Cover des Buches Ganesha wirft das Handtuch und schlürft Sekt auf Sylt (ISBN: 9783863862121)
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Rezension zu Ganesha wirft das Handtuch und schlürft Sekt auf Sylt von Rosl Reddy

Der Titel hört sich lustig und zynisch an.

von steffeinhorn vor 11 Jahren

Rezension

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steffeinhornvor 11 Jahren
Ganesha wirft das Handtuch und schlürft Sekt auf Sylt
Von
Rosl Reddy


Der Titel hört sich lustig und zynisch an. Das Titelbild des Buches ist auch witzig gestaltet und ich mag das Blau im Hintergrund.
Aber die Geschichte ist weder lustig noch zynisch. Beim Lesen aus der Ich-Perspektive begleitet der Leser das Leben einer jungen deutschen Frau und staunt und leidet mit ihr. Die Narben des vergangenen 2. Weltkrieges sind deutlich spürbar und beeinflussen lebenswichtige Entscheidungen über Generationen hinweg.
Auf der Such nach Menschlichkeit, so könnte der Untertitel heißen. Die Protagonistin sucht nach Liebe, Spiritualität, Anerkennung, Bestätigung und vor allem Menschlichkeit, die da, wo sie am meisten gebraucht wird, völlig abwesend ist und manchmal ganz unverhofft vor ihr steht und ihr die Hand reicht.
Ein deutsches junges Mädchen, ein Nachkriegskind aus einfachen Verhältnissen, verliebt sich in einen indischen Studenten aus einer wohlhabenden, einflussreichen Familie, die in Indien lebt. Die kindlichen Träume von Liebe, gemeinsamen Leben und einer eigenen glücklichen Familie zerbrechen an der erbarmungslosen Welt unserer Realitäten. Namen und Traditionen lassen Menschen in festgefahrenen Systemen funktionieren, wobei in den seltensten Fällen Glück, Freiheit und ein erfülltes Menschenleben bei herauskommen.

Das Buch und der Text sind nicht perfekt, aber das hilft beim Vermitteln dieser emotionsgeladenen Geschichte, die dennoch objektiv erzählt wird. Wenn wir Menschenkinder schon auf dieser Welt sind, warum nicht eine Reise auf der Suche nach dem Selbst zu begehen?
Erkenntnisse, Verzeihen, Verstehen und Klarsicht sprechen dem Leser besonders an.

Persönliche Notiz:

Wenn ich meinen französischen Freunden und Bekannten sage, dass die Narben des letzten Weltkrieges noch heute in der Kulturwelt und der Gefühlswelt vieler Deutscher sehr spürbar und belastend sind, mag man mir nicht immer glauben. Möglich, weil in Frankreich das System seit ewiger Zeit nicht grundsätzlich infrage gestellt wurde …
Im Buch von Rosl Reddy traf ich unverblümt auf ein Verhalten, welches ich verstand, selbst wenn es absurd erscheinen mag. Deutsche Standhaftigkeit zum Beispiel, ein nobler Zug von der Protagonistin, der ihr allerdings viel aufbürdet. Wenn Verständnis und Selbstgefühl fehlen, berufen Menschen sich auf das Wenige, das sie kennen, oder zu kennen glauben. Die eigene Kultur und seine eigenen Wurzeln verstehen und akzeptieren setzt voraus, mit sich selbst im Verständnis zu leben, was nicht bedeutet, alles bedingungslos gut zu finden. Um eine Idee von persönlicher Freiheit zu entwickeln, kann hilfreich sein, das Mindeste seiner Herkunft zu erkennen und zu verstehen. Durch unausgesprochene Tatsachen und verbissenes Festhalten von veralteten Traditionen wird mehr zerstört als erhalten.
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