Cover des Buches Die Liebe einer Frau (ISBN: 9783865550699)
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Rezension zu Die Liebe einer Frau von Romain Gary

Rezension zu "Die Liebe einer Frau" von Romain Gary

von Wolkenatlas vor 15 Jahren

Rezension

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Wolkenatlasvor 15 Jahren
Die unerträgliche Traurigkeit der Liebe "Ich stieg aus dem Taxi, und sie lief in die geöffnete Wagentür: Brot, Eier und Milch fielen auf den Gehsteig - und so begegneten wir uns im Nieselregen ..." ... und so beginnt die Geschichte einer einzigen, sehr langen Nacht. Zwei aus verschiedenen Gründen leidende Seelen treffen sich, begünstigt durch Fortuna, und klammern sich manisch verwirrt aneinander. Keiner der beiden weiß, was ihm der Andere geben kann. Keiner der beiden ist frei für etwas Neues. Beide leben in einer anderen Welt und hoffen, durch eine verrückte Nacht, durch die Nähe, oder eine Umarmung, den kurzen Akt der Liebe mit einem ebenso untergehenden Anderen, den rettenden Strohhalm erwischt zu haben. Der Flugkapitän Michel, der seiner großen Liebe Yannik ein letztes Versprechen aus Liebe gegeben hat, das er nur mit der Hilfe Lydias halten kann. Auch Lydia, die ihr Kind und in gewisser Art und Weise auch ihren Mann verloren hat, braucht Michel. Beide wissen, dass es kein Morgen, keine Zukunft geben kann. Romain Gary hat mit "Die Liebe einer Frau" einen wunderbaren, kostbaren Roman über eine eigenartige und manische Art der Liebe geschrieben. Einen Roman, der vermutlich autobiografische Züge hat, der gewissermaßen ein Spiegel seiner Beziehung zu Jean Seberg ist, obschon Yannik garantiert nicht Jean Seberg ist und Michel sicherlich nicht Romain Gary. Die Zusammenhänge sind viel zu subtil, um sie als unbeteiligter Leser wirklich verstehen zu können. Jean Seberg verübte am Tag nach der Premiere der Verfilmung mit Romy Schneider und Yves Montand Selbstmord. Romain Gary folgte ihr anderthalb Jahre später. Michel versucht weiter, Paris und somit auch Yannik ihrem Wunsch gemäß hinter sich zu lassen, kehrt aber immer wieder zu Lydia zurück. Lydias Wohnung und Arme als Magnet und einzige Möglichkeit. "Es handelt sich vor allem darum, eine Frau zu retten, nicht wahr? Sie hat Ihnen gesagt: Mach mich zu einer anderen. Nicht wahr? Aber ich habe keine Lust, Ihnen nur zum Wiederkäuen Ihrer Erinnerungen zu dienen ... Ach, entschuldigen Sie. Ich weiß überhaupt nichts mehr ..." Beeindruckend, wie konsequent Romain Gary seine Handlung vorwärts treibt; das einzige Seitenthema mit dem todessüchtigen Senor Galba, dem Mann mit dem Pudel, entpuppt sich gegen Ende des Romans als ein weiterer roter Faden, der sich um das alles durchpflügende Thema Tod windet. "Auf Serbisch heißt der Tod smrt. Ich spreche sieben Sprachen, aber die Slawen waren es, die den besten Begriff dafür gefunden haben, mit dem treffendsten Klang ... smrt auf Serbisch, smert auf Russisch, smierc auf Polnisch ... schlangenhaft, reptilartig ... Bei uns im Westen klingt es immer so edel: der Tod, la mort, la muerte, Aber smrt ... Klingt es nicht wie ein erbärmlicher Furz, der sich an einem Bein entlangschleicht, giftiger als ein giftiger Skorpion? Ich finde, dass man im Allgemeinen dem Tod zu viel Ehre erweist." Lydia und Michel versuchen krampfhaft, die eigenen Leidensgeschichten loszuwerden; Lydia erfährt die Geschichte der großen Liebe Yanniks und Michels, während Michel die Wahrheit über Lydias Kind und Mann in einer beklemmenden und großartigen Szene in der Wohnung von Lydias Schwiegermutter erfährt. Man folgt gebannt Romain Garys die Verzweiflung der Protagonisten mehr als überzeugend vermittelnden fein instrumentierten Dialogen, merkt schnell, wie fest Romain Gary den Leser in der Hand hat und lässt sich in diesem Kammerspiel um ein Versprechen aus Liebe fallen. Die Symbolik der letzten Szene macht ein wenig Mut, ganz wenig nur, ist aber wie ein zart leuchtender Lichtstrahl am Ende dieser dunklen Nacht. Wie sehr dieser Roman autobiografisch ist, werden wir wahrscheinlich nie erfahren, er steht jedoch auch ohne Kenntnis der Hintergrundgeschichte für sich und ist ein beeindruckendes Buch über die Liebe. Über eine besondere, dunkle, verzweifelte und unzerbrechliche Liebe, auch wenn die Umstände es vermuten lassen. Die Übersetzung und die Ausstattung mit vielen Bildern aus dem Privatarchiv des Sohnes von Jean Seberg und Romain Gary ist vorzüglich. Romain Garys Roman hallt nach, lässt nicht los und ist eine kleine literarische Sensation. (erstveröffentlicht auf www.sandammeer.at, Roland Freisitzer; 08/2009)
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