Cover des Buches Hannahs Briefe (ISBN: 9783351035242)
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Rezension zu Hannahs Briefe von Ronaldo Wrobel

Ein Buch voller Poesie

von britta70 vor 11 Jahren

Rezension

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britta70vor 11 Jahren
Der Roman "Hannahs Briefe" spielt in Rio de Janeiro zur Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Als Land mit vergleichsweise junger Geschichte und multikultureller Prägung stellte Braslien einen beliebten Zufluchtsort für all diejenigen dar, die vor Kommunismus und Nationalsozialismus flohen und auf einen Neuanfang in der Fremde hofften. Doch wo das "Eigene" mit dem "Fremden" konfrontiert wird kommt es stets auch zu Abwehrhaltungen und Anfeindungen. Tatsächlich wurden die Flüchtlinge nicht immer mit offenen Arnen aufgenommen. Infolge ihres Masenandrangs wurden sie zunehmend auch als Bedrohung des "Eigenen" betrachtet: als Gefahr für die Bevölkerung und insbesondere Vargas Diktatur. Die Folgen waren gleichermaßen absehbar wie unschön. Bespitzelungen, Verhaftungen und Tötungen gehörten zur (politischen) Tagesordnung.

Ronaldo Wrobel, selbst Brasilianer mit jüdischen Wurzeln, nimmt sich dieser Thematik an. Erzählt wird die Geschichte des jüdischen Schuhmachers Max Kuttner, der vor dem zweiten Weltkrieg und der Armut in Polen flüchtet. Ihm gelingt es sich in die Gesellschaft einzugliedern, auch seine Schuhmacherwerkstatt läuft gut. All dies ändert jedoch nichts daran, dass er als Jude überwacht wird. Mehr noch: Die brasilianische Geheimpolizei zwingt ihn dazu, Briefe aus dem Jiddischen zu übersetzen. Nichts widerstrebt Max mehr, als in den Leben seiner jüdischen Mitmenschen herumzuwühlen, doch ihm bleibt keine andere Wahl. Einige Briefe machen ihn betroffen, andere - vornehmlich Beschreibungen kleiner Anekdoten - amüsieren ihn. Doch nur Hannahs Briefe berühren ihn tief in seinem Innersten. Die mit sehr viel Feingefühl geschriebenen Briefe haben eine solch starke Anziehungskraft für ihn, dass er sich in die Schreiberin quasi verliebt. Als er eines Tages bei der Durchsicht von Reperaturquittungen in seiner Schuhmacherwerkstatt auf exakt dieselbe Handschrift stößt, fiebert er ihrem Kennenlernen entgegen. Hannah widerum ist für so manche Überraschung gut...

"Hannahs Briefe" ist eine Geschichte von Liebe, Treue und Verrat voller überraschender Wendungen, die sich durch eine gelungene Mischung von historischen und Fakten auszeichnet. Umgebung und Charaktere sind sehr lebendig und detailreich beschrieben. Die Geschichte zieht den Leser in ihren Bann und lässt ihn nicht mehr los, bevor er betrübt zur Kenntnis nimmt, dass er bereits auf der letzten Seite angelangt ist. Doch das Buch hallt lange nach.
Die metaphernreiche und poetische Sprache macht das Buch zu einem einzigartigen Leseerlebnis. Es lohnt sich, Zettel und Stift parat zu legen, um die schönen zum Nachdenken anregenden Zitate für sich zu bewahren. Kostprobe S. 76:
Anderer Menschen Gefühle sind ein Sumpf, den wir in unserer Eitelkeit mit Blumen ausschmücken wollen. Nur dass die Sümpfe ihre eigenen Blumen haben.
Was für ein tolles Buch! Atemberaubend und voller Poesie. Selten habe ich in einem Buch so viele kluge Weisheiten gelesen- genial! Eine absolute Leseempfehlung für Freunde anspruchsvoller Literatur.
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