandengekommen ist, gehen in der Gegenwart systematisch gegen alle Institutionen vor, die sie als Mittel zur Herrschaft des verdorbenen Kapitalismus ausgemacht haben: Sprache, Familie, Eigentum, Sitten, Hierarchien, Institutionen. Erst einmal muss alles zerstört werden, damit das Reich der Gleichheit und Gerechtigkeit entstehen kann, dessen praktische Beschreibung sie einem stets vorenthalten. Sie wissen schlicht nicht, wie ihr Paradies funktionieren soll.
Ich bin mit solchen Theorien aufgewachsen, habe sie in der Schule und im Studium lernen müssen, und mich immer gefragt, warum die sozialistische Praxis völlig anders aussieht. In Westeuropa distanzierten sich linke Theoretiker relativ schnell vom Stalinismus. Schon zu Lebzeiten des großen Diktators entstand die sogenannte Frankfurter Schule, die noch heute linkes Denken stark beeinflusst. Meine Versuche, einige dieser Theoretiker verstehen zu wollen, scheiterten schnell. Bei Habermas dauerte der Versuch zugegeben nicht lange. Tautologische Endlosspiralen ohne eine wirkliche Erkenntnis (wie auch?) und ohne praktischen Nutzen ermüden schnell. Man kann sich dann entscheiden, ob man sich selbst für blöd hält, oder ob man dem naheliegenden Gedanken folgt, dass unverständliches Geschwafel auf einen zu klaren Formulierungen unfähigen Geist schließen lässt.
Es ist deshalb tröstlich, dass es dem Autor dieses Buches völlig ähnlich erging. Scrutons Buch ist jedoch auch nicht leicht lesbar, da der Autor versucht, den grundsätzlichen Unfug dieser Abhandlungen deutlich zu machen und dabei zwangsläufig in ihn eintauchen muss. Einerseits lohnt sich das nicht und andererseits muss es irgendwer dennoch machen, weil man dieses Zeug nicht unwidersprochen hinnehmen kann. Es lohnt nicht, weil alle die in diesem Buch beschriebenen Theorien, keinerlei praktische Erkenntnisse hervorbringen. Und es lohnt vor allem nicht, weil Linke gar nicht diskutieren wollen. Sie haben immer recht, denn sie stehen auf der Seite des Guten. Das klingt nicht nur primitiv, sondern ist tatsächlich ihre Haltung.
Sie fangen Menschen mit Phrasen von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit. Und sie scheitern sofort, wenn man sie nach der praktischen Ausgestaltung einer entsprechenden Ordnung befragt. Warum ist das so? Linke verstehen grundsätzlich menschliches Verhalten nicht. Sie begreifen nicht, dass alles, was sie erst einmal auf dem Weg in ihr Paradies zerstören wollen, nicht von irgendwelchen Bösewichten installiert wurde, sondern sich aus menschlichem Verhalten ergeben hat. Und sie kapieren nicht, wie Wirtschaft funktioniert, denn auch sie entsteht schließlich aus menschlichem Streben. Ihr Paradies der Gleichheit ist so etwas wie die Inkarnation der Urgemeinschaft. So habe ich das auch im Studium des "wissenschaftlichen Kommunismus" gelernt.
Inzwischen jedoch sind wir in einer komplexen Arbeitsteilung angelangt, also einer Organisationsform, die rein gar nichts mehr mit der Urgemeinschaft zu tun hat. Das jedoch ist für Linke kein Argument. Und es ist auch keines für Menschen, die mit linkem Gedankengut sympathisieren, denn offenbar ist die Urgemeinschaft tief in unserer DNA verwurzelt und scheint deshalb immer noch ein erstrebenswertes Ziel zu sein. Wie eine solche Gemeinschaft absolut Gleicher (was immer das auch heißen mag) funktionieren soll, bleibt unerklärt.
Wenn man sich also die Mühe macht, dieses Buch zu lesen, dann braucht man viel Durchhaltevermögen. Es ist nicht einfach lesbar und ohne praktischen Nutzen, einmal abgesehen von der Erkenntnis, dass Linke nicht gewillt oder fähig sind, eine praktisch durchführbare Alternative zum von ihnen gehassten Kapitalismus aufzuzeigen. Bislang endeten solche Versuche immer in Gewalt, Unterdrückung und wirtschaftlichem Niedergang. Das ist, siehe oben, keineswegs ein Zufall, auch wenn Linke stoisch behaupten, dass alles wäre kein richtiger Sozialismus gewesen.
Doch er war es. Linkes Gedankengut führt praktisch umgesetzt immer in die Knechtschaft der Umerziehung, weil die Menschen einfach nicht so sind, wie Linke sie haben wollen. Versucht man, einige der in diesem Buch diskutierten Theorien zu verstehen, dann wird man genau damit überall konfrontiert. Scruton fasst diese Erkenntnis am Ende seiner Texte sehr gut zusammen.
Vorher befasst er sich mit Hobsbawm, Thompson, Galbraith, Dworkin, Sartre, Foucault, Habermas, Althusser, Lacan, Deleuze, Gramsci, Said, Badiou und Zizek und vielen anderen dieser Genossen. So kommen im Kapitel über Habermas auch Adorno und Lukasz vor. Wer sich die Mühe machen möchte, die Gedankengänge dieser Herrschaften verstehen zu wollen, ist bei diesem Buch gut aufgehoben. Allerdings ist mir nicht wirklich klar geworden, für wen Scruton es wirklich geschrieben hat. Linke werden es verfluchen, und alle anderen haben Besseres zu tun, als sich mit der Wirrnis linken Denkens zu befassen.