Cover des Buches Das Hohe Haus (ISBN: 9783596198108)
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Rezension zu Das Hohe Haus von Roger Willemsen

Wenn Abgeordnete die Politik trollen....

von Flamingo vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Ich vergebe unterhaltsame fünf Sterne. Mir ist ein Rätsel, wieso Dennis Scheck das Buch als langweilig in die Tonne schmiss.

Rezension

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Flamingovor 8 Jahren

"Ein ganzes Jahr lang verfolgt Roger Willemsen von der Zuschauertribüne aus die Sitzungen des Deutschen Bundestages."

Man ahnt, selbst ohne viel von deutscher Tagespolitik zu wissen, dass nun kein Lobgesang auf die von uns gewählten Abgeordneten folgt. Was aber folgt, ist ein "messerscharfer Blick hinter die Kulissen" (DER SPIEGEL).

Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und so ganz nebenbei, aber sicherlich nicht unbeabsichtigt, war es auch sehr informativ. Wieso Denis Scheck das Buch als "langweilig" in die Tonne kloppt, sagt mehr über Denis Scheck aus als über Willemsens Buch.

Ich habe die Taschenbuchausgabe gelesen, die am Ende noch ein sehr interessantes Nachwort des Autors enthält.

Willemsen schreibt sehr unterhaltsam und informativ, ohne je ins Anspruchslose zu verfallen. Manch einer mag ihm ob seiner Benutzung von Fremdwörtern wohl auch Selbstverliebtheit vorwerfen; ich denke aber, es sollte mehr Autoren wie Willemsen geben. Er zeigt Zusammenhänge auf und nimmt dem sog. "Hohen Haus" jede potentielle Magie. Die zynische Haltung von Abgeordneten gegenüber Armut, Kriegen und z.B. den NSU-Morden bleibt immer erschreckend. Was auch bleibt ist der Eindruck, dass nur wenige Abgeordnete nicht an dem Schmierentheater "Parlamentssitzung" teilnehmen. Und auch wenn Demokratie transparent sein sollte (mal zu den geheimnisvollen TTIP-Sitzungen wink), auf mich machen im Nachgang Parlamentssitzungen einen überflüssigen Eindruck. Erschreckend ist das Verhalten fast aller Beteiligten, kaum einer kommt gut weg. Und wenn eine Partei wie die FDP bei der #EheFürAlle gegen die eigene Linie abstimmt, wenn eine Frauenministerin gegen Frauen abstimmt...dann kann man Politikverdrossenheit schon verstehen.

Ich finde es übrigens völlig in Ordnung, dass Willemsen bei seiner reinen Beobachtung der Parlamentssitzungen bleibt. Er schreibt ja mehr als einmal, dass die eigentliche Politik in Ausschüssen stattfindet. Mir fehlte mehr dazu in diesem Buch nicht.

Das einzige was mich so ein bisschen gewurmt hat, ist das auch ein Feminist wie Roger Willemsen sich der Bedienung von Klischees nicht erwehren kann. Die Kleidung der weiblichen Abgeordneten wird immer ausführlicher beschrieben als die der männlichen Abgeordneten, die Überraschung ist immer groß, wenn weibliche Abgeordnete eine gute Rede halten, wenn sie vollumfänglich informiert vor das Parlament treten und eine sachliche Diskussion führen. Die weiblichen Abgeordneten keifen oft, während die männlichen Abgeordneten lediglich poltern.

Als Fazit bleibt für mich: Abgeordnete der Opposition sind die Vorläufer von Internettrollen. Da soll man ja auch auf keinen Fall antworten :)
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