Rosanne Bittner

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Neue Rezensionen zu Rosanne Bittner

Cover des Buches Full Circle (English Edition) (ISBN: B07NDRJXPD)
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Rezension zu "Full Circle (English Edition)" von Rosanne Bittner

SiCollier
Zwei Welten, eine Vision: der Kreis darf nicht durchbrochen werden

That is what is wrong with your people. They try to understand that which is not meant for us to understand. They try to make reason where there is no reason. They try to put their God in His proper place. They do not see Him as having no limits of space and time. (Seite 190)*


Zum Inhalt (eigene Angabe)

Evelyn Gibbons hat wieder und wieder einen seltsam realen Traum. Dies veranlaßt sie schließlich, ihre Verlobung zu lösen und in die Standing Rock Sioux Reservation zu reisen, um dort als Lehrerin für Indianerkinder zu arbeiten.
Black Hawk weigert sich, das alte Leben aufzugeben, und lebt alleine mit seinem kleinen Sohn in den Bergen. Als er zum ersten Mal auf die neue weiße Lehrerin trifft, ist er gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Er will nichts mit Weißen zu tun haben - doch diese Frau ist ihm wieder und wieder in seinen Visionen erschienen, selbst der Medizinmann spricht davon, daß er eines Tages die Hilfe einer weißen Frau benötigen werde.
Mehr und mehr wird klar, daß beider Schicksale untrennbar miteinander verwoben sind. Doch in einer Umgebung, die von Haß, Mißbrauch und Whiskeyschmuggel geprägt ist, wird das Leben zunehmend schwerer. Schließlich kommt es zur Katastrophe mit wenig Aussichten auf ein gutes Ende. Falls nicht noch ein Wunder geschieht.

 


Meine Meinung

In der Rezension zu „Comanche Sunset“ schrieb ich “...denn die Autorin hat eine Art zu erzählen, wie ich sie nur selten gefunden habe.“ Stimmt, das gilt (selbstverständlich) auch für dieses Buch, das ich in wenigen Tagen eher verschlungen denn gelesen habe. Während es in der Savage-Destiny-Reihe sowie dem schon erwähnten Buch um die Beziehung zwischen einem Halbindianer und einer Weißen ging, steht hier ein „Vollindianer“ (falls es diesen Begriff überhaupt gibt) und eine Weiße im Mittelpunkt der Geschehnisse. Wieder hat Rosanne Bittner Figuren in einer Welt geschaffen, die man nie mehr vergessen wird.

Im Sommer 1893, etwa zweieinhalb Jahre nach dem Massaker am Wounded Knee, setzt die Handlung ein. Evelyn Gibbons, Tochter eines Predigers, hat schon immer ihren eigenen Kopf gehabt und durchgesetzt. So auch jetzt, als sie sich berufen fühlt, das komfortable Leben in der Zivilisation aufzugeben und für ein Jahr als Lehrerin für indianische Kinder in die Standing Rock Reservation in Dakota zu gehen. Kaum dort eingetroffen, tauchen schon die ersten Probleme am Horizont auf. Denn im Gegensatz zu den anderen dort tätigen versucht sie ernsthaft, die Indianer zu verstehen. Sie spricht etwas Cheyenne und hat zur Vorbereitung ihrer Tätigkeit Lakota (die Sprache der Sioux) gelernt - alleine deshalb wird sie mißtrauisch beäugt.

Sehr schnell wird ihr klar, daß sie nur Erfolg haben kann, wenn es ihr gelingt, Black Hawk dazu zu überreden, seinen Sohn Little Fox in die Schule zu schicken. Denn er hat eine große Reputation im Reservat. Wenn er seinen Sohn schickt, werden andere Eltern es auch tun. Die erste Begegnung der beiden verläuft nicht gerade harmonisch, zudem es Black Hawk nicht gewohnt ist, Widerworte zu erhalten - zumal von einer Weißen. Dennoch spüren beide, daß es eine Verbindung zwischen ihnen gibt.

Rosanne Bittner hat auch hier ein glaubwürdiges Bild jener Tage entworfen, einer Zeit, in der die Indianerkriege vorüber waren und die Überlebenden in die Reservationen gedrängt wurden, wo sie mehr dahinvegetierten denn lebten. Denn wie üblich wurden Verträge und Zusagen seitens der amerikanischen Regierung nicht eingehalten. Whiskyschmuggel und Korruption taten ein übriges, das Leben der Sioux zu erschweren. Das wird hier, vergleicht man die Erzählung mit Sachbüchern über diese Zeit, recht lebensnah geschildert. Nur der guten Schreibweise der Autorin ist es zu verdanken, daß der Leser nicht in Depression verfällt.

Selbiges gilt auch für die teilweise recht drastischen Szenen, in denen einer der Bösewichte des Buches - Seth Bridges - eine unrühmliche Rolle spielt. Als Film wäre das vermutlich ab 16 oder gar ab 18, zumindest dann, wenn man es ausführlich darstellen würde. Auf solche Genauigkeit verzichtet die Autorin dankenswerterweise, wenngleich jedem Leser bewußt ist, was passiert. Aber manchmal sind Andeutungen schlimmer als genaue Beschreibungen. So oder so - nichts für schwache Nerven.

Die Handlung entwickelt sich innerhalb eines Zeitraumes von etwa sieben Monaten für meine Begriffe folgerichtig, Lebens- wie Zeitumstände sind gut getroffen. Die Figuren konnte ich mir gut vorstellen; manche mögen vielleicht kritisieren, daß sowohl Evelyn Gibbons als auch Black Hawk recht wenige dunkle Seiten haben. Mich hat das nicht gestört, wenngleich an einigen Stellen durchaus aufblitzte, daß beide auch anders könnten.

Neben den Untaten von Seth Bridges oder Jubal Desmond empfand ich fast nicht weniger schlimm die Einstellung so mancher ach so christlichen Prediger (und leider stimmt die im Wesentlichen mit den Überlieferungen überein). Es ist eine Sache, Nächstenliebe zu predigen, aber eine ganz andere, die dann praktisch anzuwenden. Damals wie heute.

Immer wieder kam Evelyn Gibbons zu dem Schluß, daß sowohl sie (als Christin) als auch Black Hawk (als Sioux) den selben Gott verehrten. Ein Gedanke, der mir schon früher oft gekommen ist, wenn ich Bücher gelesen habe, in denen die Religion der Indianer eine Rolle spielte und der bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht so abwegig ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn während beispielsweise die Ambitionen der sogenannten „christlichen Völker“ (und nicht nur diese) und deren hemmungslose Wirtschaft die Schöpfung an den Rand der Zerstörung gebracht hat, war die indianische Weise immer auf den Erhalt derselben bedacht (vgl. S. 163).

Wenn nach rund fünfhundert Seiten der Roman schließlich sein Ende erreicht hat und diese Geschichte auserzählt ist, geht eine ereignisreiche „Lesereise“ zu Ende. Freud und Leid, Tragik und Triumph lagen oft dicht nebeneinander und forderten ihren Tribut. Mehr als einmal drohte der „Full Circle“ - der Kreislauf des Lebens - ein Ende zu finden. Und doch ging es immer irgendwie weiter, allen Umständen zum Trotz, denn das Leben ist hartnäckig und fordert sein Recht ein. Das Recht des Full Circle. 

 


Mein Fazit

Ein beeindruckender Roman über die Zeit nach den Indianerkriegen, als für die einst stolzen Native Americans alles verloren war und sie gezwungen wurden, sich dem „weißen Mann“ anzupassen. Mit Sympathie für und oft aus Sicht der Unterlegenen geschrieben, thematisiert Rosanne Bittner Liebe und Leid, Vergangenheit und Zukunft, Abschied und Aufbruch und entwirft das Bild einer Übergangszeit mit all ihren Schrecken, aber auch ihrer Hoffnung. Ein großartiges Leseerlebnis.

 

Sinngemäße Übersetzung (aus dem Zusammenhang)

Das ist der Fehler deines Volkes. Sie versuchen das zu verstehen, das nicht für uns gedacht ist, verstanden zu werden. Sie suchen Logik, wo keine Logik ist. Sie versuchen, ihren Gott an seinen ihm zustehenden Platz zu stellen. Sie sehen Ihn nicht so, daß er weder im Raum noch in der Zeit Grenzen hat.

 



 

Cover des Buches Comanche Sunset (ISBN: 9781635763577)
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Rezension zu "Comanche Sunset" von Rosanne Bittner

SiCollier
Zwischen den Fronten der Comanchen und der Weißen

 He wanted to understand the Comanche beliefs, to know why raiding and living the nomadic life, torture, and revenge seemed as natural to those wild men of the Texas Plains as farming and doing business was for white men.* (Seite 35)


Meine Meinung

Nach Michael Blakes „Der mit dem Wolf tanzt“ sowie dessen Fortsetzung, ist dies erst das dritte Buch, das ich gelesen habe, in dem die Comanchen eine wesentliche Rolle spielen. Wenn ich an die Rolle der Comanchen in der kürzlich gelesenen Savage-Destiny-Serie der selben Autorin denke, so bin ich eher negativ vorbelastet. Wäre nicht Rosanne Bittner die Autorin, wer weiß, ob ich diesen Roman gelesen hätte. Womit ich allerdings gewißlich etwas verpaßt hätte.

Jetzt, nach dem letzten Satz bin ich immer noch gefangen in der Erzählung und habe Mühe, in die Realität des Jahres 2021 zurückzukehren. Zu gut hat die Autorin ihre Geschichte erzählt, zu intensiv lief das Kopfkino, zu tief hat die Autorin mich in ihre Geschichte hineingezogen, zu sehr sind die Figuren zum Leben erwacht. Einem Leben, das ich nicht unbedingt geführt haben wollte, die Menschen damals aber keine andere Wahl hatten. Wie schon in der Savage-Desiny-Serie, so wird auch hier überdeutlich klar, wie beschränkt beispielsweise die medizinischen Möglichkeiten bei Verletzungen waren, vor allem im Hinblick auf Wundversorgung. Narkose gab es noch nicht, und unterwegs waren auch keine der damals üblichen Schmerzmittel verfügbar. Bekam man also eine Kugel ab, hieß es, die bei vollem Bewußtsein herauszuoperieren. Man konnte nur hoffen, dabei ohnmächtig zu werden und erst nach erfolgreicher Operation wieder aufzuwachen. Die Beschreibungen gehen nicht zu sehr ins Detail, dennoch weiß man und kann nachfühlen, was Verletzungen damals bedeuteten. Und im „Wilden Westen“ kamen Verletzungen durchaus häufig vor - auch bei Damen jeglicher Couleur.

Aus dem Geschriebenen wird schon ersichtlich, daß es sich hier - auch, wenn eine Liebesgeschichte, wie schon der U4-Text verrät, eine Rolle spielt - nicht einfach um einen ins Texas des Jahres 1860 versetzten Liebesroman handelt, sondern um einen historischen Roman mit allen Härten, welche die damalige Zeit in Texas mit sich brachte. Und mit allen Vorurteilen jener (nur jener?) Zeit. Im Vorwort schreibt Rosanne Bittner, daß zwar alle Figuren und Handlungen fiktiv sind, die Einstellungen und Meinungen der Handelnden jedoch den damaligen entsprechen. Das hieß, wenn es etwa um Indianer ging, Rassismus bis zum Äußersten.

Wie in der Savage-Destiny-Serie spielt auch hier die Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem Halbblutindianer eine wesentliche bzw. treibende Rolle. So bleiben gewisse Ähnlichkeiten nicht aus, denn ob in Colorado, Wyoming oder Texas - die Weißen dachten und handelten überall gleich. Die meisten jedenfalls.  Denn Wade Morrow, dessen Mutter Comanche war, wurde als wenige Stunden altes Baby von seinen weißen Eltern aufgenommen und wie ein eigener Sohn aufgezogen. Seine Stiefbrüder lassen das „Stief“ weg und bezeichnen in als Bruder - Wade hatte Glück in eine Familie zu kommen, in der seine Herkunft keine Rolle spielte. Er wurde nach seiner Geburt ausgesetzt, um zu sterben. Denn er war ein Zwilling - und Zwillinge waren für die Comanchen ein böses Zeichen. Diese mußten sterben.

Hieraus entwickelt sich sechsundzwanzig Jahre später auch die Handlung des Buches. Wade will wissen, weshalb er ausgesetzt wurde und ob er noch indianische Verwandten hat. Nach einer Reise, die er für die Firma seines Vaters unternommen hat, macht er sich auf die Suche. Dabei begegnet er Jennifer Andrews aus St. Louis, die vor den Übergriffen ihres Onkels geflohen ist. Es kommt, wie es kommen mußte: beide verlieben sich ineinander, aber bis zu einem möglichen Happy End sind nahezu unüberwindliche Hindernisse zu bewältigen. 

Im Weg sind nicht nur die Vorurteile der Weißen, sondern auch die der Comanchen. Wade findet seinen Zwillingsbruder und erfährt, daß nur einer von beiden überleben darf. Nun nützt ihm seine ganze „weiße“ und christliche Erziehung und Einstellung nichts mehr - mit Wild Horse ist weder zu spaßen noch zu reden. Eine Internetrecherche ergab, daß die Einstellung der Comanchen (und mancher anderer Stämme) zu Zwillingen im Buch richtig dargestellt wurde. Auch wenn es dem Leser (wie Wade oder Jennifer) schwer fällt, das zu verstehen und nachzuvollziehen, so handeln die Comanchen jedoch in sich schlüssig entsprechend ihren Überzeugungen und Überlieferungen. Es prallen zwei Welten aufeinander, die anscheinend unversöhnlich sind, im Laufe des Geschehens jedoch - zumindest was Wade und Jennifer betrifft - das Verständnis für die andere Seite wecken können. Mit ihnen lernt auch der Leser einiges über die Denk- und Lebensweise der Comanchen und wird Verständnis entwickeln, wobei „Verständnis“ nicht immer mit „Billigung“ oder „Zustimmung“ gleichzusetzen ist.

Oder, wie ein wohlmeinender Händler Wade erklärt:
„But I understand some of the reasons, and I understand a little bit about the nature of the Comanche. Most folks don’t try to understand. They just figure anybody who doesn’t live and believe like they do is wrong.“** (S. 300)
Eine Einstellung, die in diesem Buch sehr häufig vorkommt und bis heute weit verbreitet ist. Mit teilweise ähnlich fatalen Folgen wie damals.

Wie es sich für einen solchen Western gehört (und es sich zwangsläufig aus dem Gang der Handlung entwickelt), spitzt sich alles auf einen fast hundertseitigen Showdown hin zu. Am Ende, wenn die Überlebenden sich zusammenraufen und die Geschichte auserzählt ist, hieß es Abschied nehmen von Figuren, die so lebensnah beschrieben waren, daß ich meine, sie persönlich gekannt zu haben. So lasse ich sie denn ziehen und ihr Leben leben; sicherlich werde ich jedoch sehr bald wieder zu einem Buch der Autorin greifen, denn diese  hat eine Art zu erzählen, wie ich sie nur selten gefunden habe.

 

Mein Fazit

In den Texas Plains des Jahres 1860 prallen die Welten und Denkweisen von Weißen und Comanchen hart aufeinander. Zwischen die Fronten geraten Wade Morrow und Jennifer Andrews. In einer dramatischen Erzählung erweckt die Autorin Figuren wie Zeitumstände zum Leben und läßt den Leser die Konflikte quasi aus erster Hand miterleben. Mit Sympathie für die Unterlegenen geschrieben, bietet der Roman etliche lohnende fesselnde Lesestunden.

 

 

Sinngemäße Übersetzungen (aus dem Zusammenhang):

* = Er wollte den Glauben der Comanchen verstehen, wissen, wehalb (Siedler) überfallen und nomadisch leben, Folter und Rache diesen wilden Menschen der Texas Plains so normal erschienen wie Land bebauen und Geschäfte abschließen es für den Weißen Mann ist.

** = Doch ich verstehe einige der Gründe, und ich verstehe etwas die Natur der Comanchen. Die meisten Menschen versuchen überhaupt nicht zu verstehen. Sie sind der Meinung, jeder, der nicht wie sie selbst lebt und das selbe glaubt, lebt falsch.“

 

Cover des Buches Eagle's Song (Savage Destiny, Band 7) (ISBN: 9781940941677)
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Rezension zu "Eagle's Song (Savage Destiny, Band 7)" von Rosanne Bittner

SiCollier
Am Ziel: Das Ende einer grandiosen Saga

The old days are no more.* (Seite 88)


Meine Meinung

Vor einigen Tagen schon habe ich das Buch ausgelesen, und selten fiel mir eine Rezension so schwer wie jetzt, da ich mich von den überlebenden Monroes ein für alle Mal verabschieden muß. Über dreitausendeinhundert Seiten und über mehr als fünfzig Jahre hindurch habe ich nun das Schicksal von Zeke Monroe, Abigail Trent Monroe, ihren Kindern, Enkelkindern und Verwandten verfolgt, und nun das Gefühl, mich nicht von Figuren, sondern von Menschen, die mir vertraut sind wie die eigene Familie, verabschieden zu müssen. Wobei viele - zu viele - sich schon während der Romane zu Heammawihio, ins Reich der Toten, zurückgezogen haben - die meisten durch Gewalt.

Es ist ein seltsames Ding, was man von einem Buch (bzw. hier einer Buchserie) letztlich im Langzeitgedächtnis behält. Ich meine jetzt nicht unbedingt den (nahezu) vollständigen Handlungsstrang, sondern einzelne Szenen, oder nur ein Bild, das sich für ewig ins Gedächtnis einbrennt. Vor langer, langer Zeit (über vierzig Jahre ist das her), habe ich ein Buch - Theodor Kröger „Das vergessene Dorf“ - gelesen, von dem mir am Ende auch heute noch, als wäre es gestern gewesen, das Bild von zwei einsamen Gräbern irgendwo in der Wildnis der sibirischen Taiga im Gedächtnis geblieben ist. Und noch heute kann ich empfinden, was ich damals, deutlich unter zwanzig Jahren alt, gefühlt habe. 

Jetzt, nachdem ich die ganze siebenbändige Savage-Destiny-Serie gelesen habe, ist ein weiteres Bild hinzugekommen, das ich wohl niemals mehr aus dem Gedächtnis werde bannen können. Irgendwo in den Rocky Mountains steht einsam in unzugänglicher Gegend und unberührter Natur ein Trauergestell, wo vor wilden Tieren geschützt Zeke Monroe, das große Messer in der Hand, sich von den Mühen seines Lebens ausruht. In der Nähe rauscht ein Wasserfall und hoch droben zieht ein einsamer Adler seine Kreise. Von Zeit zu Zeit fliegt er hinfort übers Land, um zu sehen, wie es den Nachkommen des Zeke Monroe geht, oder auch, um ihnen eine Botschaft oder Warnung zu bringen...

Es ist schade, daß die Autorin die Saga nicht mit den nächsten Generationen fortgesetzt hat, andererseits verständlich, denn inzwischen ist die Familie trotz der Verluste so angewachsen, daß man leicht den Überblick verlieren kann. In dieser Spätzeit des „Wilden Westens“, kurz vor und nach Schließung der Frontier, brechen nochmals die Konflikte zwischen Altem und Neuem auf, stellt sich immer wieder die drängende Frage, ob die „Weißen“ das Recht hatten, dermaßen brutal und konsequent eine entwickelte Kultur zu vernichten und ihre eigene (wobei ich manches Mal in diesem Zusammenhang mit dem Begriff „Kultur“ meine Probleme habe) an die Stelle zu setzen. Die Unterlegenen rücksichtslos zu zwingen, sich an die „weiße“ Denk- und Handlungsweise zu gewöhnen und anzupassen, diese zu akzeptieren, wobei man selbst nicht mal im Ansatz versucht, die der Indianer auch nur zu verstehen. Wenn ein Indianer sich dann aber an die weiße Gesellschaft angepaßt und integriert hat, wird er dennoch nicht akzeptiert - er ist ja nur ein „Wilder“ und minderwertig. Unwillkürlich stellt sich die Frage, ob man andere Menschen vertreiben, unterdrücken, gar ausrotten darf, um die eigene Lebensform als die alleingültige durchzusetzen.

Immer wieder taucht diese Thematik auf; zwar war mir das aus anderen (Sach-) Büchern bekannt, doch noch nie (das bezieht sich jetzt auf die Buchreihe als Ganzes) habe ich die Auswirkungen des weißen Vordringens in den amerikanischen Westen auf die dort seit Jahrhunderten ansässigen Stämme dermaßen eindringlich und konsequent dargestellt gefunden wie in der Savage-Destiny-Reihe. Als Eisenbahnfreund von Kindesbeinen an hat mich stets auch die Bahn im „Wilden Westen“ fasziniert. Seit diesen Büchern sehe ich das differenzierter, denn welche verheerenden Auswirkungen der Bau der Eisenbahn auf die Indianer hatte - auch das wird im Verlauf der Handlung mehr als deutlich.

Was sich im sechsten Band leise andeutete, taucht hier verstärkt auf: indianische Mystik, um es so zu bezeichnen. Der Autorin sind dabei ungemein beeindruckende Bilder und Szenen gelungen. Der Adler als Symbol für den verstorbenen Zeke, die Wölfe, die Wolfs Blood begleiten und in kritischen Momenten zur Stelle sind. Es bedarf nicht vieler Worte, um hochemotionale Szenerien erstehen zu lassen, etwa auf Seite 150, als sich der Wolf winselnd auf das Grab legt, einige Seiten später, als die Wölfe Wolfs Blood vor dem Erfrieren retten, oder gegen Ende, als am Himmel der Adler ruft und am Boden der Wolf heult. Szenen, die man wohl nie wieder vergessen kann, und bei denen es  vielleicht nicht verkehrt ist, ein Taschentuch in Griffnähe zu haben...

Selten hat mich ein Buch bzw. eine Buchreihe dermaßen aufgewühlt und mitgenommen wie diese, Emotionen hervorgerufen, von denen ich nicht wußte, daß ich zu ihnen fähig bin, Einsichten beschert, die mir bisher verwehrt waren. Viel wäre zu sagen, aber dazu müßte ich dann das ganze Buch nacherzählen, und das ist denn doch nicht der Sinn dieser Zeilen. Gegen Ende hat mich das Buch an das Ende eines anderen erinnert. „Walks Far Woman“ von Colin Stuart. Was dort der Coyote, ist hier der Adler, der ruft - und dessen Ruf unbedingte Folge zu leisten ist.

Jetzt, über einhundertdreißig Jahre nach den in der Buchserie geschilderten Ereignissen, weilt keine der Personen der Familie Monroe mehr unter den Lebenden. Ob sie nun im Himmel, bei Heammawihio oder einfach „bei den Geistern“ sind, wissen nur sie allein. Einstens, wenn auch wir die Augen für immer schließen und uns zur ewigen Ruhe legen, erhalten wir vielleicht die Chance, dies zu erfahren. Wohin denn die Seele nachdem irdischen Dasein wandert. Und vielleicht werden wir sie, deren Leben wir in sieben Bänden durch über dreitausendeinhundert Seiten hindurch begleitet haben und die mir fast so etwas wie Verwandte geworden sind, dort treffen. Und sie werden selbst von ihrem Leben berichten können, von ihren Erfahrungen und Abenteuern; wie das war, als aus der „Wildnis“ eine „Zivilisation“ wurde (wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Begriffe so korrekt verwendet sind, aber das ist eine andere Geschichte). Als Lone Eagle Zeke Monroe und Abigail Trent sich auf einem Treck in den Westen kennen und lieben lernten, ihre Leben bis über den Tod hinaus aneinander banden und gemeinsam allem trotzten: ein wahrhaft Savage Destiny**.

 

Mein Fazit

Eine lange, leid-, aber auch freudvolle (Lebens-) Reise gelangt mit diesem Buch an ihr Ziel. Vom freien Leben in der Prairie bis hin zum Untergang einer Lebensform und Kultur. So war der „Wilde Westen“ - hart und unerbittlich in grandioser Landschaft aus Sicht der Unterlegenen. Eine grandiose Saga, unvergeßlich. 

 

* = Die alten Tage sind nicht mehr/vorbei.

** = Übersetzungsmöglichkeiten:
Wildes Schicksal/Bestimmung  -  Grausames Schicksal/Bestimmung

 

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