„Er war die Beute jener an Raserei grenzenden Genialität, die ihm bis zu seinem Tod nicht mehr erlaubte, zu Atem zu kommen.“ (Seite 31)
Michelangelo war Aristokrat des Geistes und hatte alle Vorurteile des Kaste. Er ging so weit zu sagen: „Die Kunst müsste durch die Adeligen ausgeübt werden und nicht durch Plebejer.“ Er sammelte Aufgaben an und nahm mehr Aufträge an, als er ausführen konnte. Er wollte alles selber tun, alles ganz allein. Er war reich, lebte aber wie ein Armer, an seine Arbeit gebunden. Als Folge davon litt er an vielen Krankheiten und wurde frühzeitig alt: bereits mit 42 Jahren litt er an Altersschwäche und großem Misstrauen allen anderen gegenüber. Das machte ihn einsam. Man bewunderte und fürchtete ihn, liebte ihn aber nicht. Melancholie bestimmte sein Leben.
Geboren wurde er am 6. März 1475 in Caprese. Sein Vater war Bürgermeister dieses östlich von Florenz, am Kamm des Apennin gelegenen Ortes. Seine Mutter starb, als er sechs Jahre alt war. Gestillt wurde der zweite von fünf Brüdern von der Frau eines Steinmetzes. Dieser Nahrung schrieb er später im Scherz seine Bildhauerbegabung zu. In der Schule beschäftigte er sich hauptsächlich mit Zeichnen, was dem Vater und den Brüdern nicht gefiel, weil ihnen der Künstlerberuf verhasst war. Doch er war hartnäckig und trat mit 13 Jahren als Lehrling bei Domenico Ghirlandajo ein – dem größten und gesündesten unter den Florentiner Malern. Nach einem Jahr trennten sie sich, weil der Meister angeblich eifersüchtig auf Michelangelos Erfolg war. Michelangelo wollte nicht mehr malen und begann in der Bildhauerschule des Lorenzo die Medici. Er wohnte im Palast und beschäftigte sich mit den Platonikern. Über Venedig kam er später nach Rom.
1504 trafen Michelangelo und Leonardo da Vinci aufeinander. Die beiden Männer liebten sich nicht gerade. Dabei hätte die ihnen gemeinsame Vereinsamung sie einander nähern können. Leonardo, 30 Jahre älter als Michelangelo, war laut Biograph der einsamere.
Im März 1505 wurde Michelangelo durch den größenwahnsinnigen Papst Julius II. nach Rom berufen, um ein überdimensionales Grabmahl zu bauen. Nachdem Michelangelo in Carrara dafür Marmor besorgt hatte, ließ der Papst den Plan fallen. Michelangelo blieb auf einem Berg Schulden sitzen und sollte nun eine Bronzestatue gießen, die 1511 von Julius' Feinden zu einer Kanone umgeschmolzen wurde. Während Michelangelo unter großen Schwierigkeiten die Wölbung der Sixtinischen Kapelle bemalte, lebten sein Vater und die ganze Familie auf seine Kosten. Der Biograph schreibt sogar, dass er von drei Brüdern regelrecht ausgebeutet wurde.
Trotz der körperlichen Verbiegungen wurde Michelangelo fast 89 Jahre alt. Bis wenige Monate vor seinem Tod schrieb er noch Gedichte, die ihm seit Kindheit an ein dringendes Bedürfnis waren. Rolland hat einige davon in seiner Biographie aufgenommen, obwohl Michelangelo bereits 1518 die größte Zahl seiner Jugendgedichte verbrennen ließ. Dem Biographen gelingt es, dem Leser Michelangelos Charakter und seine persönliche Entwicklung nahe zu bringen. Der Leser erfährt in der bereits 1905 geschriebenen Abhandlung von der Freundschaft zu Thomaso Cavalieri und der 17 Jahre jüngeren Vittoria Colonna.
Der mit 60 Jahren zum Ersten Architekten, Bildhauer und Maler des apostolischen Papstes ernannte Michelangelo widmete seine letzten Lebensjahre dem Dienste Gottes. „Viele glauben – und ich glaube es auch – dass ich von Gott auf diesen Posten gestellt worden bin“, schrieb er als 70jähriger. Angeblich nahm er keinerlei Bezahlung für die heiligen Aufgaben. Dafür weihte er auch niemanden in seine Pläne ein, was ihm zahlreiche Feinde bescherte, die ihn aus Rom drängen wollten.
Nach der Lektüre dieses Buches bin ich voller Informationen und staune, wie gut sich diese über 100 Jahre alte Biographie doch lesen ließ. Sie gleicht mit ihren 43 Seiten Anmerkungen einer wissenschaftlichen Abhandlung. Der Autor, der 1915 als dritter Franzose den Nobelpreis für Literatur erhielt, war laut Wikipedia Schriftsteller, Musikkritiker und Pazifist.
Romain Rolland
Lebenslauf
Alle Bücher von Romain Rolland
Pierre und Luce
Von Welt zu Welt
Das Leben Michelangelos
Goethe und Beethoven
Clérambault
Das Leben Tolstois. Dt. von O.R. Sylvester.
Tagebuch der Kriegsjahre 1914-1919
Meister Breugnon
Neue Rezensionen zu Romain Rolland
Rezension zu "Pierre und Luce" von Romain Rolland
Pierre und Luce
Herausgerissen aus dem alltäglichen Pariser Leben, dem scheinbaren Leben, begegnet Pierre seinem Schicksal. Sie ist in etwa genauso alt wie er. Er sieht sie, doch sieht sie ihn?
Pierre ist sich nicht sicher. Sich ihr zu nähern übersteigt Pierres Kräfte. Ein glücklicher Zufall verhindert schließlich das Unglück, beide lernen sich kennen. Pierre und Luce. Das Leben ist gnädig, zumindest für eine kurze, unbeschwerte Zeit. Es ist Frühjahr 1918. Der Krieg ist überall spürbar. Die bisher bekannte Welt versinkt im Chaos. Pierre ist nur noch wenige Wochen vom sicheren Tod im Schützengraben, seiner Einberufung, entfernt. Für Pierre und Luce beginnt nun erst recht ein neues Leben. Ihr richtiges, ihr wahres Leben. Ein Leben weit entfernt von Realität und Sein.
„Warum lieben wir uns so sehr?“ sagte Pierre. „Ach! Pierre, du liebst mich nicht so sehr, wenn du fragst warum.“
„Ich frage dich danach“, sagte Pierre, „um dich zu bewegen, das zu sagen, was ich ebenso gut weiß wie du.“
„Du möchtest, daß ich dir Komplimente mache“, sagte Luce. „Aber da wirst du hübsch reinfallen. Denn falls du weißt, warum ich dich liebe, ich, weiß es nicht.“
„Du weißt es nicht?“ fragte Pierre bestürzt.
„Allerdings nicht!“ (Sie lachte insgeheim.) „Und ich brauche es überhaupt nicht zu wissen. Wenn man sich nach dem Warum einer Sache fragt, so deshalb, weil man ihrer nicht sicher ist, weil sie nicht gut ist. Nun, da ich liebe, gibt’s kein Warum mehr! Kein Wo, kein Wenn, kein Denn und kein Wieso mehr! Meine Liebe ist, meine Liebe ist. Das übrige ist vorhanden, fall es ihm behagt.“
Rezension zu "Meister Breugnon" von Romain Rolland
Eine Geschichte vom Mut, immer wieder neu anzufangen, das Schicksal anzunehmen aber nicht damit zu hadern.
Die Geschichte eines Mannes, der alles gewinnt und alles verliert, außer dem Mut zu Leben und weiterzumachen, von vorn zu beginnen.
Absolut lesenswert in unserer von Selbstmitleid und Resignation beeinflußten Gesellschaft - Jammern bringt nichts, man muß etwas tun
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Zusätzliche Informationen
Romain Rolland wurde am 29. Januar 1866 in Clamecy (Nièvre) (Frankreich) geboren.
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