Rezension zu "Gefangene der Festung" von Rolf Hentzschel
Der Autor Rolf Netzschel versetzt uns in dem Roman "Gefangene der Festung" in eine längst untergegangene Zeit vor und während des 1. Weltkrieges. Dies gelingt ihm jedoch so plastisch, dass ich mich als Leserin mitten in dem Geschehen wähnte.
Ort der Handlung ist das abgeschieden Dorf Palera in Österreich, nahe der italienischen Grenze. Die Bevölkerung des kleinen Ortes lebt in großer Armut. Die nächstgelegene Stadt besucht man nur zu besonderen Gelegenheiten. Viel zu beschwerlich ist der Weg dorthin. Doch ganz plötzlich soll sich das ändern.
Ein Auto quält sich über den unwegsamen Weg hoch in die Berge nach Palera. Schnell geht die Kunde durchs Dorf, dass eine richtige Straße ins Tal gebaut werden soll. Die Menschen habe schon den kommenden Wohlstand vor Augen, glauben sie doch, der Bau der Straße gälte ihrem persönlichen Wohl. Doch der Straßenbau ist erst der Anfang. Weiter oben wird die Festung "Martinella" errichtet. Die Verantwortlichen haben ganz andere Pläne. Der erste Weltkrieg wird vorbereitet und die Menschen träumen noch immer vom Wohlstand und einem guten Leben.
Diese Beschreibung erinnerte mich an den Bau der Hunsrückhöhenstraße quer durch den Hunsrück. Auch dort freuten sich die Menschen in den armen und abgelegenen Dörfern darüber, endlich mit Koblenz und anderen Städten verbunden zu sein. Doch der Bau der Hunsrückhöhenstraße diente dem Hitler-Regime nur dazu, in dem geplanten Feldzug gegen Frankreich die notwendigen Gerätschaften schnellstens in westliche Richtung zu verlegen. Auch da täuschte man die Bevölkerung über die wahren Absichten.
Durch den Bau des Forts "Martinella" kommen die Geschäftstüchtigen des Ortes tatsächlich zu einem bescheidenen Wohlstand. Wir lesen von Betrug und Gier - heimlich wird ohne Gewissensbisse wichtiges Baumaterial unter der Hand verhökert obwohl man weiß, dass dadurch die ganze Statik nicht mehr stimmig ist. In der Dorfwirtschaft sitzen von nun an nicht mehr nur Einheimische, sondern auch Ingenieure, Bauleiter und Bauarbeiter. Letztere, sie sprechen nicht mal die Sprache, hoffen ebenfalls in diesem Gebiet ihr Glück zu machen und genügend Geld für ein bescheidenes Leben zu Hause zu verdienen. Es gab schon immer Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihre angestammte Heimat verlassen mussten um das Überleben der Familie zu sicheren.
Irgendwann bricht der erste Weltkrieg auch über das kleine Dorf herein. Österreicher und Italiener stehen sich gegenüber, beschießen sich und ihre Festungen gegenseitig. Ein sinnloser und todbringender Weltkrieg bricht über die Bevölkerung herein.
Wer sich mit dem ersten Weltkrieg auch nur etwas auskennt weiß, welch harte Kämpfe sich in diesem Gebiet zwischen Österreich und Italien abspielten. All das wird von dem Autor aufgegriffen und dem Leser bildhaft vermittelt. Wie immer waren es die einfachen Soldaten, auf deren Rücken auch hier der Krieg ausgetragen wurde.
Es erweist sich bei den Kämpfen, dass das Fort Martinella äußerst stabil gebaut wurde. Und doch, ein Treffer führt zum Einsturz einer Decke und bringt die Lösung von Geheimnissen ans Tageslicht.
Erst viel später, der Krieg ist schon lagen vorbei, das ganze Gebiet gehört inzwischen zu Italien, kommen die ehemaligen Ingenieure und Bauherren wieder an den Ort ihres früheren Wirkens zurück, ihr ehemaliges Fort Martinella, das nur noch eine sinnlose Ruine ist, zu besichtigen und sich zu erinnern.
Das Buch ist ein fiktiver Roman und das Fort Martinella gab es in der Realität nie. Jedoch, genau so könnte es sich in Südtirol abgespielt haben. Am Ende des Buches gibt es ein Personenregister als auch eine Zeittafel, die beim Lesen sehr hilfreich sind. Die beigefügte Landkarte erleichterte mir die örtliche Orientierung. Sollte ich jemals an den Gardasee kommen, werde ich ganz sicher dieses Buch bei mir haben und einen Abstecher in die Berge machen. Wenn auch das Fort "Martinella" der Fantasie des Autors ensprang, so gibt es dort auch heute noch überall Relikte des ersten Weltkrieges, als auch andere Forts, die von den Kämpfen des ersten Weltkrieges Zeugnis ablegen.
Von mir gibt es eine ganz klare Empfehlung für dieses Buch, das mehr ist und nicht nur der Unterhaltung dient.