Rezension zu "Vierundsiebzig" von Ronya Othmann
"Vierundsiebzig" von Ronya Othmann behandelt mit dem Genozid an den Êzîden ein wichtiges, immer noch aktuelles und dabei viel zu oft vernachlässigtes Thema. Da ich mich mit der Geschichte der Êzîden noch viel zu wenig beschäftigt habe, war ich sofort interessiert an diesem Buch. Besonders reizvoll fand ich die Idee, aus der Perspektive einer persönlich Betroffenen zu lesen, die ihre eigenen Erfahrungen einfließen und auch weitere Betroffene zu Wort kommen lässt.
Leider fiel es mir schwer, einen Zugang zum Buch zu finden. Der Schreibstil, der sicher für viele Leser:innen authentisch und kraftvoll wirkt, war für mich herausfordernd. Die Kapitel empfand ich als sehr lang, und die Gedanken der Autorin erschienen mir oft sprunghaft. Die Übergänge zwischen Erzählungen und indirekter Rede waren fließend, was mir das Lesen zusätzlich erschwert hat. Diese subjektive und persönliche Erzählweise, die sicherlich die innere Zerrissenheit und das Chaos widerspiegelt, das das Thema mit sich bringt, hat es mir persönlich schwer gemacht, mich auf den Inhalt einzulassen.
Ein weiterer Aspekt, der mir zu schaffen gemacht hat, war die Vielzahl an Personen und Erlebnissen, die in schneller Abfolge eingeführt wurden. Während das die Vielschichtigkeit der persönlichen Leidensgeschichten der Êzîden unterstreicht, hatte ich Schwierigkeiten, mich in diese persönlichen Erzählungen einzufinden, da die Charaktere für mich blass blieben.
Trotz meiner Schwierigkeiten mit Stil und Struktur möchte ich betonen, dass "Vierundsiebzig" ein wichtiges Buch ist, das eine notwendige Aufmerksamkeit auf ein weitgehend übersehenes Thema lenkt. Die detaillierten und schmerzhaften Schilderungen der Verfolgung und des Leids sind essenziell, um das Bewusstsein für die Tragödie der Êzîden zu schärfen, auch wenn sie für mich persönlich durch die genannten Punkte schwer greifbar blieben.
Insgesamt bin ich froh, dass Ronya Othmann dieses Buch geschrieben hat und hoffe, dass es viele Leser:innen erreicht, die einen leichteren Zugang finden als ich. Es ist zweifellos ein wichtiges Werk, das einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung eines dringlichen Themas leistet.