Cover des Buches Die Kunst des klaren Denkens (ISBN: 9783446426825)
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Rezension zu Die Kunst des klaren Denkens von Rolf Dobelli

Rezension zu "Die Kunst des klaren Denkens" von Rolf Dobelli

von Mario_Veraguth vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Gute, mitunter leider zu einseitig und denglisch formulierte Zusammenfassung bekannter Forschungsresultate

Rezension

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Mario_Veraguthvor 9 Jahren

Wo andere Autoren bereits mit einer Handvoll der angeschnittenen Themen, samt ausführlicher Betrachtung jedes einzelnen Aspekts, ein ganzes Buch zusammenstellen könnten, wird hier kurz und prägnant auf jeweils 3 Seiten das Wesentliche herausdestilliert und die Essenz verschiedener psychologischer und mit der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung in Zusammenhang stehender Phänomene erläutert.

Ein klein wenig lässt Dobelli teils sein konservatives Weltbild, wie am Einflechten von Bibelversen und Seitenhieben auf ihm weniger zu Gesicht stehende Überzeugungen demonstriert, einfließen und fokussiert alle Thesen auf sein ökonomisches Steckenpferd, ohne auf die soziokulturellen oder psychologischen Faktoren konkreter einzugehen. Was bei einem Unternehmer und Manager verständlich ist, wirkt sich aber teilweise auf die Erzählstruktur des Buches aus, was schade ist und die Wichtigkeit von Objektivität beim Verfassen von Werken betont. So werden die Theorien auch in einen Zusammenhang gestellt, in dem es sich primär um die mögliche Nutzbarmachung für Geschäfte und persönlichen Vorteil handelt und die übertrieben häufige Verwendung von englischen und französischen Namen hätte durch deutsche Entsprechungen ersetzt werden können. Einige der Fehler sind auch schlichtweg keine, sondern eher Tendenzen zur Eingleisigkeit, die aber erst abhängig von einem bestimmten Kontext in das Raster von richtig und falsch gepresst werden und nicht unter präventiven Generalverdacht gestellt werden können.

Die leider viel zu seltene Einbindung von Zeichnungen mit Widererkennungswert zur besseren Ankerung und Abheftung in den privaten Gedächtnisspeicher wird vorbildlich praktiziert. Vor jedem Kapitelchen ein subtiles Bild mit leicht bis kniffelig zu erratendem Themenbezug und mitunter eingebauter, kritischer Häme, was die Erkenntnisse modernen Hirnforschung und Ironie betreffend vorbildlich ist.

Einige der Sachverhalte kennt man als Interessierter bereits, sei es das Suchen von Fehlern bei sich selbst; die Gefahr von Selbstüberschätzung; Verstand vor Intuition zu gewichten; die stete Gefahr, durch gutgemeinte Taten schlimme Konsequenzen heraufzubeschwören; die kurze Halbwertszeit des Glückseffekts von Geld und Erfolg; dass Passivität verheerender wirkt als falsche Entscheidungen, aus denen man lernen kann; die Auswirkungen von Kollektivismen wie Gruppenfaulheit, -Druck und –Zwang; die Durchleuchtung und präventive Erkennung oberflächlichen Charmes und gefinkelter Werbestrategien mit allen Wassern gewaschener Verkaufsprofis; sich bei wesentlichen Entscheidungen niemals von Bauchgefühl und Emotion, sondern immer von Ratio und kühler Überlegung leiten zu lassen und die mentale Infektion mit überzogener Angst vor Verlust und allzu enthusiastischer Begeisterung zu vermeiden.

Wie im Denglischen Sprachraum leider immer häufiger anzutreffen, werden aus mitunter seit Jahrhunderten bekannten Tatsachen plötzlich mit Fremdsprachen hausierte, möglichst knackige Namen wie „The Survivorship Bias, Swimmer´s Body Illusion, Overconfidence Effekt, Sunk Cost Fallacy, Confirmation Bias, Authority Bias, Availability Bias, Incentive Superresponse Tendenz, Outcome Bias, Liking Bias, Endowment Effekt, Neglect of Probability, Zero-Risk Bias, Base-Rate Neglect, Social Loafing, Winner´s Curse, Halo Effect, Conjunction Fallacy, Hyperbolic Discounting und Action-, Omission-, Self-Serving-, Self- Selection- und Association Bias“.

Selbst die Sprachkenntnisse vorausgesetzt stellt sich mitunter Unübersichtlichkeit ein, da es sich um Sinnbilder für die Theorien handelt und vorausgesetzt wird, dass man die weiterleidenden Metaphern verinnerlicht hat, um zu wissen, worum es überhaupt geht, was unnötig verwirrend ist.

Viele der Fakten sind eindrucksvoller Beleg für die häufig zitierte Tatsache, dass sich der Mensch in den letzten 100.000 kaum merklich verändert hat und der in einen Anzug gesteckte, frisch rasierte und durch monatelange Knigge-Kursen auf die Assimilation vorbereitete und so blitzentprimitivierte Höhlenbewohner keinem vermeintlich modernen Zeitgenossen, der nur ein trügerisches Scheinbild von Zivilisation und Evolution abgibt, hinter dem sich erschreckende bis zum Schreien komische Abgründe auftun, auffallen würde. Nicht oft genug kann zur Drosselung des Egos und dem Glauben an die trügerische Überlegenheit des Menschen über seine tierischen und scheinbar abgelegten Wurzeln auf diesen Umstand hingewiesen werden.

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